Ukraine-Krieg: 35 Tote bei Angriff Militärbasis nahe Polen – viele Festnahmen in Russland bei Demonstrationen

Ukraine-Krieg
35 Tote bei Angriff Militärbasis nahe Polen – viele Festnahmen in Russland bei Demonstrationen

Eine Frau, die in Moskau gegen den Krieg in der Ukraine protestiert hat, wird auf dem Manege-Platz festgenommen.

© AFP

Erstmals seit Kriegsbeginn gibt es in Lwiw im Westen der Ukraine Explosionen, die Nato befürchtet in den nächsten Tagen noch mehr zivile Opfer. Verfolgen Sie die Entwicklungen an Kriegstag 18 im stern-Liveblog.

Der russische Krieg in der Ukraine hat erstmals die westukrainische Metropole Lwiw erreicht, in der sich viele Flüchtlinge sammeln. Die Stadt wurde am 18. Tag der Invasion von Explosionen erschüttert. Ein Reporter der Deutschen Presse-Agentur berichtete am Sonntagmorgen von mehreren Detonationen. Es wurde Luftalarm ausgelöst. Zunächst war unklar, was genau Ziel der Angriffe war. Südwestlich von Lwiw liegt ein Flughafen. Außerdem gibt es an der Grenze zu Polen eine ukrainische Militärbasis.

Die Nato erwartet eine weitere Verschärfung der Kämpfe und der humanitären Notlage. “Wir sehen mit Schrecken die steigenden Zahlen ziviler Opfer und die sinnlose Zerstörung durch die russischen Kräfte”, sagte der Generalsekretär der Militärallianz, Jens Stoltenberg, der Zeitung “Welt am Sonntag”. Die Menschen in der Ukraine widersetzten sich der Invasion mit Mut und Entschiedenheit, “aber die kommenden Tage werden wahrscheinlich noch größere Not bringen”, warnte er.

Stoltenberg lehnte erneut Forderungen ab, die Nato solle eine Flugverbotszone über der Ukraine durchsetzen. Das würde bedeuten, dass russische Kräfte angegriffen werden müssten. “Und damit würde man eine direkte Konfrontation und eine unkontrollierbare Eskalation riskieren. Wir müssen diesen Krieg beenden und ihn nicht noch ausweiten.” Die Nato sei eine defensive Allianz. “Wir suchen keinen Konflikt mit Russland.”

Die wichtigsten Meldungen des Tages in Kürze

  • Viele Festnahmen bei neuen Antikriegs-Protesten in Russland
  • Erstmals seit Kriegsbeginn vor gut zweieinhalb Wochen greift Russland Lwiw im Westen der Ukraine an.
  • Nach dem hartnäckigen militärischen Widerstand der Ukrainer sieht Wolodymyr Selenskyj erste Veränderungen der Position Russlands. “Jetzt haben sie begonnen, über etwas zu reden – und nicht einfach Ultimaten zu stellen”.
  • In der von der russischen Armee belagerten Hafenstadt Mariupol im Südosten der Ukraine scheiterte am Samstag ein weiterer Anlauf zur Evakuierung von Zivilisten.  Am Sonntag soll es einen erneuten Versuch geben

Ukraine-Krieg, Tag 18– Liveblog

  • Niels Kruse

    Bei einem russischen Angriff auf einen Militärübungsplatz nahe der polnischen Grenze sind nach offiziellen Angaben mindestens 35 Menschen getötet worden. 134 weitere seien verletzt worden und würden in Kliniken behandelt, teilte der Gouverneur des westukrainischen Gebiets Lwiw, Maxym Kosyzkyj, auf Facebook mit. Gegen Mittag seien alle Brände auf dem Gelände gelöscht worden. Experten untersuchten nun die Schäden. Der Übungsplatz liegt nordwestlich von Lwiw und nur rund 15 Kilometer von der Grenze zu Polen entfernt.

  • Niels Kruse

    Dieses Bild macht gerade die Runde bei Twitter. Es zeigt, wie zwei Männer eine alte Frau mit ihrer Katze auf die Beine helfen. Den noch nicht überprüften Angaben zufolge, soll im Hintergrund die brennende Stadt Irpin bei Kiew zu sehen sein.

  • Niels Kruse

    In Russland sind bei Demonstrationen gegen den Krieg in der Ukraine landesweit mehr als 60 Menschen festgenommen worden, wie Bürgerrechtler der Organisation Owd-Info berichten. Zu den Festnahmen sei es bei Protesten in 14 Städten gekommen. Möglicherweise bleibt es nicht dabei, denn weitere Aktionen gab es in Wladiwostok im äußersten Osten Russlands und in Irkutsk am Baikalsee sowie in der sibirischen Stadt Tomsk. Laut Owd-Info wurden seit Kriegsbeginn mehr als 13.800 Protestierende festgenommen. Gerüchten zufolge soll es Demonstrationsverbote in den von Russland besetzten Gebieten in der Ukraine geben, ebenso wie eine Ausgangssperre.

  • Niels Kruse

  • Max Seidenfaden

    Ukrainische Behörden werfen Russland die erneute Verschleppung eines Bürgermeisters im Süden des Landes vor. “Kriegsverbrechen werden immer systematischer”, schrieb der Chef der Militärverwaltung des Gebiets Saporischschja, Olexander Staruch, am Sonntag bei Facebook. “Der Bürgermeister von Dniprorudne, Jewhenij Matwjejew, wurde entführt.” Dniprorudne ist eine Kleinstadt mit knapp 20.000 Einwohner am Fluss Dnipro, der an dieser Stelle zum Kachowkaer Stausee gestaut ist.

    Zuvor hatte Kiew bereits mitgeteilt, dass der Bürgermeister der Stadt Melitopol verschleppt wurde. An seiner Stelle setzten die russischen Truppen eine moskauhörige Politikerin als Statthalterin ein. Beobachter schließen nicht aus, dass Russland unter dem Vorwand einer “Entnazifizierung” der Ukraine auch in anderen eroberten Gebieten die Verwaltung auswechselt. Der Kreml behauptet, in Kiew hätten “Nazis” das Sagen. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat jüdische Wurzeln.

  • Max Seidenfaden

    Bei dem Angriff auf einen Militärstützpunkt bei Lemberg (Lwiw) sind nach Angaben der ukrainischen Behörden neun Menschen getötet und 57 weitere verletzt worden. In dem von Russland angegriffenen Internationalen Zentrum für Friedenssicherung und Sicherheit hätten auch “ausländische Ausbilder” gearbeitet, erklärte der ukrainische Verteidigungsminister Oleksij Resnikow am Sonntag im Onlinedienst Twitter. Der Militärübungsplatz liegt nur rund 20 Kilometer von der polnischen Grenze entfernt.

  • Max Seidenfaden

    Mit der prorussischen Abgeordneten Halyna Daniltschenko hat Russland erstmals in einem eroberten Gebiet eine Statthalterin eingesetzt. Daniltschenko rief die Einwohner der südukrainischen Stadt Melitopol auf, sich “an die neue Realität” anzupassen. Zugleich verlangte sie, die Einwohner sollten nicht mehr gegen die russischen Besatzungstruppen demonstrieren.

    Russland hatte angekündigt, die Ukraine “entnazifizieren” zu wollen. Der Kreml behauptet, die Führung in Kiew werde von “Nazis” kontrolliert. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat jüdische Wurzeln.

    Melitopols Bürgermeister Iwan Fedorow war zuvor nach Kiewer Angaben von russischen Kämpfern verschleppt worden. Präsident Selenskyj forderte Fedorows Freilassung, in der Stadt demonstrierten mehrere Hundert Einwohner für das gewählte Stadtoberhaupt. Selenskyj drohte Statthalterin Daniltschenko mit dem Tod. Örtliche Medien bezeichneten die Abgeordnete am Sonntag in Anlehnung an die SS-Besatzungstruppen im Zweiten Weltkrieg als “Gauleiterin im Rock”.

  • Max Seidenfaden

    Immer mehr Flüchtlinge erreichen seit dem Angriff auf die Ukraine Polen. Wie der polnische Grenzschutz auf Twitter mitteilte, haben sich fast 1,7 Millionen Menschen mittlerweile in Polen in Sicherheit gebracht. Allein am Samstag hätten rund 79.800 Menschen die Grenze überschritten, eine Zunahme um fünf Prozent gegenüber dem Vortag. Besonders stark war der Zustrom demnach am Grenzübergang Medyka in der Woidwoschaft Karpatenvorland.

    Am Sonntag seien von Mitternacht bis 7.00 Uhr morgens weitere 16.800 Ukrainer abgefertigt worden, hieß es. Es gibt derzeit keine offiziellen Angaben dazu, wie viele der Kriegsflüchtlinge in Polen geblieben und wie viele bereits in andere EU-Staaten weitergereist sind. Polen und die Ukraine verbindet eine mehr als 500 Kilometer lange Staatsgrenze.

  • Max Seidenfaden

    Der britische Premierminister Boris Johnson hat nordeuropäische und baltische Länder zu einem Gipfeltreffen zum Ukraine-Krieg eingeladen. Wie die Regierung in London mitteilte, empfängt Johnson die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedsländer der von Großbritannien angeführten Militärkoalition Joint Expeditionary Force (JEF) am Montag zum Abendessen auf seinem Landsitz Chequers. Am Dienstag sind dann Beratungen in London geplant. Der JEF gehören neben Großbritannien die Nato-Länder Dänemark, Estland, Island, Lettland, Litauen, die Niederlande und Norwegen an sowie Schweden und Finnland, die nicht Mitglied der Nato sind.

    “Die europäische Sicherheit wurde durch den Angriff Russlands auf die Ukraine erschüttert”, erklärte Johnson. “Zusammen mit unseren Partnern werden wir Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass wir stärker und vereinter daraus hervorgehen.”

    Angesichts der Drohungen des russischen Präsidenten Wladimir Putin “müssen wir über unser militärisches Fundament hinausgehen”, forderte Johnson. “Zusammen mit unseren Partnern an Nord- und Ostsee müssen wir sicherstellen, dass wir uns gegen Russlands Einmischung und die Auswirkungen auf unsere Energieversorgung, Wirtschaft und Werte abschirmen können.”

  • Max Seidenfaden

    Die deutsche Eiskunstlauf-Olympiasiegerin Aljona Savchenko macht sich große Sorgen um ihre Familie in der Ukraine. Nachdem ihrem Vater die Flucht aus ihrem Heimatland gelungen war, befinden sich ihre Brüder weiterhin im Kriegsgebiet. “Meine Brüder dürfen nicht raus und wollen auch nicht. Sie sagen, wir verteidigen unser Land”, sagte Savchenko am Samstagabend im ZDF-“Sportstudio” und ergänzte: “Es trifft mich sehr, es belastet mich sehr. Ich mache mir Sorgen um die Menschen, die nichts dafür können. Es ist schrecklich.”

    Von Tanten und Onkeln, die in Donezk im Osten des Landes leben, habe sie schon lange nichts gehört.

    “Seit zwei Wochen haben wir keine Informationen. Wir wissen nicht, ob sie leben oder nicht”

    , sagte die 38 Jahre alte Savchenko, die zumindest ihre Brüder noch telefonisch erreichen kann: “Meine Brüder gehen nur ans Telefon, wenn es nicht zu gefährlich ist.”

    Ihr Vater befindet sich mittlerweile in Deutschland, in der kommenden Woche will Savchenko ihn treffen. “Durch Freunde und Bekannte habe ich hinbekommen, dass er gestern nach Deutschland gekommen ist”, sagte sie. “Er hat vier Tage gebraucht. Die ganze Fahrt war wie im Horror-Film.” Es habe “ohne Ende Schießereien” gegeben.

  • Max Seidenfaden

    Das Gebiet um die westukrainische Metropole Lwiw ist zum ersten Mal seit Kriegsbeginn vor mehr als zwei Wochen von mehreren Explosionen erschüttert worden. Ein Reporter der Deutschen Presse-Agentur berichtete am Sonntagmorgen von mehreren Detonationen. Einschläge gab es demnach aber nicht in der Stadt selbst. Es wurde Luftalarm ausgelöst. Die Menschen sollten in Notunterkünften bleiben.

    Nach Angaben der regionalen Militärverwaltung in Lwiw schlugen acht Raketen im “Zentrum für Internationale Friedenssicherung und Sicherheit” nordwestlich von Lwiw ein. Dort befinden sich ein Militärausbildungszentrum und ein Truppenübungsplatz. Laut ukrainischem Fernsehen gab es keine Todesopfer. Nicht mitgeteilt wurde, ob die Raketen das Gelände getroffen haben.

    Die Explosionen waren auch in Polen zu hören, wie eine Reporterin der Deutschen Presse-Agentur aus Przemysl berichtete. Das Militärgelände liegt nur etwa 80 Kilometer von der Grenze zu Polen entfernt. Lwiw ist Anlaufstelle von Hunderttausenden Ukrainern, die ihr Land wegen des russischen Angriffs in Richtung Europa verlassen wollen.

  • Max Seidenfaden

    Gut zwei Wochen nach Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine erwartet die Nato eine weitere Verschärfung der Kämpfe und der humanitären Notlage. “Wir sehen mit Schrecken die steigenden Zahlen ziviler Opfer und die sinnlose Zerstörung durch die russischen Kräfte. Die Menschen in der Ukraine widersetzen sich der Invasion mit Mut und Entschiedenheit, aber die kommenden Tage werden wahrscheinlich noch größere Not bringen”, sagte der Generalsekratär der Militärallianz, Jens Stoltenberg, der Zeitung “Welt am Sonntag”.

    Als absurd wies Stoltenberg Behauptungen der russischen Regierung zurück, die USA hätten heimlich in der Ukraine Laboratorien für die Entwicklung von biologischen Waffen betrieben. “Nachdem diese falschen Behauptungen nun aufgestellt wurden, müssen wir wachsam bleiben, weil es möglich ist, dass Russland selbst Einsätze mit chemischen Waffen unter diesem Lügengebilde planen könnte”, sagte er. Das wäre ein Kriegsverbrechen.

    Stoltenberg lehnte erneut Forderungen ab, die Nato solle eine Flugverbotszone über der Ukraine durchsetzen. Das würde bedeuten, dass russische Kräfte angegriffen werden müssten. “Und damit würde man eine direkte Konfrontation und eine unkontrollierbare Eskalation riskieren. Wir müssen diesen Krieg beenden und ihn nicht noch ausweiten.” Die Nato sei eine defensive Allianz. “Wir suchen keinen Konflikt mit Russland”, sagte er. Der 1949 gegründeten Militärallianz gehören mittlerweile 30 Staaten an.

  • Max Seidenfaden

    Mit drastischen Worten hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj möglich Kollaborateure und Unterstützer Russlands in der Ukraine gewarnt. Wer sich von Angeboten der russischen Besatzer in Versuchung geführt sehe, unterschreibe damit sein eigenes Urteil, sagte er in einer in der Nacht zu Sonntag veröffentlichten Videobotschaft. “Das Urteil lautet, mehr als 12.000 Besatzern zu folgen, die nicht rechtzeitig verstehen konnten, warum die Ukraine nicht angegriffen werden sollte.” Zuletzt hieß es von ukrainischer Seite, dass mehr als 12.000 russische Soldaten in dem Krieg in der Ukraine getötet worden seien. Dies ist nicht unabhängig zu prüfen.

    Selenskyj bezog sich in seinen Aussagen auf jüngste Ereignisse in den von Russland besetzten Territorien der Region Cherson im Süden des Landes. Russland versuche dort, die “traurige Erfahrung der Bildung von Pseudo-Republiken zu wiederholen”, erpresse lokale Politiker, übe Druck auf Abgeordnete aus und suche nach jemandem, den es bestechen könne, um eine “Volksrepublik Cherson” zu gründen.

  • Max Seidenfaden

    Seit Tagen verschlechtert sich die Situation der Zivilbevölkerung in Mariupol im Osten der Ukraine. Es gibt keinen Strom, kein Wasser, kaum noch Nahrungsmittel und auch die geplanten humanitären Korridore brechen immer wieder zusammen. Dazu geht das ukrainische Militär davon aus, dass russische Einheiten weiterhin die Erstürmung der Großstadt versuchen werden. Das teilte der ukrainische Generalstab in einem in der Nacht zu Sonntag auf Facebook veröffentlichten Bericht mit. Prorussische Separatisten waren dort zuletzt mit Unterstützung russischer Truppen in östliche Randbezirke vorgestoßen, wie die ukrainischen Streitkräfte mitteilten. Auch das russische Verteidigungsministerium hatte die Einnahme mehrerer Stadtteile gemeldet.

    Eine russische Offensive stünde zudem der Stadt Sjewjerodonezk mit 100 000 Einwohnern im Gebiet Luhansk bevor, heißt es in dem Generalstabsbericht weiter. Moskau hatte zuvor am Samstag mitgeteilt, dass die prorussischen Separatisten die Stadt erreicht haben. Im Donezker Gebiet bereiteten russische Einheiten zudem eine Offensive auf die Kleinstadt Wuhledar vor. Aus dieser konnten am Samstag nach ukrainischen Angaben rund 200 Menschen evakuiert werden.

    Im Süden des Landes gebe Russland zudem keine Versuche auf, eine Offensive gegen die Industriegroßstadt und Heimatstadt des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, Krywyj Rih, zu führen, heißt es in dem Bericht weiter. Die Versuche seien bislang erfolglos gewesen. Die russischen Truppen seien aber auf der Suche nach Schwachstellen in der Verteidigung der ukrainischen Sicherheitskräfte und bauten Kräfte für die Operation gegen die Stadt mit über 600.000 Einwohnern auf. Diese Angaben waren unabhängig nicht überprüfbar.

AFP
DPA


source site-3