Eine kalorienreduzierte Ernährung kann die Entstehung von Diabetes verzögern und das Immunsystem stärken

Darm mit Firmicutes- und Bacteroidetes-Bakterien. Bildnachweis: © CMFI/Leon Kokkoliadis

Eine kalorienarme Ernährung verändert das Darmmikrobiom und verzögert die Immunalterung

Eine kalorienreduzierte Ernährung kann nicht nur die Entstehung von Stoffwechselerkrankungen verzögern, sondern wirkt sich auch positiv auf das Immunsystem aus. Forscher haben nun erstmals gezeigt, dass dieser Effekt durch ein verändertes Darmmikrobiom hervorgerufen wird, das den Abbau des Immunsystems im Alter (Immunseneszenz) verlangsamt. Die Forschungsstudie wurde in der Zeitschrift veröffentlicht Mikrobiom.

Mikrobiom des Darms

Als Darmmikrobiom bezeichnet man die Gesamtheit aller Mikroorganismen und Darmbakterien in unserem Verdauungstrakt. Es beeinflusst unter anderem das Immunsystem und den Stoffwechsel seines Wirts.

Weltweit sind rund 2 Milliarden Menschen übergewichtig. Fettleibigkeit erhöht das Risiko für Bluthochdruck, Herzinfarkt oder Typ-2-Diabetes mellitus. Es kann auch eine Entzündung im Körper verursachen, die das Immunsystem durch eine Ansammlung spezifischer T- und B-Gedächtniszellen schwächt. Dieser Prozess wird als Immunseneszenz bezeichnet, eine altersbedingte Veränderung des Immunsystems.

Bei übergewichtigen Menschen kann eine kalorienarme Ernährung die Entwicklung von Stoffwechselerkrankungen wie Typ-2-Diabetes verzögern. Darüber hinaus ist eine solche Ernährung vorteilhaft für das Immunsystem. Allerdings ist unklar, wie genau die positiven Effekte zustande kommen und welche Funktion die Darmflora dabei spielt. Forscher haben nun in einer neuen Studie die Zusammenhänge zwischen kalorienreduzierter Ernährung, dem Mikrobiom, dem Stoffwechsel und dem Immunsystem untersucht.

Eine kalorienreduzierte Ernährung verändert das Darmmikrobiom

Dazu analysierten sie zunächst, wie sich eine sehr kalorienarme Ernährung (800 kcal/Tag für 8 Wochen) auf das Darmmikrobiom einer adipösen Frau auswirkte. Im nächsten Schritt transplantierten die Forscher die Darmmikrobiota vor und nach der Diätintervention in keimfreie Mäuse, um ein gnotobiotisches Mausmodell zu etablieren. „Auf diese Weise konnten wir die alleinigen Auswirkungen des ernährungsbedingten Darmmikrobioms auf den Stoffwechsel und das Immunsystem bestimmen“, sagt Reiner Jumpertz-von Schwartzenberg, Letztautor der Studie und Wissenschaftler am Institut für Diabetesforschung und Stoffwechselerkrankungen von Helmholtz München an der Universität Tübingen, einem Partner des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung (DZD). Er leitete die Studie gemeinsam mit Hans-Dieter Volk und Joachim Spranger von der Charité.

Durch die Ernährung verändertes Darmmikrobiom verbessert den Stoffwechsel und verzögert die Immunseneszenz

Durch die Transplantation der durch die Ernährung veränderten Mikrobiota wurde der Glukosestoffwechsel verbessert und die Fettablagerung verringert. Darüber hinaus zeigte die Massenzytometrie, dass auch das Niveau spezifischer T- und B-Gedächtniszellen reduziert war. „Das deutet auf eine verzögerte Immunseneszenz hin“, sagt Julia Sbierski-Kind, Erstautorin der Studie.

„Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass die positiven Effekte einer kalorienarmen Ernährung auf den Stoffwechsel und das Immunsystem über das Darmmikrobiom vermittelt werden“, sagt Sbierski-Kind. Die Autoren der Studie betonen jedoch, dass die Untersuchung bisher nur mit dem Mikrobiom einer Person durchgeführt wurde und die Experimente zur Bestätigung der Ergebnisse mit weiteren Probanden wiederholt werden müssen. Auch für die medizinische Praxis könnten die neuen Erkenntnisse langfristig interessant sein. „Ein verbessertes Verständnis des komplexen Zusammenspiels zwischen Ernährung, Mikrobiom und Immunsystem könnte die Voraussetzungen für die Entwicklung neuer mikrobiombasierter therapeutischer Wege zur Behandlung von Stoffwechsel- und Immunerkrankungen schaffen“, sagte Jumpertz-von Schwartzenberg.

Referenz: „Effects of caloric reduction on the darm microbiome are linked with immune senescence“ von Julia Sbierski-Kind, Sophia Grenkowitz, Stephan Schlickeiser, Arvid Sandforth, Marie Friedrich, Désirée Kunkel, Rainer Glauben, Sebastian Brachs, Knut Mai, Andrea Thürmer, Aleksandar Radonic, Oliver Drechsel, Peter J. Turnbaugh, Jordan E. Bisanz, Hans-Dieter Volk, Joachim Spranger und Reiner Jumpertz von Schwartzenberg, 4. April 2022, Microbiome.
DOI: 10.1186/s40168-022-01249-4

Über das Studium:

Ziel der Studie war es, die Wechselwirkungen zwischen einer kalorienreduzierten Ernährung, dem Mikrobiom und dem Immunsystem zu ermitteln. Zu diesem Zweck wurde eine humane Ernährungsinterventionsstudie mit gnotobiotischen Experimenten kombiniert, in denen die Immunphänotypisierung durch multidimensionale Einzelzell-Massenzytometrie bestimmt wurde. Beteiligt waren folgende Institute und Forschungseinrichtungen:

  • Deutsches Zentrum für Diabetesforschung (DZD)
  • Institut für Diabetesforschung und Stoffwechselerkrankungen (IDM) des Helmholtz München an der Universität Tübingen
  • Klinik für Innere Medizin IV (Direktor: Prof. Andreas Birkenfeld), Universitätsklinikum Tübingen
  • Exzellenzcluster EXC 2124 „Controlling Microbes to Fight Infections“ (CMFI), Universität Tübingen
  • Institut für Medizinische Immunologie, Charité – Universitätsmedizin Berlin, korporatives Mitglied der Freien Universität Berlin, Humboldt-Universität zu Berlin
  • Klinik für Endokrinologie und Stoffwechsel, Charité – Universitätsmedizin Berlin, korporatives Mitglied der Freien Universität Berlin, Humboldt-Universität zu Berlin
  • Berlin Institute of Health at Charité – Universitätsmedizin Berlin, Flow & Mass Cytometry Core Facility, Berlin


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