Ukraine-Krieg aktuell: Vier Busse mit Evakuierten haben laut Kiew Mariupol verlassen

Inmitten heftiger Kämpfe haben am Mittwoch vier Busse mit Zivilisten die belagerte ukrainische Hafenstadt Mariupol verlassen können. Nach Angaben der stellvertretenden Ministerpräsidentin Iryna Wereschtschuk sollen die Evakuierungen am heutigen Donnerstag fortgesetzt werden. Die strategisch wichtige Stadt am Asowschen Meer steht nach fast zwei monatiger Belagerung kurz davor, endgültig unter russische Kontrolle zu fallen.

Bild von Mittwoch: Zivilisten warten, um mit Bussen Mariupol zu verlassen

Quelle: REUTERS

Rund acht Wochen nach Beginn des russischen Überfalls auf die Ukraine ist inzwischen auch der Großteil der Region Luhansk unter russischer Kontrolle. Nach dem Abzug der ukrainischen Truppen aus der Kleinstadt Krimenna kontrollierten russische Einheiten nun 80 Prozent des Gebietes Luhansk, teilte der Gouverneur von Luhansk, Serhij Hajdaj, am Mittwochabend auf Telegram mit.

Auch die Städte Rubischne und Popasna in Luhansk seien mittlerweile „teilweise“ unter russischer Kontrolle. Um diese gibt es seit Wochen intensive Kämpfe. Der Beschuss habe auch hier zugenommen, schreibt Hajdaj weiter. Zu Beginn des Krieges am 24. Februar hatten die Separatisten der „Volksrepublik“ Luhansk rund 30 Prozent der Region unter ihrer Kontrolle.

Die russischen Angriffe haben in der Nacht in mehreren Städten des ostukrainischen Gebiets Luhansk schwere Schäden hinterlassen. „In Sjewjerodonezk ist nicht ein einziges heiles Proviantlager übrig geblieben“, teilte Hadjdaj mit. Die Einwohner könnten nur noch mit humanitären Hilfslieferungen versorgt werden.

Hajdaj hatte am Dienstag die verbliebenen Einwohner aufgerufen, sich in Sicherheit zu bringen. Die Behörden versuchten, Busse zu organisieren, die Menschen zu bereitgestellten Zügen bringen. Es sollen weiter 70.000 Menschen in dem Gebiet ausharren. Sollte es eine Feuerpause zum orthodoxen Osterfest am Sonntag geben, sagte Hajdaj weiter, wolle man diese so gut wie möglich für Evakuierungen und Hilfslieferungen nutzen.

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Quelle: Infografik WELT

Die russischen Streitkräfte rücken nach britischen Angaben von ihren Aufmarschgebieten in der ostukrainischen Donbass-Region weiter in Richtung Kramatorsk vor. Die Stadt stehe weiterhin unter Raketenbeschuss, teilt das britische Verteidigungsministerium auf Basis eines Lageberichts des Militärgeheimdienstes mit.

Das russische Militär versuche, die ukrainischen Luftabwehrfähigkeiten im Osten des Landes zu zerstören. Bei der russischen Offensive gebe es aber wohl einen gewissen Zeitdruck. Russland sei wahrscheinlich bestrebt, vor den jährlichen Feierlichkeiten am 9. Mai zum Tag des Sieges über Nazi-Deutschland bedeutende Erfolge zu erzielen. „Dies könnte sich darauf auswirken, wie schnell und energisch sie versuchen, Einsätze im Vorfeld dieses Datums durchzuführen“, hieß es in dem Tweet.

Die Ukraine hält die Veränderungen an der Frontlinie noch nicht für die erwartete russische Großoffensive. Diese habe noch nicht begonnen, sagte der Sekretär des ukrainischen Sicherheitsrates, Olexij Danilow in einem Radiointerview. Seit Dienstagmorgen hätten zwar Angriffe entlang der Frontlinie von Donezk, Luhansk und Charkiw begonnen. Es sei aber wahrscheinlich, dass es sich dabei erst um „Probeangriffe“ handle: „Sie wollen die Stärke unserer Kräfte testen.“

Ein ukrainischer Soldat nach einem russischen Artillerieangriff in Charkiw vor einer brennenden Garage

Ein ukrainischer Soldat nach einem russischen Artillerieangriff in Charkiw vor einer brennenden Garage

Quelle: dpa/Alex Chan Tsz Yuk

Dazu dürfte auch Beschuss gehören, der in der Nacht zum Donnerstag aus der Großstadt Charkiw im Osten des Landes gemeldet wurde. Dort hätten nach Explosionen mindestens zwei Hochhäuser im nordöstlichen Bezirk Saltivka und mehrere geparkte Autos Feuer gefangen, berichtete die ukrainische Internetzeitung „Ukrajinska Prawda“.

In der Region Dnipropetrowsk seien die Nachbarorte Selenodolsk und Welyka Kostromka unter heftigen Beschuss geraten, teilte der Chef der lokalen Militärverwaltung, Olexander Wilkul, am frühen Donnerstagmorgen auf Facebook mit. In dem Gebiet befindet sich ein Wärmekraftwerk. Es gebe Probleme mit der Stromversorgung, sagte Wilkul. Laut Wilkul sind auch nunmehr wieder unter ukrainischer Kontrolle stehende Dörfer im Gebiet Cherson am späten Mittwochabend beschossen worden.

Ein ukrainischer Soldat mit einem Raketenwerfer in der Regio Charkiw

Ein ukrainischer Soldat mit einem Raketenwerfer in der Regio Charkiw

Quelle: REUTERS

„Es ist nur eine Frage der Zeit, wann die Offensive beginnt“, sagte indes Danilow weiter. Moskau könne in den nächsten zwei bis vier Wochen immer noch neue Ressourcen und Reserven in großen Mengen aufbauen. Er warnte zudem davor, zu denken, dass die Kämpfe um den Donbass die letzte und entscheidende Schlacht in dem Krieg sein würden. „Ich wäre nicht so optimistisch, es können jede Menge verschiedene Dinge noch vor uns liegen.“

Ukraine bekommt Unterstützung

Kiew erwartet seit mehreren Tagen den Beginn einer Großoffensive russischer Truppen, die sich nach dem Rückzug aus Gebieten rund um die Hauptstadt Kiew und im Nordosten des Landes Anfang April nun in den russischen Grenzregionen zur Ukraine neu aufstellen.

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Unterdessen sieht der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj seiner Videoansprache zum Donnerstag zufolge nach Tagen eindringlichen Bittens um mehr und schwere Waffen mehr Verständnis bei Partnerländern der Ukraine aufkommen. Er könne mit „vorsichtigem Optimismus“ sagen, dass die Partner Kiews „sich unserer Bedürfnisse bewusster geworden sind“, sagte er. Sie verstünden nun, welche Waffen die Ukraine brauche und dass sie diese nicht erst in ein paar Wochen, sondern jetzt brauche – nun, da Russland versuche, seine Angriffe zu verstärken.

Die Regierung und Behörden täten rund um die Uhr und über offizielle wie inoffizielle Kanäle alles, um die Versorgung der Armee mit Waffen sicherzustellen, sagte Selenskyj weiter. Die Lage im Osten und Süden des Landes bleibe „so angespannt wie möglich“.

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Auch Deutschland, vor allem Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), war tagelang aus der Ukraine und von Bündnispartnern in Osteuropa Zögerlichkeit bei der Lieferung schwerer Waffen vorgeworfen worden. Am Dienstagabend hatte Scholz dann die weitere Strategie bei dem Thema vorgestellt. Demnach finanziert die Bundesregierung direkte Rüstungslieferungen der Industrie an die Ukraine. Zudem soll über einen Ringtausch die Lieferung von Waffen sowjetischer Bauart aus osteuropäischen Nato-Ländern in die Ukraine ermöglicht werden. Dafür sollen einzelne Länder Ersatz aus Deutschland erhalten.

Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht kündigte den Ringtausch am Donnerstag an. „Da geht es um Panzer, da geht es um Schützenpanzer, da geht es um unterschiedliche Möglichkeiten, die einzelne Länder abzugeben haben. Da sind wir momentan im Gespräch und das geht jetzt auch sehr schnell“, sagte Lambrecht in der Sendung „Frühstart“ von RTL/ntv. „Es geht um die nächsten Tage“, sagte sie.

Ein Vater und sein Sohn bei der Beerdigung der Mutter, die von russischen Soldaten in Butscha getötet wurde

Ein Vater und sein Sohn bei der Beerdigung der Mutter, die von russischen Soldaten in Butscha getötet wurde

Quelle: AP/Emilio Morenatti

Währenddessen wird weiter um das Schicksal der letzten Verteidiger der südukrainischen Stadt Mariupol gerungen. Zwei Vertreter der ukrainischen Delegation bei den Gesprächen mit Russland sind bereit, für Verhandlungen in die schwer umkämpfte Hafenstadt zu fahren. Der ukrainische Präsidentenberater „Mychajlo Podoljak und ich sind bereit, nach Mariupol zu kommen, um mit der russischen Seite über die Evakuierung unserer Militärgarnison und Zivilisten zu verhandeln“, schrieb Chefunterhändler David Arachamija am Mittwochabend auf Twitter.

Der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu erklärt der Nachrichtenagentur Interfax zufolge, Russland habe die ukrainische Hafenstadt Mariupol eingenommen. In dem Stahlwerk Asowstal befänden sich aber immer noch mehr als 2000 ukrainische Soldaten, informiert Schoigu den russischen Präsidenten Wladimir Putin.

Rauch steigt über dem Stahlwerk Asovstal in Mariupol auf, wo sich die letzten ukrainischen Verteidiger verschanzt haben

Rauch steigt über dem Stahlwerk Asowstal in Mariupol auf, wo sich die letzten ukrainischen Verteidiger verschanzt haben

Quelle: REUTERS

Die südostukrainische Hafenstadt Mariupol wurde am 1. März kurz nach dem Beginn des russischen Angriffskriegs komplett von russischen Truppen eingeschlossen. Die Stadt und auch der Hafen gelten zu großen Teilen als zerstört. Zuletzt hielten sich russischen Angaben zufolge rund 2500 ukrainische Kämpfer und 400 ausländische Söldner in dem Stahlwerk verschanzt. Ukrainischen Mitteilungen zufolge sollen dort auch rund 1000 Zivilisten Schutz gesucht haben.

Tschetschenenführer kündigt Fall von Mariupol für Donnerstag an

Dem Anführer der russischen Teilrepublik Tschetschenien zufolge wird das Stahlwerk Asowstal in der schwer umkämpften ukrainischen Hafenstadt Mariupol indes noch am Donnerstag an russische Einheiten fallen. „Heute vor oder nach dem Mittagessen wird Asowstal vollständig unter Kontrolle der russischen Streitkräfte sein“, erklärte Ramsan Kadyrow, dessen Einheiten in der Ukraine kämpfen, in der Nacht zum Donnerstag auf Telegram.

Kadyrow sagte weiter, die in dem Stahlwerk verbliebenen ukrainischen Kämpfer hätten am Morgen noch die Möglichkeit, sich zu ergeben. Täten sie dies, sei er sicher, dass die russische Führung „die richtige Entscheidung“ treffen werde.

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Quelle: Infografik WELT/Beate Nowak

Allerdings trauen die ukrainischen Soldaten und Zivilisten Zusagen von russischer Seite nicht. Dies gilt umso mehr, als nun im Kiewer Vorort Borodjanka nach ukrainischen Angaben zwei weitere Massengräber entdeckt wurden. Darin hätten sich insgesamt neun Leichen von Zivilisten, Männer wie Frauen, befunden, teilte Andrij Nebitow von der Polizei der Region Kiew in der Nacht zum Donnerstag auf Facebook mit. Einige von ihnen hätten Folterspuren aufgewiesen, hieß es weiter.

Borodjanka gehört zu den am stärksten zerstörten Städten in der Hauptstadtregion. Aus der Stadt wurden Gräueltaten der mittlerweile abgezogenen russischen Einheiten gemeldet. Die Angaben konnten nicht unabhängig geprüft werden.

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