Niger: Militär putscht gegen Präsidenten und hält diesen stundenlang fest (Video)

Putsch im Niger
Militär verkündet Machtübernahme – nachdem der Präsident stundenlang im Palast festgehalten wird


Sehen Sie im Video: Militär im Niger putscht gegen Regierung von Präsident Bazoum.

In Niger haben Soldaten der Präsidentengarde offenbar die Regierung gestürzt. Präsident Mohamed Bazoum sei abgesetzt worden, teilte eine Gruppe von Soldaten am Mittwoch im staatlichen Fernsehen des westafrikanischen Landes mit. Die Verteidigungs- und Sicherheitskräfte hätten beschlossen, dem Regime wegen der sich verschlechternden Sicherheitslage und der schlechten Regierungsführung, ein Ende zu setzen, hieß es. Die Grenzen des Landes seien geschlossen, eine landesweite Ausgangssperre verhängt und alle Institutionen der Republik suspendiert worden. Die Soldaten warnten vor einer Intervention aus dem Ausland. Präsident Bazoum war zuvor nach Angaben aus Sicherheitskreisen von der Garde im Präsidentenpalast in der Hauptstadt Niamey festgesetzt worden. Seine Anhänger protestierten vor der Nationalversammlung in Niamey und forderten die Freilassung des Präsidenten. Die Wahl Bazoums war der erste demokratische Machtwechsel in dem bitterarmen Land, in dem das Militär seit der Unabhängigkeit von Frankreich 1960 viermal geputscht hat. Ein erfolgreicher Putsch wäre ein schwerer Rückschlag für die Bemühungen europäischer Staaten, islamistische Gruppierungen in der Sahel-Zone zu bekämpfen.


Stundenlang wird Nigers Präsident Mohamed Bazoum am Mittwoch in seinem Palast festgehalten – von Mitgliedern der eigenen Garde. Am späten Abend verkünden dann Soldaten im Fernsehen die Machtübernahme.

Im westafrikanischen Niger haben Angehörige des Militärs geputscht und den Präsidenten Mohamed Bazoum festgesetzt. In einer am Mittwochabend im Fernsehen von Oberst Amadou Abdramane verlesenen Erklärung hieß es, die “Verteidigungs- und Sicherheitskräfte” hätten “entschieden, dem Regime (…) ein Ende zu setzen”. Mehrere Länder und internationale Organisationen verurteilten den Putschversuch und forderten die Freilassung Bazoums. “Alle Institutionen” des Landes würden “bis auf weiteres” außer Kraft gesetzt, die Grenzen geschlossen und eine nächtliche Ausgangssperre verhängt, verkündete Abdramane im Beisein neun weiterer uniformierter Militärs. Als Grund für den Staatsstreich führten sie, im Namen eines “Nationalen Rats für den Schutz des Vaterlandes” (CNSP), die Verschlechterung der Sicherheitssituation, die schwache Wirtschaft und die Regierungsführung Bazoums an.

Niger: Staatschef Bazoum festgesetzt

Zuvor hatte die Präsidentengarde den Staatschef in seinem Amtssitz in der Hauptstadt Niamey festgesetzt. Aus dem Umfeld Bazoums hieß es, der Staatsstreich sei “zum Scheitern verurteilt”. Im Zentrum der Hauptstadt Niamey versammelten sich nach Angaben von Journalisten Demonstranten, die dem Staatschef ihre Unterstützung ausdrücken wollten. Einige versuchten zum Amtssitz des Präsidenten zu gelangen, wurden aber von der Präsidentengarde mit Warnschüssen vertrieben, berichtete ein Reporter der Nachrichtenagentur AFP. 

UN-Generalsekretär António Guterres verurteilte den “unkonstitionellen Regierungswechsel” scharf. Der Generalsekretär sei “zutiefst verstört” über den Arrest von Präsident Bazoum, erklärte Guterres’ Sprecher Stephane Dujarric. US-Außenminister Antony Blinken verurteilte den Putschversuch und forderte die “sofortige Freilassung” des Staatschefs. Auch die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft (Ecowas) verurteilte den Putschversuch und forderte die sofortige und bedingungslose Freilassung Bazoums. Die Europäische Union teile die Einschätzung der Ecowas, wie der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell im Online-Netzwerk Twitter, das in “X” umbenannt wurde, erklärte. “Die EU verurteilt jeden Versuch, die Demokratie zu destabilisieren und die Stabilität Nigers zu beeinträchtigen.”  

Bundeswehr im Niger stationiert

Der Vorsitzende der Kommission der Afrikanischen Union, Moussa Faki Mahamat, warf auf Twitter der Präsidentengarde vor, “in völligem Verrat an ihrer republikanischen Pflicht” zu handeln. Die französische Außenministerin Catherine Colonna erklärte auf Twitter, Frankreich verurteile “alle Versuche, Macht mit Gewalt zu ergreifen”. Die in Niger stationierten Bundeswehrsoldaten waren laut Bundesverteidigungsministerium in Sicherheit. “Wir haben die Rückmeldung, dass unsere Soldaten in Sicherheit sind – das ist uns das Wichtigste”, sagte ein Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums. Der Bundestag hatte im Mai das Mandat für die Beteiligung der Bundeswehr an der EU-Militärmission EUMPM Niger erteilt. Aktuell sind daran laut Bundesverteidigungsministerium etwa ein Dutzend Bundeswehr-Soldaten beteiligt.

Zudem unterhält die Bundeswehr auf dem Flughafen von Niamey seit zehn Jahren ein Logistik-Drehkreuz für den UN-Blauhelmeinsatz im benachbarten Mali. Dafür sind aktuell nach Ministeriumsangaben “um die hundert” deutsche Soldaten vor Ort. Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius hatte bei einem Besuch in Niger im April bekräftigt, dass dort “der Schwerpunkt unseres zukünftigen militärischen Engagements im Sahel” liegen werde und das Land als “Damm gegen den Terrorismus” bezeichnet. Da Auswärtige Amt mahnte in einer Teilreisewarnung, vor allem in Niamey “besonders vorsichtig” zu sein und Bewegungen im Stadtgebiet zu vermeiden. 

Viele Putsche und Putschversuche

Der westafrikanische Binnenstaat Niger hat seit seiner Unabhängigkeit von Frankreich im Jahr 1960 bereits vier Putsche und zahllose Versuche der Machtübernahme erlebt. Der letzte Versuch einer Absetzung Bazoums war nach Angaben eines nigrischen Beamten im März, als sich der Präsident in der Türkei befand. Die Behörden äußerten sich dazu nie öffentlich. Bazoum war vor zwei Jahren beim ersten friedlichen Machtwechsel des Landes seit der Unabhängigkeit ins Amt gewählt worden. Niger liegt im Herzen der Sahelzone in Westafrika und besteht zu zwei Dritteln aus Wüste. Das Land kämpft mit dschihadistischer Gewalt, die zur Flucht von Hunderttausenden führte. Der Niger ist einer der letzten Verbündeten des Westens in der Sahelregion. Die Nachbarn Mali und Burkina Faso haben sich anderen Partnern zugewandt, darunter Russland.

mth
AFP
Reuters

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