Ukraine-Krieg: Luftalarm in Kiew – Niederländischer Außenminister im Bombenkeller

Selenskyj empfängt Baerbock und dankt Deutschland +++ Botschaft in Kiew öffnet laut Baerbock in Minimalbesetzung wieder +++ Laut UN-Menschenrechtlerin wohl Tausende tote Zivilisten in Mariupol +++ Die Meldungen zum Krieg in der Ukraine im stern-Ticker.

Tag 76 der russischen Invasion in der Ukraine: Bundesaußenministerin Annalena Baerbock besucht als erstes Kabinettsmitglied von Kanzler Olaf Scholz die Ukraine. Im Süden und Osten des angegriffenen Landes werden derweil die Kämpfe heftiger. Und US-Präsident Joe Biden setzt eine Neuauflage des historischen Lend-Lease-Vertrags in Gang.

Die Meldungen zum Krieg in der Ukraine am Dienstag, 10. Mai: 

20.40 Uhr: Luftalarm in Kiew – Niederländischer Außenminister im Bombenkeller

Der niederländische Außenminister Wopke Hoekstra hat wegen eines Luftalarms bei seinem Besuch in der ukrainischen Hauptstadt Kiew eine Zeit lang in einem Bombenkeller verbringen müssen. Der 46-Jährige brachte sich vor einem geplanten Treffen mit Bürgermeister Vitali Klitschko in Sicherheit, als die Sirenen vor russischen Luftangriffen warnten. Hoekstra war mit dem Zug gemeinsam mit Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) nach Kiew gereist und hatte mit ihr einige Termine wahrgenommen. Baerbock selbst war dem Vernehmen nach nicht betroffen von der Schutzmaßnahme. Die Ministerin hatte zuvor erklärt, dass auch nach dem Abzug der russischen Truppen aus der Region Kiew der Krieg in der Ukraine nicht vorbei sei. “Es kann an jedem Ort dieses Landes eine Rakete einschlagen”, sagte sie.

19.44 Uhr: Ukraine stellt kriegsbedingt Gas-Transit in Region Luhansk ein

Kriegsbedingt stellt die Ukraine ab Mittwoch den Transit von russischem Gas im Gebiet Luhansk im Osten des Landes ein. Damit fielen bis zu 32,6 Millionen Kubikmeter Gas pro Tag weg – das sei fast ein Drittel der täglich über die Ukraine nach Europa transportierbaren Höchstmenge, teilt der ukrainische Gasnetzbetreiber am Dienstag mit. Aufgrund der russischen Besatzung sei es unmöglich geworden, über den Punkt Sochraniwka Gas an andere Verteilstationen weiterzuleiten, heißt es. Der Betreiber beruft sich auf einen Fall “höherer Gewalt”.

Russlands Energieriese Gazprom, der zuletzt täglich fast 100 Millionen Kubikmeter Gas durch die Ukraine in Richtung Europa gepumpt hatte, weist das zurück. Gazprom habe “keinerlei Bestätigungen über Umstände höherer Gewalt” erhalten, sage Sprecher Sergej Kuprijanow der Agentur Interfax zufolge. Die nun wegfallenden Lieferungen stattdessen über andere Routen umzuleiten, sei technisch nicht möglich.

19.42 Uhr: 44 Leichen aus Trümmern eines zerbombten Gebäudes in Ostukraine geborgen

In der ostukrainischen Stadt Isjum sind nach Angaben der Regionalregierung die Leichen von 44 Zivilisten aus den Trümmern eines zerstörten Hauses geborgen worden. Das fünfstöckige Gebäude sei Anfang März von der russischen Armee bombardiert worden, erklärt der Gouverneur der Region Charkiw, Oleg Synegubow, auf Telegram. 

19.20 Uhr: Pentagon sieht keinen Hinweis auf Hyperschallraketen bei Angriff auf Odessa

Das US-Verteidigungsministerium hat keine Hinweise auf den Einsatz von Hyperschallraketen bei den jüngsten russischen Angriffen auf die ukrainische Hafenstadt Odessa. Er könne den Einsatz solcher Waffen in Odessa nicht bestätigen, sagt ein hochrangiger Ministeriumsmitarbeiter in einer Telefonschalte mit Journalisten. Luftangriffe auf Odessa hätten in den vergangenen Tagen aber zugenommen. Nach Darstellung des ukrainischen Militärs hatte die russische Luftwaffe in der Nacht zu Dienstag Hyperschallraketen vom Typ Kinschal auf die südukrainische Hafenstadt abgefeuert. Der US-Ministeriumsvertreter sagt, es gebe keine Hinweise auf einen Angriff auf Odessa durch Bodentruppen oder vom Schwarzen Meer aus. 

18.29 Uhr: Kabinett will Durchsetzung von Sanktionen erleichtern

Sanktionen etwa gegen russische Oligarchen sollen in Deutschland mehr Biss bekommen. Einen entsprechenden Gesetzentwurf hat das Kabinett in Berlin beschlossen. Die Fraktionen der Ampel-Parteien SPD, Grüne und FDP wollen die Pläne nun im Bundestag einbringen. Aktuell würden sie zwar vor allem die Umsetzung der gegen russische Akteure wegen des Angriffskriegs auf die Ukraine verhängten Strafmaßnahmen erleichtern, die Neuerungen wären aber ebenso anwendbar für alle möglichen künftigen auf EU-Ebene beschlossenen Sanktionen.

Um Eigentumsverhältnisse aufzuklären, sollen die zuständigen Behörden unter anderem Zeugen vernehmen, Wohnungen oder Büros durchsuchen und in Grundbücher Einsicht nehmen dürfen. Bis der Besitz geklärt ist, können Geld oder andere Ressourcen auch sichergestellt werden. Sanktionierte Personen werden verpflichtet, ihr Eigentum bei der Bundesbank beziehungsweise dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle unverzüglich anzuzeigen. Falls sie dies nicht tun, drohen ihnen bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe oder Geldstrafe.

18.04 Uhr: Ukrainer zur Ausbildung an der Panzerhaubitze 2000 gelandet

Ukrainische Soldaten sind zur Ausbildung an der Panzerhaubitze 2000 in Deutschland eingetroffen. Die künftigen Besatzungen des Waffensystems und technische Fachleute landeten am Dienstag in Rheinland-Pfalz und sollen am Mittwoch in die Ausbildung an der Artillerieschule der Bundeswehr in Idar-Oberstein eingewiesen werden, wie die Deutsche Presse-Agentur aus Regierungskreisen in Berlin erfuhr.

16.58 Uhr: USA rechnen mit Verhängung des Kriegsrechts durch Putin

Der russische Präsident Wladimir Putin dürfte nach US-Einschätzung im Angriffskrieg gegen die Ukraine das Kriegsrecht verhängen. US-Geheimdienstkoordinatorin Avril Haines sagt bei einer Kongressanhörung in Washington, weil Putins Ziele größer seien als die Fähigkeiten der russischen Streitkräfte, sei es “wahrscheinlich”, dass der Präsident in den kommenden Monaten einen zunehmend “unvorhersehbaren und potenziell eskalierenden” Weg einschlage.

“Der derzeitige Trend erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass Präsident Putin sich drastischeren Mitteln zuwendet, einschließlich der Verhängung des Kriegsrechts, der Umorientierung der Industrieproduktion oder potenziell eskalierenden militärischen Optionen”, so die US-Geheimdienstdirektorin vor dem Streitkräfte-Ausschuss des US-Senats. Ein Einsatz von Atomwaffen sei unwahrscheinlich. Putin dürfte ihn nur anordnen, wenn er eine “existenzielle Bedrohung” für Russland sehe.

16.38 Uhr: Präsident Selenskyj empfängt Baerbock und dankt Deutschland

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) in Kiew empfangen und ihr für die Unterstützung des Landes im Krieg gegen Russland gedankt. Es sei von großem Wert für das Land, dass sich Deutschland solidarisch zeige mit dem ukrainischen Volk, sagt Selenskyj einem von der Präsidialverwaltung veröffentlichten Video zufolge. Baerbock wurde von ihrem niederländischen Kollegen Wopke Hoekstra begleitet, der sich bestürzt zeigte über die Zerstörungen von Russlands Angriffskrieg unter anderem in den Vororten der Hauptstadt Kiew. Auch Baerbock besuchte die Orte Butscha und Irpin. Baerbock informierte Selenskyj außerdem darüber, dass in wenigen Tagen mit der Ausbildung ukrainischer Soldaten an der modernen Panzerhaubitze 2000 begonnen werde, die Deutschland gemeinsam mit den Niederlanden an die Ukraine liefern werde. Sie reiste auch nach Kiew, um die deutsche Botschaft wiederzueröffnen. In der Botschaft werde es zunächst einen eingeschränkten Betrieb geben.

16.36 Uhr: Russischer Sieg im Donbass wäre nach Auffassung von US-Geheimdiensten nicht Kriegsende 

Ein eventueller russischer Erfolg im Donbass würde nach Auffassung der amerikanischen Geheimdienste wahrscheinlich nicht das Ende von Russlands Krieg gegen die Ukraine bedeuten. Der russische Präsident Wladimir Putin bereite sich auf einen längeren Konflikt in der Ukraine vor, in dessen Verlauf er immer noch beabsichtige, Ziele zu erreichen, die über die Ostukraine hinausgingen, sagt US-Geheimdienstkoordinatorin Avril Haines am Dienstag bei einer Anhörung des Senats in Washington.

“Wir gehen davon aus, dass sich die strategischen Ziele Putins wahrscheinlich nicht geändert haben”, so Haines. Die Verlagerung der russischen Streitkräfte in den Donbass sei wohl nur vorübergehend. Haines warnt außerdem vor einer Eskalation des Konflikts. Die Ungewissheit des Kampfes, der sich zu einem Zermürbungskrieg entwickele, bedeute in Verbindung mit dem Missverhältnis von Putins Ambitionen und den militärischen Fähigkeiten Russlands einen “unvorhersehbaren und potenziell eskalierenden Kurs” in den kommenden Monaten.

16.22 Uhr: Mehr als acht Millionen Binnenflüchtlinge in der Ukraine

Mehr als zwei Monate nach Kriegsbeginn in der Ukraine sind über acht Millionen Menschen innerhalb des Landes vertrieben worden. Insgesamt hätten fast 14 Millionen Menschen ihre Heimatorte verlassen, erklärt die Internationale Organisation für Migration (IOM). Etwa 5,9 Millionen Menschen seien über die Grenzen in andere Länder ausgereist. “Die Bedürfnisse dieser Binnenvertriebenen und all jener, die vom Krieg in der Ukraine betroffen sind, steigen stündlich”, warnt der Generaldirektor der Organisation, António Vitorino. Die Vertriebenen bräuchten vor allem finanzielle Hilfe. Ein weiterer dringender Bedarf bestehe an Unterkünften. 

16.10 Uhr: Kurz vor Nato-Entscheidungen – Johnson besucht Schweden und Finnland

Vor den bevorstehenden Nato-Entscheidungen in Finnland und Schweden bekommen die beiden nordischen Staaten Besuch vom britischen Premier Boris Johnson. Der Regierungschef werde am Mittwoch in die beiden Länder reisen, teilt sein Büro auf dpa-Anfrage mit. Die schwedische Regierung erklärt, Ministerpräsidentin Magdalena Andersson werde Johnson zu Beratungen unter anderem über die sicherheitspolitische Lage in Europa empfangen. In Helsinki steht für Johnson ein Treffen mit dem finnischen Präsidenten Sauli Niinistö an.

16.04 Uhr: Ukraine erwartet Rückkehr Kinder und Jugendlicher

Die Ukraine geht weiterhin davon aus, dass nach Deutschland geflüchtete Kinder und Jugendliche wieder in ihre Heimat zurückkehren. Der ukrainische Bildungsminister Serhiy Shkarlet habe diese Erwartung in einem Gespräch mit Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) betont, sagt ein Sprecher des Bildungsministeriums der Deutschen Presse-Agentur. Shkarlet habe sich in dem Video-Telefonat für die Unterstützung bedankt. An den Schulen in Deutschland sind nach wöchentlich erhobenen Zahlen der Kultusministerkonferenz (KMK) inzwischen mehr als 90.000 ukrainische Schülerinnen und Schüler aufgenommen worden.

15.53 Uhr: Scholz: Kiew-Reisen “gute Grundlage” für weitere Zusammenarbeit

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) begrüßt die Reisen von Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) und Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) in die Ukraine. Er betont in Berlin auf einer Pressekonferenz mit dem belgischen Ministerpräsidenten Alexander De Croo auch nochmals, dass er froh über das vorangegangene Gespräch zwischen Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj sei. “Nun, glaube ich, ist das eine gute Grundlage auch für die ja unverändert wichtigen Zusammenarbeitsbeziehungen, die wir haben.” Auf die Frage, ob er selbst in naher Zukunft nach Kiew reisen werde, antwortet Scholz nicht.

15.03 Uhr: Umfrage: Mehrheit für Reisen von Steinmeier und Scholz nach Kiew

Eine große Mehrheit der Menschen in Deutschland befürwortet eine Forsa-Umfrage zufolge Reisen von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in die Ukraine. In einem aktuellen RTL/ntv-“Trendbarometer” sprechen sich 72 beziehungsweise 74 Prozent dafür aus, dass Steinmeier und Scholz Einladungen nach Kiew annehmen sollten. Zugleich sind 70 Prozent der Ansicht, dass das Vorgehen des Kanzlers im Ukraine-Krieg angemessen und nicht zu zögerlich sei.

14.29 Uhr: Botschaft in Kiew öffnet laut Baerbock in Minimalbesetzung wieder

Außenministerin Annalena Baerbock kündigt bei einem Besuch in der Ukraine die Wiedereröffnung der Mitte Februar geschlossenen deutschen Botschaft in der Hauptstadt Kiew noch an diesem Dienstag an. Die Arbeit der Botschaft werde in Minimalpräsenz wieder aufgenommen, so die Grünen-Politikerin in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit ihrem ukrainischen Amtskollegen Dmytro Kuleba in der ukrainischen Hauptstadt Kiew. In der Botschaft werde es zunächst einen eingeschränkten Betrieb geben.

14.14 Uhr: Kämpfer melden schweren Beschuss von umkämpftem Stahlwerk in Mariupol

Aus dem belagerten Stahlwerk Azovstal in der Hafenstadt Mariupol berichten die letzten ukrainischen Kämpfer über schweren Beschuss durch russische Truppen. Die ganze Nacht lang sei das Gelände aus der Luft angegriffen worden, sagt der Vizekommandeur des Asow-Regiments, Swjatoslaw Palamar, der Zeitung “Ukrajinska Prawda”. Es gebe viele Schwerverletzte. Sie müssten dringend in Sicherheit gebracht werden, fordert er. (siehe auch Eintrag von 12.05 Uhr)

13.25 Uhr: Moskau meldet Erreichen von Grenzen des Bezirks Luhansk

Knapp elf Wochen nach Kriegsbeginn sind die prorussischen Separatisten in der Ostukraine nach Militärangaben aus Moskau bis an die Verwaltungsgrenzen des Gebiets Luhansk vorgedrungen. Die Kleinstadt Popasna, die bis vor kurzem noch schwer umkämpft war, sei nun “gesäubert” von ukrainischen “Nationalisten”, so der Sprecher des Verteidigungsministeriums in Moskau, Igor Konaschenkow. Russland hatte immer wieder erklärt, die Region Luhansk solle komplett der urkainischen Kontrolle entrissen werden.

Der Luhansker Gouverneur Serhij Hajdaj bezeichnet diese Aussagen hingegen als “Fantasie”. Die ukrainischen Soldaten hätten sich zwar aus Popasna zurückziehen müssen, aber die Russen hätten die Verteidigung keinesfalls durchbrochen, schreibt er im Nachrichtendienst Telegram. Die Angaben sind von unabhängiger Seite nicht überprüfbar.

13.17 Uhr: Laut UN-Menschenrechtlerin wohl Tausende tote Zivilisten in Mariupol

In Mariupol sind nach Überzeugung der UN-Menschenrechtsbeauftragten in der Ukraine Tausende Zivilisten ums Leben gekommen. Matilda Bogner, Leiterin der Kommission, die die Menschenrechtslage in der Ukraine seit 2014 untersucht, sagt in Genf, bislang habe die Sicherheitslage es nicht erlaubt, die Fälle einzeln zu dokumentieren. Daran werde aber gearbeitet. “Mariupol ist das große schwarze Loch”, so Bogner. “Wir gehen davon aus, dass es dort Tausende Tote gab, Zivilisten, die wegen der Kämpfe umgekommen sind.”

13.01 Uhr: Baerbock nennt Ukraine “ein sehr tapferes Land”

Außenministerin Annalena Baerbock zeigt sich bei einem Besuch in dem schwer zerstörten Kiewer Vorort Irpin beeindruckt vom Mut der Ukrainer im Kampf gegen Russland. “Sie sind ein sehr tapferes Land, und alles, was wir tun können ist, an Ihrer Seite zu stehen”, sagt Baerbock. Sie betritt auch ein völlig zerbombtes Mehrfamilienhaus in der Stadt. “Außenministerin eines Landes im Frieden zu sein, ist einfach. Aber eine ganz andere Sache ist es, Bürgermeister im Krieg zu sein. Mein ganz großer Respekt!”, so die Grünen-Politikern.

Baerbock hatte zuvor auch den Kiewer Vorort Butscha besucht, in dem mehr als 400 Leichen nach dem Abzug der russischen Truppen gefunden worden waren. Baerbock, die von schwer bewaffnetem Sicherheitspersonal geschützt wurde und eine Splitterschutzweste trug, zeigte sich erschüttert angesichts der Verbrechen. Sie ist das erste deutsche Kabinettsmitglied, das seit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine in die Hauptstadt Kiew reiste. Am Nachmittag ist unter anderem ein Gespräch mit ihrem ukrainischen Amtskollegen Dmytro Kuleba geplant.

14.48 Uhr: Baerbock kündigt Abkehr von russischer Energie “für immer” an

Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) kündigt bei ihrem Besuch in Kiew an, dass Deutschland künftig komplett ohne Energie des “Aggressors” Russland auskommen wolle. “Deshalb reduzieren wir mit aller Konsequenz unsere Abhängigkeit von russischer Energie auf Null – und zwar für immer”, so die Ministerin in Kiew bei einer Pressekonferenz mit ihrem Kollegen Dmytro Kuleba.

12.28 Uhr: Größte russische Videoplattform Rutube Ziel von massivem Hackerangriff

Die russische Videoplattform Rutube, die sich als Konkurrent des US-Riesen Youtube betrachtet, ist Ziel einer massiven Cyberattacke geworden. “Wir sind tatsächlich mit der größten Cyberattacke in der Geschichte von Rutube konfrontiert”, teilt das Unternehmen via Telegram mit. Die Wiederherstellung des Zugangs werde “mehr Zeit in Anspruch nehmen als die Techniker zunächst dachten”. Beim Aufrufen der Website Rutube.ru erschien am Morgen ein schwarzer Bildschirm, darauf in weißer Schrift ein Hinweis auf die laufenden Wartungsarbeiten. “Die Website wurde gehackt. Aktuell ist die Lage unter Kontrolle. Die Nutzerdaten sind geschützt.”

Laut Rutube ist die Website bereits seit gestern nicht erreichbar. An dem Tag hatte Russland mit einer großen Militärparade den Sieg über Hitler-Deutschland vor 77 Jahren gefeiert. Hinter dem Cyberangriff stünden dieselben Hacker, die “in den vergangenen zwei Monaten immer wieder die Websiten öffentlicher Einrichtungen attackiert” haben, erklärte das Unternehmen.

12.21 Uhr: Niederländischer Außenminister besucht Kiew

Der niederländische Außenminister Wopke Hoekstra ist zu einem unangekündigten Besuch in der Ukraine eingetroffen. Er war gemeinsam mit seiner deutschen Amtskollegin Annalena Baerbock am Morgen nach Kiew gereist, wie das Ministerium über Twitter mitteilt. Hoekstra soll auch mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyi sowie Abgeordneten zusammentreffen. Er hatte am Morgen zunächst eine Vorstadt von Kiew besucht und sich erschüttert über das Ausmaß der Verwüstung gezeigt. “Dies kann nicht ungestraft bleiben”, sagte er. Der Minister versicherte der Ukraine die Unterstützung seines Landes bei der Ermittlung und strafrechtlichen Verfolgung von Kriegsverbrechen. Es ist der erste Besuch eines niederländischen Ministers seit der russischen Invasion am 24. Februar.

12.05 Uhr: Laut Kiew noch mehr als tausend ukrainische Soldaten im Asow-Stahlwerk

In dem von russischen Truppen belagerten Industriekomplex Asow-Stahl in Mariupol befinden sich nach Angaben der ukrainischen Regierung noch mehr als tausend ukrainische Soldaten. “Hunderte sind verletzt”, sagt die ukrainische Vize-Regierungschefin Iryna Wereschtschuk der Nachrichtenagentur AFP.  Einige der Soldaten seien “schwer verletzt” und müssten “dringend” aus dem Stahlwerk herausgeholt werden, so Wereschtschuk. “Die Situation verschlimmert sich täglich.”

Das Asow-Stahlwerk ist die letzte Bastion des ukrainischen Militärs im zerstörten Mariupol. In dem weitläufigen Industriekomplex mit vielen unterirdischen Anlagen hatten sich nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine über mehrere Wochen auch hunderte Zivilisten verschanzt. Am Wochenende teilte Wereschtschuk nach einer Reihe von Evakuierungsaktionen dann mit, alle “Frauen, Kinder und älteren Zivilisten” seien aus dem Komplex herausgeholt worden.

11.11 Uhr: Geistlicher bittet Putin um Hilfe in Mariupol

Der hohe ukrainische Geistliche Onufrij bittet Kremlchef Wladimir Putin um eine Rettung der Menschen aus dem Stahlwerk der Hafenstadt Mariupol. Putin solle sich wie ein Christ verhalten und die eingekesselten Zivilisten, die Kämpfer und Sicherheitskräfte auf von der Ukraine kontrolliertes Gebiet oder in Drittstaaten fliehen lassen, so der Vorsteher der größten ukrainisch-orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats. Ein von Russland gewähltes Vermittlerland könne die Mission führen. Der Geistliche bittet Putin, der selbst der russisch-orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats angehört, sich an seine Eltern zu erinnern, die einst in der von der deutschen Wehrmacht belagerten Stadt Leningrad (heute St. Petersburg) um ihr Leben gekämpft hätten. “Die Bewohner von Mariupol und ihre Verteidiger sind heute auch in solch einer Lage”, so Onufrij.

Nach ukrainischen Behördenangaben sollen in dem Stahlwerk noch rund 100 Zivilisten ausharren, viele Menschen hatten die Anlage zuletzt verlassen können. Zudem sollen sich dort nach russischen Angaben mehr als 2000 ukrainische Kämpfer und ausländische Söldner verschanzt haben.

10.31 Uhr: Baerbock trifft zu Besuch in Butscha ein

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) ist zu einem Besuch in die Ukraine gereist. Baerbock traf am Morgen in der Stadt Butscha in der Nähe von Kiew ein, wie ein Journalist der Nachrichtenagentur AFP berichtet. Die Außenministerin sprach demnach mit Bewohnern der Stadt, die zum Synonym für mutmaßliche Kriegsverbrechen der russischen Streitkräfte in der Ukraine geworden ist. Für später ist unter anderem ein Treffen mit ihrem Amtskollegen Dmytro Kuleba geplant. Die Ministerin will zudem die seit Mitte Februar geschlossene deutsche Botschaft in Kiew wiedereröffnen.

Baerbocks Besuch in der Ukraine ist der erste eines Mitglieds der Bundesregierung seit Beginn des russischen Angriffskriegs am 24. Februar. Der genaue Termin ihrer Reise war geheimgehalten worden. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte vergangene Woche angekündigt, Baerbock werde “demnächst” in die Ukraine reisen. Zuvor waren die schweren Irritationen infolge der Ausladung von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier durch die Regierung in Kiew in einem Telefon Steinmeiers mit dem ukrainischen Staatschef Wolodymyr Selenskyj ausgeräumt worden.

10.15 Uhr: Ukrainische Schüler laut Umfrage vorrangig in Regelklassen

Geflüchtete Schülerinnen und Schüler aus der Ukraine lernen einer Umfrage zufolge in Deutschland vorrangig gemeinsam mit Schülern aus Deutschland und nicht in gesonderten Klassen. In einer repräsentativen Befragung von Lehrkräften für die Robert-Bosch-Stiftung gaben 78 Prozent derjenigen, deren Schulen bereits ukrainische Kinder oder Jugendliche aufgenommen haben, an, dass diese ganz oder teilweise in Regelklassen unterrichtet würden. Ausschließlich Unterricht in separaten sogenannten Willkommensklassen gab es lediglich bei 18 Prozent der Befragten.

Im Umfrage-Zeitraum Anfang bis Mitte April hatten die Schulen in Deutschland nach Erhebungen der Kultusministerkonferenz etwa 60.000 Schülerinnen und Schüler aus der Ukraine aufgenommen. Inzwischen sind es mehr als 90.000. Neun Prozent der Befragten mit ukrainischen Kindern oder Jugendlichen an der eigenen Schule gaben an, dass es bei ihnen ukrainischsprachige Übersetzer gibt, sieben Prozent hatten ukrainische Lehrkräfte, 80 Prozent sagten, es gebe weder Übersetzer noch ukrainische Lehrkräfte.

8.12 Uhr: Verstärkte Kämpfe im Osten und Süden der Ukraine

Im Osten und im Süden der Ukraine werden die Kämpfe nach ukrainischen Angaben heftiger. Im Donbass bereiteten sich die russischen Truppen weiterhin auf Vorstöße in den Regionen Lyman und Sewerodonezk vor, teilt der ukrainische Generalstab mit. Das Asow-Stahlwerk in der südukrainischen Hafenstadt Mariupol werde weiter mit Artillerie und aus der Luft angegriffen. Journalisten der Nachrichtenagentur AFP sahen zahlreiche Lkw mit Soldaten und schwerer Ausrüstung, die aus der Stadt Sewerodonezk herausfuhren, einer der letzten östlichen ukrainischen Bastionen. Dies könnte auf einen Rückzug der ukrainischen Truppen aus Teilen des Frontgebiets hindeuten.

6.02 Uhr: US-Verteidigungsministerium bestätigt Deportierung von Ukrainern nach Russland

Das US-Verteidigungsministerium hat nach eigenen Angaben Hinweise darauf, dass Ukrainer von russischen Truppen gewaltsam nach Russland gebracht werden. “Ich kann nicht sagen, wie viele Lager es gibt oder wie sie aussehen”, so Pentagon-Sprecher John Kirby. “Aber wir haben Hinweise darauf, dass Ukrainer gegen ihren Willen nach Russland gebracht werden.” Dieses Verhalten sei “skrupellos”.

Laut der Menschenrechtsbeauftragten des ukrainischen Parlaments, Ljudmila Denissowa, wurden seit Kriegsbeginn “mehr als 1,19 Millionen unserer Bürger, darunter mehr als 200.000 Kinder, in die Russische Föderation deportiert”. Die Angaben lassen sich nicht von unabhängiger Seite verifizieren.

2.10 Uhr: Tote und Verletzte bei russischen Raketenangriffen auf Odessa

Bei russischen Raketenangriffen auf die ukrainische Hafenstadt Odessa sind in der Nacht mindestens ein Mensch getötet und fünf weitere verletzt worden. Das berichtet die Agentur Unian unter Berufung auf die örtliche Militärführung. “Der Feind hält seinen psychologischen Druck aufrecht und setzt seine hysterischen Attacken gegen friedliche Zivilisten und die zivile Infrastruktur fort”, heißt es. Die Stadt wurde von zahlreichen Explosionen erschüttert, die sowohl auf Raketeneinschläge als auch die Luftabwehr zurückzuführen waren. Nach Medienberichten wurden unter anderem ein Einkaufszentrum und ein Warenlager getroffen. Die Hafenstadt im Süden der Ukraine ist seit Sonntagabend Ziel verstärkter russischer Raketenangriffe.

1.05 Uhr: Rheinmetall kann Kiew in drei Wochen erste Marder-Panzer liefern

Der Rüstungskonzern Rheinmetall kann nach eigenen Angaben die ersten instandgesetzten Schützenpanzer vom Typ Marder in drei Wochen liefern. “Wir warten auf die endgültige Entscheidung der Regierung. Aber es gibt derzeit genügend Länder, die diese Fahrzeuge haben wollen, nicht nur die Ukraine”, so Vorstandschef Armin Papperger in der “Süddeutschen Zeitung”.  Der Bundestag hatte die Lieferung auch schwerer Waffen an die Ukraine Ende April genehmigt. Allerdings hält sich die Bundesregierung mit Angaben zu einzelnen Waffentypen wie zum Beispiel Leopard-Kampfpanzern oder Marder-Schützenpanzern bedeckt. Rheinmetall verfügt über Bestände gebrauchter Panzer, die für den Einsatz wieder aufbereitet werden können. “Vor vier Wochen haben wir bereits damit begonnen, obwohl es noch keinen konkreten Auftrag gibt. Wir machen das also auf eigenes Risiko”, so Papperger, der in den vergangenen Wochen bereits in zahlreichen Interviews die Werbetrommel für den Düsseldorfer Rüstungskonzern gerührt hat.

0.13 Uhr: Biden unterzeichnet Gesetz für Rüstungslieferungen an Ukraine

US-Präsident Joe Biden unterzeichnet ein Gesetz, das die Lieferung von Rüstungsgütern an die Ukraine und andere osteuropäische Staaten erleichtert. Es sei ein “wichtigens Instrument zur Unterstützung der ukrainischen Regierung und des ukrainischen Volkes in ihrem Kampf zur Verteidigung ihres Landes und ihrer Demokratie” gegen den Krieg von Russland Putin, so Biden. “Die Kosten des Kampfes sind nicht gering. Aber ein Nachgeben gegenüber der Aggression ist noch teurer.” Der ukrainische Präsident Selenskyj nennt das Gesetz einen “historischen Schritt”. Die Ukraine sei dankbar, twittert er. “Ich bin sicher, dass wir wieder gemeinsam gewinnen. Und wir werden die Demokratie in der Ukraine verteidigen. Und in Europa. Wie vor 77 Jahren.”

Biden wird durch die Regelung bis 2023 ermächtigt, der Ukraine und anderen Staaten in Osteuropa, die vom russischen Angriffskrieg betroffen sind, militärische Ausrüstung zu leihen oder zu verpachten. Bestimmte formale Anforderungen beim Prozedere sollen ausgesetzt werden. Ein ähnliches Leih- und Pachtgesetz hatte der US-Kongress 1941 während des Zweiten Weltkriegs verabschiedet: Dies erlaubte es Amerika, zügig und in großem Umgang Rüstungsgüter an Alliierte im Kampf gegen die Nationalsozialisten zu liefern.

0.10 Uhr: Russland setzt laut Ukraine Kinschal-Raketen gegen Odessa ein

Die russische Luftwaffe hat gestern Abend nach Darstellung des ukrainischen Militärs mehrere Hyperschallraketen vom Typ Kinschal auf die Hafenstadt Odessa gefeuert. Dabei seien mehrere “touristische Objekte” getroffen und mindestens fünf Gebäude zerstört worden, berichtet die “Ukrajinska Prawda”. Auch ein Einkaufszentrum sei beschädigt, schreibt eine regionale Onlineseite. Mehrere Menschen seien verletzt worden. Die Suche nach weiteren Opfern unter den Trümmern dauere an.

0.02 Uhr: Selenskyj hofft auf baldigen EU-Beitritt 

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hofft, dass seinem Land schon im Juni der Status eines EU-Beitrittskandidaten zuerkannt wird. “Heute haben wir auf unserem Weg in die Europäische Union einen weiteren Schritt gemacht, einen wichtigen und nicht nur formalen”, sagt Selenskyj in seiner täglichen Videoansprache. Sein Land habe am Montag die zweite Hälfte der Antworten auf den Fragebogen übergeben, den jeder Staat für den Mitgliedschaftsantrag ausfüllen muss. “Das dauert üblicherweise Monate, aber wir haben das innerhalb von Wochen erledigt.” Er habe am Montag sowohl mit EU-Ratspräsident Charles Michel als auch mit Kommissionschefin Ursula von der Leyen über die europäische Integration der Ukraine gesprochen, so Selenskyj. Beide seien beeindruckt gewesen von der schnellen Beantwortung des Fragebogens. “Und es hat mich gefreut, von ihr (von der Leyen) zu hören, dass unsere Geschwindigkeit die EU-Kommission stimulieren wird, ebenso schnell zu handeln.” Er rechne mit einer positiven Antwort und dem Status des Beitrittskandidaten für die Ukraine im Juni.

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DPA
AFP

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