Nervöse Anleger: DAX ohne klare Linie



Marktbericht

Stand: 24.03.2022 18:15 Uhr

Im Schlepptau einer robusten Wall Street hat sich der DAX am Nachmittag etwas erholt und fast auf Vortagesniveau geschlossen. Angesichts der Ängste vor Folgen des Kriegs und der Inflation bleibt es aber bei der Unsicherheit der Investoren.

Eine robuste Wall Street hat am Nachmittag stärkere Verluste des DAX verhindert. Der deutsche Leitindex schloss nach wechselvollem Handel bei 14.273 Punkten mit einem Mini-Minus von 0,07 Prozent nahezu unverändert. Bei nachlassender Volatilität lag das Tagestief bei 14.187 Punkten, das Tageshoch bei 14.375 Zählern. Gestern hatte der deutsche Leitindex 1,3 Prozent auf 14.284 Zähler verloren.

Aussagen der Europäischen Zentralbank (EZB), dass sich die europäische Wirtschaft durch den Ukraine-Krieg abkühlen werde, hätten belastet, hieß es von Experten. Dadurch seien Sorgen über eine mögliche Stagflation, aber auch neu angefachte, erhebliche Inflationsängste angefacht worden. Letztere primär als Folge der durch den Krieg drastisch gestiegenen Energiepreise, die wie ein Damoklesschwert über den Märkten hängen.

Während sich die Aktienmärkte aber derzeit noch einigermaßen behaupten, ging der Ausverkauf am Rentenmarkt weiter und sorgte für erneut steigende Renditen. Zehnjährige Bundesanleihen rentierten bei 0,52 Prozent, der Bund-Future verlor weitere 0,4 Prozent und sackte unter 160 Prozent auf ein neues Jahrestief.

Gipfeltreffen im Fokus

Mit Spannung blicken die Märkte auf zahlreiche Gipfeltreffen der westlichen Staaten. Konkret trafen oder treffen sich die Staats- und Regierungschefs der sieben größten Industriestaaten (G7), der EU sowie der NATO-Mitglieder zu Verhandlungen, um über weitere Konsequenzen im Verhältnis zu Russland zu beraten.

Dabei befürchten die Investoren bei einer neuen Sanktionsrunde gegen Russland eine weitere Verteuerung von Rohstoffen mit entsprechenden Folgen für die Wirtschaft. Aktuell haben die USA gegen hunderte russische Parlamentarier Sanktionen erlassen. Das hat zwar keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Börse, zeigt aber, dass eine Verhandlungslösung mit Russland noch in weiter Entfernung liegen dürfte.

“Ein Ölembargo der EU zählt wahrscheinlich nicht dazu, weil einige Länder mit hoher Abhängigkeit von russischem Öl wie Deutschland sich dagegen ausgesprochen haben”, sagte Commerzbank-Analyst Carsten Fritsch. “Die Frage ist aber, ob die Gegner eines Importstopps ihre Meinung nun doch noch ändern, nachdem die Gaskäufe sogenannter ‘unfreundlicher Staaten’ laut gestriger Anweisung von Russlands Präsident Wladimir Putin künftig in Rubel abgewickelt werden sollen.”

Inflationsängste nehmen zu

Ein derzeit sehr wichtiger Belastungsfaktor, der eng mit den Sanktionen gegen Russland verbunden ist, bleibt die Aussicht auf eine anziehende Inflation. Das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) rechnet im laufenden Jahr mit einer Teuerungsrate von 5,8 Prozent. Belastet werden dabei vor allem auch Arbeitnehmer: Wegen der stärksten Inflation seit fast drei Jahrzehnten haben sie 2021 zum zweiten Mal in Folge Reallohneinbußen hinnehmen müssen. Die Reallöhne sanken um 0,1 Prozent.

Maßgeblicher Treiber der Preisspirale bleiben dabei die hohen Energiepreise, die aber zunehmend Zweitrundeneffekte nach sich ziehen, etwa bei Lebensmitteln. Selbst die sehr zögerliche EZB ist mittlerweile von ihrem lange Zeit gültigen Narrativ abgerückt, dass die hohe Inflation nur ein kurzzeitiges Phänomen sei. Mittlerweile gibt es immer mehr Gedankenspiele, der US-Notenbank Federal Reserve (Fed) in ihrem Zinserhöhungskurs zu folgen.

Der starke Ölpreisanstieg lasse die Inflationsspirale schneller drehen, fasst Christian Henke, Marktbeobachter bei IG Marktes, die Lage zusammen. “Dies schürt zum einen Konjunktursorgen und zum anderen die Angst davor, dass die Notenbanken zur Eindämmung der Teuerungsrate schneller und stärker an der Zinsschraube drehen könnten.”

Wall Street in guter Form

Auch an der Wall Street fehlt derzeit eine klare Linie, insgesamt präsentieren sich die US-Märkte aber robuster als ihre Pendants in Europa. Unter der Führung der Technologiebörse Nasdaq, die rund 1,2 Prozent zulegt, stehen alle großen Indizes im Plus. Der Dow Jones gewinnt dabei 0,6 Prozent, der marktbreite S&P-500-Index gut 0,8 Prozent.

“Die Schwankungsanfälligkeit des Aktienmarktes dürfte bis auf Weiteres sehr hoch bleiben”, betonte die Helaba-Chefvolkswirtin Gertrud Traud mit Verweis auf eine Kombination aus Krieg, hohen Rohstoff- und Energiekosten sowie steigenden Zinsen. Im Fokus blieb die Ukraine, wo die Gefechte weiter gingen.

Allerdings wird an der Börse der mittlerweile schon eingeleitete Zinswechsel durch die Fed überwiegend positiv begleitet, was alles andere als selbstverständlich ist. Das Vertrauen in eine verantwortungsvolle Zinspolitik der Washingtoner Währungshüter ist in Anbetracht der viel zu hohen Inflationsraten groß, was der Börse trotz der zahlreichen globalen Belastungsfaktoren einen gewissen Halt gibt.

Ölpreise geben nach

Die Ölpreise weiten am Nachmittag ihre Verluste aus, bleiben dabei aber auf sehr hohem Niveau. Ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent kostete am Mittag rund 2,6 Prozent weniger bei knapp 119 Dollar je Fass. Der Preis für ein Fass der US-Sorte West Texas Intermediate (WTI) fällt ebenfalls um 2,6 Prozent auf knapp 112 Dollar je Fass.

Seit Beginn der Woche wurden die Ölpreise durch Spekulationen über neue Sanktionen gegen Russland bewegt, die auch den Ölhandel betreffen könnten. Deshalb werden die politischen Treffen auch am Ölmarkt mit Spannung verfolgt.

Commerzbank-Fachmann Carsten Fritsch verweist zudem auf neue Lieferausfälle. Nach einem schweren Sturm sei ein wichtiges Exportterminal nahe des russischen Schwarzmeerhafens Noworossijsk beschädigt. “Über das Terminal werden die Ölexporte des Caspian Pipeline Consortium abgewickelt, die zu 90 Prozent aus Kasachstan stammen.” Das kasachische Erdöl sei somit ebenfalls vom Markt abgeschnitten, nachdem das russische Öl im Westen kaum noch Käufer finde.

Euro unter 1,10 Dollar, Rubel legt zu

Die europäische Gemeinschaftswährung tendiert am späten Nachmittag gegenüber dem Dollar zur Schwäche und fällt unter die Marke von 1,10 Dollar. Die Europäische Zentralbank setzte den Referenzkurs auf 1,0978 (Mittwoch: 1,0985) Dollar fest.

Der Devisenmarkt blickt heute aber primär auf den russischen Rubel. Dieser legt nach Putins Ankündigung zu, russisches Gas nur noch gegen Rubel zu verkaufen.

Analysten der Dekabank bewerteten Schritt Russlands als ökonomisch wenig sinnvoll. Er dürfte letztlich ein Versuch sein, die EU zu zwingen, die eigenen Sanktionen zu unterlaufen. “Denn aktuell wären solche Zahlungen sanktionsbedingt kaum umsetzbar.”

Der Schritt Putins dürfte außerdem darauf abzielen, den taumelnden Rubel zu stützen. Mit der Zahlung der Gas-Lieferungen in der russischen Währung würde die Rubel-Nachfrage zunehmen, was den Rubelkurs unterstütze, kommentierte Expertin Kerstin Hottner vom Investmenthaus Vontobel. Aktuell würden etwa 60 Prozent der russischen Gaslieferungen in Euro und 40 Prozent in US-Dollar bezahlt.

Daimler Truck lässt Corona-Krisenverlust hinter sich

Der DAX-Neuling Daimler Truck hat im vergangenen Jahr den Corona-Schock von 2020 verdaut und einen milliardenhohen Gewinn geschrieben. Das Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) sei 2021 auf 3,3 Milliarden Euro gestiegen nach dem Einbruch auf 491 Millionen Euro im Vorjahr. Unter dem Strich schrieb der Konzern 2,4 Milliarden Euro Gewinn nach einem Verlust von 131 Millionen Euro 2020. Der Umsatz stieg um zehn Prozent auf 39,8 Milliarden Euro. Die Aktie legte gegen den Trend deutlich zu und stand an der DAX-Spitze.

“Funkturm-Fantasie” bei der Telekom

T-Aktien waren gegen den Trend stärker gefragt. Denn im Rennen um die Tochter Deutsche Funkturm hätten Europas Marktführer Cellnex aus Spanien, Vodafone mit der Infrastrukturtochter Vantage Towers, American Tower aus den USA und auch Infrastrukturinvestoren Offerten abgegeben, berichtete das “Handelsblatt” aus informierten Kreisen. Im Mai würden finale Gebote erwartet, bis Juni wolle sich die Telekom für einen Partner entschieden haben, hieß es.

Das Thema Funktürme bleibt in jedem Fall spannend für die Anleger. Erst in der Vorwoche hatten Papiere von Vantage Towers positiv auf kolportiertes Investoreninteresse reagiert. Damals hieß es, Vodafone bevorzuge eine große Fusion in der Branche. Spekulationen über eine Zusammenlegung der Funkturm-Sparten der Deutschen Telekom und Orange mit Vantage Towers kursieren bereits einige Zeit.

Heidelbergcement kann trotz höherer Dividende nicht begeistern

Der Baustoffkonzern Heidelbergcement will nach einem Milliardengewinn mehr an seine Aktionäre ausschütten. Für das Jahr 2021 soll eine Dividende in Höhe von 2,40 Euro je Aktie gezahlt werden, wie der DAX-Konzern am Morgen in seinem Geschäftsbericht mitteilte. Das sind 20 Cent mehr als im Vorjahr. Analysten hatten aber mehr auf ihren Zetteln. Das Unternehmen hatte bereits im Februar vorläufige Gesamtjahreszahlen vorgelegt und einen ersten Ausblick auf das laufende Jahr gegeben, an dem festgehalten wurde.

2021 hatte Heidelbergcement dank gut laufender Geschäfte mit einem Milliardengewinn geschlossen. Der auf die Aktionäre anfallende Überschuss betrug wie bereits bekannt 1,76 Milliarden Euro nach einem Verlust von 2,1 Milliarden Euro im Vorjahr. Die Anleger zeigten sich enttäuscht, sie hatten mehr erwartet. Die Aktie stand am DAX-Ende.

Renault stellt Produktion in Moskau ein

Der französische Autohersteller Renault stellt seine Produktion in Moskau ein. Die Aktivitäten im Renault-Werk in Moskau würden mit sofortiger Wirkung ausgesetzt, teilte der Autobauer mit. Das Aufsichtsgremium des Autobauers hatte am Mittwoch getagt und entschieden, die Produktion in der Moskauer Fabrik auf Eis zu legen, in der die SUV-Modelle Arkana, Kaptur, Duster sowie Nissan Terrano gefertigt werden.

Baywa-Chef sieht 2022 in Europa keinen Lebensmittelmangel

Nach Einschätzung von Deutschlands größtem Agrarhändler Baywa droht in Europa trotz des Ukrainekriegs in diesem Jahr keine Lebensmittelknappheit. “Ich glaube nicht, dass wir in Deutschland und Mitteleuropa eine Ernährungs- oder Versorgungsproblematik haben werden”, sagte Baywa-Vorstandschef Klaus Josef Lutz den Fernsehsendern RTL/ntv. Für kommendes Jahr seien die Aussichten hingegen ungewiss.

Russland und die Ukraine zählten bisher auf dem Weltmarkt zu den wichtigsten Exporteuren von Weizen, Mais und Ölsaaten wie Raps. Lutz geht aber davon aus, dass Lieferungen aus der Ukraine in diesem Jahr zum großen Teil ausfallen und Lebensmittel erheblich teurer werden könnten.

Größter Gasspeicherbetreiber Uniper kritisiert Gesetzentwurf

Deutschlands größter Gasspeicherbetreiber Uniper hat den Entwurf für das geplante Gasspeichergesetz kritisiert. Zwar sei die Schaffung einer Rechtsgrundlage zu angemessenen Mindestfüllständen sinnvoll, teilte das Unternehmen mit. “Allerdings werden die Regelungen im jetzt vorgeschlagenen Gesetzentwurf aus unserer Sicht dazu führen, dass das Speichergeschäft für die teilnehmenden Handelsunternehmen an Attraktivität einbüßt.” Auf den Energiekonzern Uniper entfällt rund ein Viertel der deutschen Speicherkapazität.

CTS Eventim zeigt sich zuversichtlich

Der Konzertveranstalter und Ticketverkäufer CTS Eventim rechnet damit, dass es mit dem Abflauen der Corona-Pandemie in diesem Jahr wieder große Pop-Tourneen und Festivals geben kann. Im vergangenen Jahr schrieb CTS Eventim dank der Corona-Hilfen der Bundesregierung wieder schwarze Zahlen. Insgesamt 157 Millionen Euro flossen aus der Staatskasse an das Unternehmen. Zugleich zogen die Ticketverkäufe wieder an. Der Nettogewinn lag 2021 bei 87,9 Millionen Euro, 2020 war ein Minus von 82,3 Millionen Euro angefallen.

SGL Carbon macht wieder Gewinn

Der Konzernumbau des Kohlefaserspezialisten SGL Carbon trägt Früchte. Nach drei Verlustjahren sei 2021 wieder ein positives Konzernergebnis erzielt worden. Unterm Strich blieben 75,4 Millionen Euro. Für das laufende Jahr geht das Management davon aus, zumindest einen Teil der vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs gestiegenen Energiekosten an die Kunden weitergeben zu können. Es bleiben aber zahlreiche Unsicherheiten durch den Krieg.

Gerichtsniederlage kostet Credit Suisse Hunderte Millionen

Die Credit Suisse hat auf den Bermudas eine juristische Niederlage erlitten. Ein Gericht werde dort in Kürze “ein negatives Urteil” gegen die lokale Versicherungstochter Credit Suisse Life Bermuda veröffentlichen, teilte die Bank mit. Laut der Mitteilung geht es dabei um “möglicherweise mehr als 500 Millionen US-Dollar”. In der Vergangenheit seien zwar Rückstellungen in dieser Sache getätigt worden, hieß es weiter. Es werde nun aber geprüft, ob weitere Rückstellungen vorgenommen werden müssten.

Google-Pilotprojekt erlaubt Spotify ein eigenes Bezahlsystem

Die Alphabet-Tochter Google teilt mit, dass das Unternehmen Spotify erlauben will, sein eigenes Bezahlsystem in seiner Android-App zu verwenden. Das neue Pilotprojekt soll Bedenken der App-Hersteller wegen hoher Gebühren und angeblich wettbewerbswidrigen Verhaltens Googles entgegenwirken. Nutzer, die Spotify aus dem Google Play Store heruntergeladen haben, werden in den kommenden Monaten in einigen Ländern vor die Wahl gestellt, entweder mit dem Spotify-Zahlungssystem oder mit Google Play Billing zu bezahlen.

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