Oder wie eine Wildsau durchs Dorf getrieben wurde

Rekonstruktion der Geschichte

Die Löwin von Kleinmachnow – oder wie eine Wildsau durchs Dorf getrieben wurde


Mo 24.07.23 | 18:26 Uhr | Von John Hennig

Gemeinde Kleinmachnow/José Maria Galàn/CyberTracker

Audio: Radioeins | 24.07.2023 | Interview mit Derk Ehlert | Bild: Gemeinde Kleinmachnow/José Maria Galàn/CyberTracker

Etwa 30 Stunden lang wurde in Kleinmachnow nach einer Löwin gesucht, hunderte Polizisten waren im Einsatz, weltweit wurde berichtet. Am Ende soll das Raubtier ein Wildschwein gewesen sein. John Hennig rekonstruiert die Suche nach einem Phantom.

Sie ist schon jetzt der Sommer(loch)star des Jahres: die Löwin aus Kleinmachnow. Dabei ist sie viel mehr: Phänomen, Phantom – und vor allem wohl doch nur ein Wildschwein.

Hunderte Einsatzkräfte suchten zwei Tage lang ein Waldgebiet in und um Kleinmachnow (Potsdam-Mittelmark) ab, über die Landesgrenzen hinweg wurde von der Wildtiersuche berichtet, Menschen fragten sich, von wo die Raubkatze gekommen sein mag – doch nun gibt es keine Spur der mutmaßlichen Löwin mehr.

Wie kam es zu dem Großeinsatz – und was bleibt von der Löwin?

Das Video

Die Polizei

Der Einsatz

Nun wird nach dem Raubtier gesucht. In der Nacht sichten Beamte der Polizei auf Streife ebenfalls das wilde Tier. Aus einer Entfernung von etwa 20 bis 30 Metern, wie die Polizei auf Nachfrage schreibt. “Dies und die vorangegangenen Wahrnehmungen der Bürger und der Vorlage des Videos bei der Polizei reichten nach ersten Einschätzungen aus um eine Gefahrenlage für die Bürgerinnen und Bürger anzunehmen.”

Es wird weitflächig gewarnt, auch für die benachbarten Gemeinden sowie den Süden Berlins. “Es gab verschiedene Sichtkontakte, so dass wir tatsächlich im Moment davon ausgehen, dass eine Löwin frei durch Teltow, Stahnsdorf und Kleinmachnow beziehungsweise den angrenzenden Bereich der Bundeshauptstadt läuft”, sagt Keip am Donnerstagmorgen.

Verantwortlich und zuständig für den Einsatz ist die Gemeinde Kleinmachnow. “Als wir die Lage übernommen haben um 9 Uhr, gab es einen Lagebericht der Polizei, darin standen zwei klare Aussagen: Erstens, das Video ist echt. Zweitens, eigene Sichtung der Löwin um 5 Uhr durch unsere Beamten”, sagt Kleinmachnows Bürgermeister Michael Grubert (SPD).

Die Polizei leistet sogenannte Amtshilfe und unterstützt den Einsatz mit etwa 250 Polizeikräften des Landes Brandenburg – sowie Drohnen und Wärmebildkameras, Hubschraubern und Spezialfahrzeugen. Hinzu kommen noch einige Kräfte aus Berlin, weil das Tier unter anderem auch in Zehlendorf gesichtet worden sein soll. Auch Jäger, Veterinäre und Spurensucher werden gerufen. Doch kein weiterer Hinweis auf die Löwin erhärtet sich. Sie ist spurlos verschwunden.

Am Freitagmittag wird die Suche nach 30 Stunden abgebrochen und die Gefahrenlage aufgehoben. Die Polizei bleibt nach eigenen Angaben dennoch zunächst in der Region Kleinmachnow mit einer verstärkten Präsenz für die Bürgerinnen und Bürger vor Ort ansprechbar.

Die Zweifel

Zwischen die ersten gesicherten Löwen-Sichtungs-Meldungen, auch beim rbb, mischen sich auch schnell erste Fragen und Zweifel. Der Berliner Wildtierexperte Derk Ehlert etwa sagt im rbb: “Es ist schon sehr auffällig, dass an der Stelle, wo das Tier gesehen und gefilmt wurde, nicht mal ein Trittsiegel zu sehen ist. Grundsätzlich kann ein Löwe nicht einfach weg sein, auch so eine Löwin nicht. Sie hinterlässt Spuren.”

Vor allem, dass kein Wildschwein-Kadaver gefunden wird, von dem anfangs die Rede war, verwundert. “Ich jage zufällig in der Region selbst und ich weiß, dass die Jäger dort sehr gute Hunde haben. Es ist völlig undenkbar, dass die Hunde nichts gefunden haben, wenn dort tatsächlich ein Wildschwein zerlegt wurde”, sagt Achim Gruber, geschäftsführender Direktor des Instituts für Tierpathologie in Berlin.

Kleinmachnows Bürgermeister Grubert betont im rbb, dass er am Donnerstagvormittag aufgrund der Sachlage zunächst keine Zweifel gehabt habe. Die seien dann aber am Nachmittag bei der ersten Analyse gekommen. Daraufhin habe man als Gemeinde Fährten- und Spurensucher beauftragt, das habe sich dann aber hingezogen.

Auch der Vorsitzende des Naturschutzbundes (Nabu) Berlin, Rainer Altenkamp, war schon vor der Entwarnung überzeugt, dass es sich bei dem gesuchten Raubtier um ein Wildschwein handelt. “Schon der kurze, herabhängende Schwanz mit etwa zehn Zentimeter langer, locker behaarter Quaste schließt eine Löwin aus”, sagte der Wildtier-Experte mit Blick auf die Videoaufnahmen. Die weiteren erkennbaren Merkmale, zum Beispiel der runde Rücken und der längliche Kopf, passten sehr gut zu einem Wildschwein und sprächen gegen ein Raubtier, so Altenkamp.

Die Beweise

Die Auswertung

Die Kosten

Die Aufregung

Die große Raubtier-Suche rund um Kleinmachnow


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