Ukraine-Konflikt: Scholz telefoniert mit Biden – Politik

Bundeskanzler Olaf Scholz und US-Präsident Joe Biden sehen kaum Fortschritte im Grenzgebiet zur Ukraine. Beide Politiker seien sich in einem Gespräch am Mittwochabend einig gewesen, dass das Risiko einer weiteren militärischen Aggression Russlands gegen die Ukraine weiterbestehe, teilte Steffen Hebestreit, der Sprecher der Bundesregierung, nach einem Telefonat Bidens und Scholz mit. Höchste Wachsamkeit sei erforderlich, ein signifikanter Rückzug russischer Truppen sei bislang nicht zu beobachten. Die Lage im Grenzgebiet zur Ukraine sei wegen des massiven russischen Truppenaufwuchses als “überaus ernst” einzuschätzen.

Auch die Ukraine selbst hat laut Präsident Wolodymyr Selenskyj bislang keinen Abzug russischer Truppen unweit ihrer Grenzen festgestellt. “Wir sehen die eine oder andere Rotation, doch ich würde das nicht als Abzug von Truppen vonseiten der Russischen Föderation bezeichnen”, sagte er im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Es sei noch zu früh, um sich zu freuen.

Scholz hat Biden bei dem Gespräch über seine Reisen nach Kiew und Moskau informiert. Beide hätten die Äußerungen des russischen Präsidenten Wladimir Putin begrüßt, dass die diplomatischen Bemühungen zunächst fortgesetzt werden sollten, hieß es von der Bundesregierung. Der Schlüssel für einen konstruktiven Dialog zu Fragen der europäischen Sicherheit und Fortschritte in der Ostukraine liege auch in Moskau. Russland müsse echte Schritte zur Deeskalation einleiten. Im Falle einer weiteren militärischen Aggression gegen die territoriale Integrität und Souveränität der Ukraine habe Russland mit außerordentlich gravierenden Konsequenzen zu rechnen, teilte der Sprecher mit.

Russland hatte am Dienstag überraschend mitgeteilt, dass nach Manövern damit begonnen worden sei, Truppen von der ukrainischen Grenze abzuziehen. Nach Erkenntnissen der Nato setzt Moskau seinen Truppenaufmarsch im Grenzgebiet entgegen der Ankündigung aber fort. “Bislang haben wir vor Ort keine Deeskalation gesehen. Im Gegenteil: Russland scheint den Militäraufmarsch fortzusetzen”, sagte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg am Mittwoch in Brüssel am Rande eines Treffens der Verteidigungsminister der Bündnisstaaten. Das russische Verteidigungsministerium hingegen betonte, es würden weitere Teile der Truppen abgezogen. (16.02.2022)

Putin zeigt sich zu Verhandlungen bereit

Russlands Präsident Wladimir Putin hat seine Bereitschaft zu Verhandlungen über die Ukraine-Krise betont. Er befürworte Verhandlungen und Diplomatie und sehe die Gesprächsbereitschaft von US-Präsident Joe Biden positiv, teilte das russische Präsidialamt in Moskau mit. Der Kreml begrüße Bidens direkten Appell an die russischen Bürger. Es wäre aber noch besser, wenn er das ukrainische Volk aufgefordert hätte, nicht mehr aufeinander zu schießen.

Russland sieht den Konflikt im Donbass als rein innerukrainischen Bürgerkrieg an. Die Regierung in Kiew und der Westen werfen Russland dagegen vor, die Separatisten direkt zu unterstützen, was die Regierung in Moskau zurückweist. Allerdings wurden seit 2014 bereits 700 000 russische Pässe in der Ostukraine ausgestellt.

US-Präsident Biden hatte zuvor gesagt, eine russische Invasion der Ukraine sei “immer noch” eine klare Möglichkeit. Die Vereinigten Staaten seien weiter zu einer diplomatischen Beilegung des Konflikts bereit, betonte Biden. Falls sich Russland aber für den Weg der Gewalt entscheide, werde sein Land schnell und entschlossen handeln, sagte Biden.

Russland zufolge schüren die USA die Spannungen im Ukraine-Konflikt bewusst, um sich einen Anteil am Gasmarkt zu sichern. Mit ihrem Vorgehen wollten die USA sicherstellen, dass die Gaspipeline Nord Stream 2 nicht in Betrieb genommen werde, zitieren Nachrichtenagenturen eine Sprecherin des russischen Außenministeriums. Die USA strebten danach, Russland einen Teil seines europäischen Gasmarktes abzunehmen. Die USA sehen die Ostseepipeline Nord Stream 2 kritisch, da sie ihrer Ansicht nach die Abhängigkeit Europas von russischem Gas erhöht. Sie wollen sie sanktionieren, sollte Russland in die Ukraine einmarschieren. Zudem wollten die USA ihr Flüssiggas exportieren, das aber durch das in Deutschland abgelehnte Fracking-Verfahren gewonnen wird. (16.02.2022)

Stoltenberg: “Russland scheint den Militäraufmarsch fortzusetzen”

Nach Erkenntnissen der Nato setzt Russland seinen Truppenaufmarsch im Grenzgebiet zur Ukraine entgegen seiner eigenen Ankündigungen fort. “Bislang haben wir vor Ort keine Deeskalation gesehen. Im Gegenteil: Russland scheint den Militäraufmarsch fortzusetzen”, sagte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg in Brüssel am Rande eines Treffens der Verteidigungsminister der Bündnisstaaten.

Russland hatte zuvor mitgeteilt, dass nach Manövern mit dem Abzug von Truppen begonnen worden sei. Nach Angaben des Verteidigungsministeriums kehrten auch mehrere Einheiten, die an Übungen auf der ukrainischen Schwarzmeer-Halbinsel Krim beteiligt waren, zu ihren Standorten zurück. Die Staatsagentur Ria Nowosti veröffentlichte ein Video, das einen Zug bei Dunkelheit mit Panzern und anderen Militärfahrzeugen auf der Krim-Brücke zeigt. Die Brücke führt von der Halbinsel, die Russland 2014 annektiert hatte, aufs russische Festland. Nicht mitgeteilt wurde, um wie viele Soldaten es sich handelt. Auf der Halbinsel ist zudem dauerhaft russisches Militär stationiert.

Zudem erklärte der belarussische Außenminister Wladimir Makej, die in seinem Land stationierten russischen Truppen würden nach den gemeinsamen Manövern vollständig in ihre Heimat zurückkehren. Nicht ein russischer Soldat oder auch nur ein Ausrüstungsbestandteil würde in Belarus bleiben, so Makej.

Stoltenberg sagte, dass man Bewegungen von Truppen und Kampfpanzern sehe, beweise nicht, dass es einen echten Rückzug gebe. “Sie haben Truppen immer vor und zurück bewegt.” Der Westen ist angesichts des russischen Truppenaufmarschs äußerst besorgt. Befürchtet wird, dass die Verlegung Zehntausender Soldaten der Vorbereitung eines Krieges dienen könnte. Russland weist das zurück.

Die russischen Rückzugsankündigungen wurden international als mögliches Entspannungssignal gewertet, auch Stoltenberg zeigte sich vorsichtig optimistisch. Viele westliche Politiker reagierten jedoch vorerst zurückhaltend. Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba zeigte sich am Dienstag bei einem Briefing mit Journalisten skeptisch. Erst wenn man einen Abzug der Truppen tatsächlich sehe, werde man an eine Deeskalation glauben. Kuleba sagte jedoch auch, durch die diplomatische Arbeit seines Landes sei es gelungen, “Russland von einer weiteren Eskalation zurückzuhalten”. (16.02.2022)

Weniger Erdgas aus Russland? EU sieht sich gerüstet

Die Europäische Union ist nach Angaben von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in der Lage, eine teilweise Unterbrechung der Gasimporte aus Russland zu verkraften. “Unsere Modelle zeigen, dass wir bei einer teilweisen Unterbrechung oder einem weiteren Rückgang der Gaslieferungen durch Gazprom auf der sicheren Seite sind”, sagte von der Leyen vor Reportern in Straßburg. Ein vollständiger Stopp würde aber immer noch zusätzliche Maßnahmen erfordern. Die EU habe daher mit wichtigen Lieferanten über eine Erhöhung der Gas- und Flüssiggaslieferungen (LNG) gesprochen. “Diese Bemühungen zahlen sich jetzt eindeutig aus.” Japan habe sich dazu bereiterklärt. Auch die Entwicklung der Infrastruktur in den vergangenen Jahren habe dazu geführt, dass Europa besser gerüstet sei, um Gas und Strom zwischen den Ländern zu verteilen.

Die EU-Vorschriften geben vor, dass die Mitgliedsstaaten einer Gasversorgungskrise auch mit staatlichen Eingriffen begegnen können – unter anderem mit der Einschränkung von Industrieanlagen, um die Gasversorgung der Haushalte zu priorisieren. Russlands militärische Aufrüstung an der Grenze zur Ukraine unterstreiche die Notwendigkeit für Europa, die Abhängigkeit von russischem Gas zu verringern, erklärte von der Leyen. Dies werde durch die geplante Umstellung auf erneuerbare Energien unterstützt. (16.02.2022)

Russland beteuert: kein Angriff geplant

Russland weist Warnungen der USA vor einer möglicherweise an diesem Mittwoch bevorstehenden russischen Invasion der Ukraine zurück. “Ich kann, soweit es Russland betrifft, versichern, dass es an diesem Mittwoch keinen Angriff geben wird. Es wird auch in der kommenden Woche keine Eskalation geben, oder in der Woche danach, oder im kommenden Monat”, sagt Russlands EU-Botschafter Wladimir Tschischow der Zeitung Welt. Er fügte laut Bericht lakonisch hinzu: “Kriege in Europa beginnen selten an einem Mittwoch.”

Tschischow forderte den Westen erneut auf, die russischen Sicherheitsbedenken ernst zu nehmen. “Wenn unsere Partner endlich unseren legitimen Bedenken zuhören, wird ein Entspannungsprozess nicht lange auf sich warten lassen. Das wäre im Interesse aller Europäer von Lissabon bis Wladiwostok, aber auch aller anderen Nationen dieser Welt.” (16.02.2022)

Kiew meldet Cyberattacke auf Verteidigungsministerium und Staatsbanken

Bei einem Hackerangriff sind in der Ukraine erneut mehrere staatliche Internetseiten lahmgelegt worden. So funktionierten am Dienstag mehrere Seiten des Verteidigungsministeriums nicht mehr. Das Militär vermutete eine Überlastung durch eine Vielzahl von Anfragen, eine sogenannte DDoS-Attacke. Zudem waren zeitweise zwei große staatliche Banken betroffen. Kartenzahlungen funktionierten nicht mehr. Erst im Januar waren Dutzende Webseiten von Ministerien und Institutionen lahmgelegt worden.

Wer hinter der jüngsten Attacke steckt, ist unklar, Kiew vermutet einen russischen Angriff. Moskau weist das jedoch zurück. Es sei aber nicht überraschend, dass die Ukraine Russland als Drahtzieher dahinter sehen, teilt das russische Präsidialamt mit. Die USA haben der Ukraine in der Sache Hilfe angeboten. Dies gelte für Ermittlungen wie auch eine Antwort auf die Attacken, teilt das US-Präsidialamt mit. (15.02.2022)

Scholz: Unsere “verdammte Pflicht”, eine kriegerische Eskalation zu verhindern

Vier Stunden waren angesetzt für das Gespräch zwischen Russlands Präsident Wladimir Putin und Bundeskanzler Olaf Scholz. Doch anders als beim Gespräch mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, das vergangene Woche länger dauerte als geplant, endete die Unterredung zwischen Putin und Scholz vorzeitig. Anschließend äußerten sich beide in einer gemeinsamen Pressekonferenz.

Putin betonte, dass Moskau weiterhin zum Dialog mit der EU und allen westlichen Staaten bereit sei. Allerdings müssten die Interessen Russlands angemessen berücksichtigt und das Gesamtgefüge beachtet werden. Es dürften nicht einzelne Fragen ausgeklammert werden. “Wir wollen keinen Krieg in Europa”, sagte Putin. Das sei der Grund dafür, warum sein Land Sicherheitsgarantien des Westens fordere. Bislang gebe es aber noch keine zufriedenstellende Antwort auf die Forderungen seines Landes.

Der russische Präsident betonte auch die Bedeutung der Ostsee-Pipeline Nord Stream 2. Diese werde die Energiesicherheit Europas stärken. Russland sei parallel dazu weiter bereit, auch nach 2024 Gas durch die Ukraine zu leiten. Die russischen Gaslieferungen an Deutschland führten dazu, dass die Verbraucher dort für Gas weit weniger bezahlten als Menschen in anderen Ländern, sagte Putin. Insofern sollten die Deutschen Altkanzler Gerhard Schröder dankbar sein. Schröder ist mit Putin befreundet und sitzt in den Aufsichtsräten mehrerer russischer Energieunternehmen. Kürzlich hatte er der Ukraine “Säbelrasseln” vorgeworfen. Scholz wollte sich zu Schröder nicht ausführlich äußern. Dieser vertrete eine Privatmeinung, die nicht der Haltung der Bundesregierung entspreche.

Scholz betonte, man habe bei dem Gespräch “kein Thema ausgelassen”. Die Positionen seien zwar “unterschiedlich”, aber jeder habe in den Aussagen des anderen “ein paar Punkte wiederfinden können”. Die Beziehungen zwischen Deutschland und Russland seien “gut und vielfältig”, so der Kanzler, die bilateralen Wirtschaftsverflechtungen hätten weiterhin großes Potenzial. Zugleich kritisierte Scholz, dass in Russland “die Räume für die Zivilgesellschaft enger werden” und er äußerte die Erwartung, dass die Deutsche Welle in Russland, deren Sendelizenz kürzlich entzogen worden war, weiter tätig sein könne.

Der Kanzler sagte, er habe Putin seine “Einschätzung der Sicherheitslage erläutert”. Der angekündigte Truppenabzug sei ein “gutes Zeichen”, so Scholz. Kurz zuvor hatte Moskau erklärt, mit dem Abzug erster Truppen im Süden und Westen des Landes beginnen zu wollen. “Lassen Sie uns diese Dinge im Wege des Dialogs weiter bereden. Wir dürfen nicht in einer Sackgasse enden, die wäre ein Unglück”, sagte Scholz. Es sei “unsere verdammte Pflicht, eine kriegerische Eskalation zu verhindern”. Nun sei Deeskalation gefragt.

Vor seinem Besuch hatte Scholz es abgelehnt, sich von russischer Seite auf Corona testen zu lassen. Stattdessen entschied er sich dafür, den für den Zutritt zum Kreml erforderlichen PCR-Test von einer Ärztin der deutschen Botschaft vornehmen zu lassen. Kremlsprecher Dmitrij Peskow meinte, dass die Ablehnung des Tests keine Auswirkung habe auf die Gespräche im Kreml. Als Vorsichtsmaßnahme sei der Abstand zwischen Putin und Scholz dabei aber größer als sonst üblich. Der Kanzler nahm deshalb, wie bereits der französische Präsident Macron vor wenigen Tagen, an einem sechs Meter langen, weißen Tisch Platz. (15.02.2022)

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