Glaubensfragen: Sieht Gott aus wie Morgan Freeman? – Bayern

Gottvater thront mit seinem langen Bart im weißen Wallegewand hoch in den Wolken. Er ist umgeben von Putten und blickt segnend auf die Welt. Diese hochbarocke, prägende Darstellung findet sich über dem Hochaltar in der Klosterkirche Fürstenfeld.

(Foto: Jana Islinger)

Isolde Hackländer, 63, wurde katholisch getauft und gehört seit 16 Jahren zu den Bahai. Die Biologin ist in einer radiologischen Praxis in ihrem Wohnort Germering tätig, wo sie der kleinen Bahai-Gemeinschaft angehört. Die Bahai-Religion wurde vor mehr als 150 Jahren in Persien von Baha’u’llah gestiftet. Für seine Anhänger ist die Erde nur ein Land, alle Menschen sind seine Bürger. Es gibt nur einen Gott und eine Religion.

Ümran Karagöz, 65, Zweite Vorsitzende der Mescid-i El Aksa-Moschee in Fürstenfeldbruck. Sie ist Kulturdolmetscherin und arbeitet an den interkulturellen Programmen des Brucker Forums mit. Seit 1966 lebt die gebürtige Türkin in Deutschland.

Markus Ambrosy, 58, evangelischer Dekan des Dekanats Fürstenfeldbruck, promovierter Theologe, sportlich. Als Lieblingssportarten nennt er Skifahren, Skitouren gehen, Berge, Radeln, Segeln und Golf.

Tobias Rother, 49, wird im Januar neuer katholischer Dekan und Pfarrer in Sankt Johann Baptist in Gröbenzell. Dort will er vor allem auf die Menschen hören. Er sagt von sich selbst, er sei unsportlich.

Wie sieht Gott aus? Wie der gütige Mann mit dem langen Bart, der über allem thront oder gar wie Morgan Freeman?

Isolde Hackländer: Er sieht nicht aus wie Morgan Freeman. Gott hat kein Aussehen. Er kann nach unserer Vorstellung niemals Mensch werden, dazu ist er zu hoch. Mir hat einmal eine junge Bahai gesagt: Gott ist so groß, wir können ihn gar nicht erfassen. Ich kann ihn nicht begreifen.

Ümran Karagöz: Das höhere Wesen sieht man ja nicht. Ich kann aber die Wärme spüren; dass er mir Kraft gibt, kann ich spüren.

Markus Ambrosy: Meine Gottesvorstellung ist nicht Gott. Die darf sich total ändern, weiterentwickeln und neue Formen finden. Wir brauchen als Menschen aber diese Vorstellungen – wie sollten wir sonst über Gott reden?

Tobias Rother: Der alte Mann mit dem Rauschebart – dieses Bild ist zu klein. Gott ist riesig! Wenn einer sagt, er hat Gott verstanden, dann hat er nichts verstanden.

Wie ist Gott denn? Mehr ein Kumpeltyp oder der strenge Vater?

Hackländer: Nein, der Kumpeltyp ist er definitiv nicht. Er ist über alles erhaben. Diese Vorstellung hieße, ihn zu vermenschlichen, das geht gar nicht. Gott ist wie die Sonne, der wir uns nicht nähern können, weil sie uns verbrennen würde. Sie schickt ihre Strahlen und ihre Liebe. Gott ist, wie im Islam, der Wahre, der Barmherzige, und er ist gerecht. Das kann für uns auch schwer sein. Damit wir ihn überhaupt erfassen können, gibt es die Gottesoffenbarer. Durch sie kommt uns Gott ein bisschen näher.

Glaubensfragen: Isolde Hackländer, 63, katholisch getauft, gehört seit 16 Jahren zu den Bahai.Glaubensfragen: Isolde Hackländer, 63, katholisch getauft, gehört seit 16 Jahren zu den Bahai.

Isolde Hackländer, 63, katholisch getauft, gehört seit 16 Jahren zu den Bahai.

(Foto: privat/oh)

Karagöz: Im Islam hat Gott 99 Namen, Al Rahman, der Gnädige zum Beispiel, oder Al Aziz, der Allmächtige. Diese Namen stehen für seine Eigenschaften. Ist er manchmal streng? Wenn ich etwas gemacht habe, was ich nicht hätte tun sollen, dann träume ich entsprechend. Gott wird aber nicht böse. Viele sagen zwar, Gott ist erbost, wenn es eine Naturkatastrophe gibt, aber das sehe ich nicht so.

Ambrosy: Das lässt sich so nicht beantworten, weil wir keine Ahnung haben, wie er ist. Er ist, wie ich es brauche, je nach Situation. In schwierigen Lebenslagen, in denen ich viel Durchhaltevermögen gebraucht habe, da war er nicht liebevoll und tröstlich, sondern manches Mal sehr fordernd. Aber nie überfordernd. Wie ein guter Trainer, der das Maximale rausholt, aber auch weiß, wann es gut ist. Und der auch weiß, welche Sportart zu mir passt, im übertragenen Sinn. “Kamerad, zammreißen, nimm dich nicht so wichtig”, sind Botschaften, oder auch so was wie: “Rhönrad fahren ist einfach nichts für dich.”

Rother: Schon auch der Kumpeltyp. Das klingt jetzt schräg, aber Karfreitag ist so ein Kumpelmoment. Jesus stirbt am Kreuz! Er sieht mich nicht von oben herab an, sondern setzt sich zu uns in den Dreck und will bei uns sein. Er ist auch dieser leidenschaftliche Gott aus dem Alten Testament, der uns einen Tritt gibt. Wie eine Fußball-Mama, die am Spielfeldrand steht und schreit: “Lauf, du schaffst das!” Er ist in seiner Liebe einfach da – Gott liebt mich und dadurch werde ich liebenswert. Aber er ist eben auch der Kumpel, weil ich ihn einfach mag.

Bei welchen Gelegenheiten sprechen Sie mit Gott?

Karagöz: Wenn ich Gott brauche, bete ich zu ihm. Wenn ich in Not bin, bete ich. Oft auch, wenn ich aus dem Haus gehe. Dann schicke ich häufig ein Gebet für die, die es brauchen. Im Gebet steht mir Gott gegenüber und gibt mir Kraft, Mut, Trost.

Glaubensfragen: Ümran Karagöz, Muslimin und Kulturdolmetscherin.Glaubensfragen: Ümran Karagöz, Muslimin und Kulturdolmetscherin.

Ümran Karagöz, Muslimin und Kulturdolmetscherin.

(Foto: Jana Islinger)

Hackländer: Natürlich bitte ich ihn in Notsituationen um Hilfe und spreche ein Dankgebet, wenn ich die Hilfe bekommen habe. Es gibt bei uns auch ein tägliches Pflichtgebet. Das klingt streng, aber es kann eine Einstimmung auf den Tag sein, wenn man es morgens spricht, und auch eine Hinwendung zu Gott. Das finde ich sehr schön, weil es einem zeigt: Es gibt noch etwas anderes als das tägliche Hamsterrad. Und ich spreche ganz oft kleine Stoßgebete.

Ambrosy: Es gibt geplante und ungeplante Gegebenheiten. Die geplanten sind durch das Kirchenjahr geprägt, den Morgen beginnt man mit einem Gedanken. Ich erlebe eher, dass ich angesprochen werde. Nicht, wie eine Person zu mir spricht, sondern dass etwas, das meinen christlichen Glauben ausmacht, ganz transparent, konkret und erlebbar wird.

Glaubensfragen: Markus Ambrosy, 58, evangelischer Dekan des Dekanats Fürstenfeldbruck, promovierter Theologe.Glaubensfragen: Markus Ambrosy, 58, evangelischer Dekan des Dekanats Fürstenfeldbruck, promovierter Theologe.

Markus Ambrosy, 58, evangelischer Dekan des Dekanats Fürstenfeldbruck, promovierter Theologe.

(Foto: Chr. Horger/oh)

Ein Beispiel: Wir haben am AEZ in Fürstenfeldbruck Spenden für die Tafel gesammelt. Ich hatte dabei den Geldautomaten im Blickfeld. Da hat eine Mutter vergessen, das Geld herauszunehmen. Und der nächste sieht das, rennt ihr hinterher und gibt ihr das Geld. Er hätte es auch einfach behalten können. Das ist Evangelium im Alltag. So war das alles mal gedacht – Gutes tun im Alltag, unaufgeregt und undogmatisch, und der Himmel tut sich auf. Das Überirdische spüren können im Alltag, das ist eine Gnade. Offen sein zu können für das, was mir begegnet, dafür bin ich dankbar.

Rother: Ganz offensichtlich im Gottesdienst, und in meinem persönlichen Gebet. Ich spreche mit Gott in der Stille, und Gott spricht zu mir. Nach dem Nachtgebet sitze ich jeden Tag einfach da und stelle mir den Handywecker auf 20 Minuten. In der Stille, wenn die vielen Gedanken weg sind, hoffe ich, dass Gott mit mir spricht. Ich glaube zudem, dass Gott mir entgegenkommt in den Menschen, die mir entgegenkommen.

Glaubensfragen: Tobias Rother, 49, wird im Januar neuer katholischer Dekan und Pfarrer in Sankt Johann Baptist in Gröbenzell. Dort will er vor allem auf die Menschen hören. Er sagt von sich selbst, er sei unsportlich.Glaubensfragen: Tobias Rother, 49, wird im Januar neuer katholischer Dekan und Pfarrer in Sankt Johann Baptist in Gröbenzell. Dort will er vor allem auf die Menschen hören. Er sagt von sich selbst, er sei unsportlich.

Tobias Rother, 49, wird im Januar neuer katholischer Dekan und Pfarrer in Sankt Johann Baptist in Gröbenzell. Dort will er vor allem auf die Menschen hören. Er sagt von sich selbst, er sei unsportlich.

(Foto: Dominik Preiss/oh)

Wenn Menschen von ihrer Leidenschaft oder von ihrem Glauben sprechen, leuchtet die Liebe Gottes auf. Gott spricht ebenso durch die Schöpfung zu mir, auch dadurch, dass ich das Leiden der Menschen mit aushalte. Er ist eine ganz normale Person geworden in Christus, aber er ist auch so weit wie ein Sonnenaufgang. Mir geht es schon auch so, dass ich Gott nicht höre, und das kratzt natürlich furchtbar an der Eitelkeit eines Pfarrers. Manchmal spüre ich gar nichts. Das ist wahrscheinlich ähnlich wie in einer normalen Beziehung.

Ist eine Beziehung zu Gott nicht ein bisschen einseitig? Wie antwortet er?

Hackländer: Ich habe das Gefühl, beschützt zu sein. Auch wenn ein Problem oder eine Notlage auftritt – das mag ich zwar nicht, aber es gehört wirklich zum Leben, und es kommt darauf an, wie man die Probleme löst – gerate ich in Panik oder vertraue ich auf Gott? Vielleicht ist es ja ganz gut, was mir passiert, oder das, was ich mir wünsche, wäre gar nicht so gut für mich gewesen. Gott antwortet dabei nicht direkt, es ist nicht so, dass ich ein Wort höre. Es ist eher eine Vertrauenshaltung. Ich betrachte als Antwort, wie die Dinge geschehen.

Karagöz: Man fühlt sich geborgen. Zu Beginn des Jahres hatten wir eine schwere Zeit, da hat’s mich derbröselt, aber ich konnte nicht weinen. Dann habe ich gebetet und habe in mir eine Energie und eine Kraft gespürt, sodass ich weitermachen konnte. Gott hat mir geholfen, dass ich wieder zu Kräften komme. Wenn ich etwas Gutes tue, kommt es zu mir zurück. Auch in schlechten Zeiten kam immer rechtzeitig etwas zurück. Ob er mir antwortet? Die Frage habe ich mir nie gestellt.

Ambrosy: Weder langweilig noch einseitig. Meine Beziehung zu Gott hat sich kontinuierlich weiterentwickelt. Ich erkenne immer neue Facetten und bin dankbar, dass sie mitwächst wie ein Kleidungsstück. Was sollte ich auch jetzt mit einem Kinderglauben anfangen? Die Beziehung zu Gott ist nicht wie mit einem Menschen, aber sie ist extrem hilfreich. Manchmal ist Gott tröstlich, manchmal zeigt er eine Seite die sagt, jetzt reiß dich mal zusammen.

Rother: Nein, ist sie nicht. Da ist ein riesiger, unfassbarer und geheimnisvoller Gott, und ich bin so ein kleiner Kerl, und trotzdem spricht er auch mit mir. Gott ist extrem – einerseits ist er Goldstaub und Glitzer, andererseits wird er ein Kind, ein Mensch. Ich glaube schon, dass er auch mir etwas sagt. Ob ich ihn immer richtig verstehe, ist eine andere Sache.

Kann Gott auch eine Frau sein?

Hackländer: Ich habe keine konkrete Vorstellung von Gott. Es gibt keine Darstellungen, keine Bilder in den Meditationshäusern. Die Wesenheit Gottes steht weit über unseren Kategorien. Alle Wörter, die wir benutzen, sind nur Hilfsmittel, um einen Schimmer von Gott zu erhaschen. Es gibt schon eine direkte Hinwendungsfigur, das ist Abdul-Baha, der Sohn unseres Religionsgründers Baha’ullah. Er ist ein besonderes Wesen, aber nicht göttlich.

Karagöz: Bei den großen Religionen und auch im Islam, hat Gott kein Geschlecht. Aber trotzdem stelle ich ihn mir vor, und in der deutschen Sprache ist er immer männlich. Je nachdem, wie er zu mir ist, kann er auch gütig sein wie eine Mutter. Er hat etwas Überirdisches, manchmal Männliches, manchmal Weibliches.

Ambrosy: Ich finde es gut, dass man diese Frage heute so stellen kann, weil ein männlich geprägtes Gottesbild ein Hindernis sein kann auf dem Weg zum Glauben, gerade für Frauen. Mein Gottesbild ist männlich geprägt, das erleichtert mir die Identifikation. Aber es spielt eigentlich keine Rolle, weil Gott weder Mann noch Frau ist. Der entscheidende Punkt ist: Tut uns die Vorstellung gut? Wenn jemandem ein Bild von Gott als Frau in der Not hilft, ist das doch in Ordnung. Gott ist wandelbar. Die Vorstellung von Gott darf sich entwickeln und neue Formen finden.

Rother: Ja, klar, wenn Gott ein Vater sein kann, kann er auch eine Mutter sein. Gott als Frau, das passt für mich voll gut. Immer, wenn man Gott einzwängt in ein Bild, wird es schwierig. Gott ist alles und noch mehr. Er ist leidenschaftlich für die Menschen, aber nicht eifersüchtig. Böses entsteht durch das Fehlen des Guten. Das Gottesbild kann sich natürlich auch ändern. Der tröstende Gott, das hat etwas sehr Mütterliches, das Gefühl, dass du einfach angenommen bist. Die Kirche ist vielleicht in den Leitungsstrukturen von Männern geprägt, aber das Leben kommt von den Frauen. Es wäre ein Verlust, wenn wir das Weibliche in Gott vernachlässigten.

Die Religionsgemeinschaft der Bahai

Weltweit gibt es etwa sieben Millionen Bahai, 200 in und um München und vier Erwachsene sowie zwei Kinder aus zwei Familien in Germering. Die junge Glaubensgemeinschaft, die so heißt wie ihre Anhänger, entstand im 19. Jahrhundert in Persien. Sie wurde vor mehr als 150 Jahren in Persien von Baha’ullah (1817 – 1892) gestiftet.

Die Religion stamme aus dem islamischen Umfeld, so wie das Christentum aus dem jüdischen Umfeld stamme, sagt die Bahai Isolde Hackländer. Für Baha’ullahs Anhänger ist die Erde nur ein Land, alle Menschen sind seine Bürger. Die Bahai glauben, dass Gott kommen sie aus Liebe geschaffen hat, und es in Wirklichkeit nur eine Religion gibt. Geistliche gibt es in den Gemeinden nicht.

Abraham, Moses, Krishna, Zarathustra, Buddha, Christus, Muhammad, der Bab und Baha’ullah gelten als Propheten Gottes, “Gottesoffenbarer”. Baha’ullahs Botschaft: Für die Menschheit ist die Zeit gekommen, um in Einheit zu leben.

Kinder werden im Glauben erzogen und können mit 15 Jahren eine Erklärung abgeben, dass sie zur Gemeinschaft gehören wollen. Die Religionsgemeinschaft ist den großen Kirchen rechtlich weitgehend gleichgestellt.

2016 war Morgan Freeman weltweit für den Discovery Channel unterwegs, es entstand die Doku-Serie “Die Geschichte Gottes”.

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