Experte erklärt: “Schlächter von Syrien” soll Putin Sieg in Ukraine bringen

Sehen Sie im Video: “Schlächter von Syrien” soll Putin Sieg bringen – stern-Experte ordnet aktuelle Entwicklungen ein.

Gernot Kramper (stern) Die Methoden, mit denen die Ukraine die erste russische Welle abgewehrt hat, werden hier nichts nützen. // Ob sie diese Depots nun mit Drohnen, mit den türkischen Kampfdrohnen angegriffen haben, was zu vermuten wäre, oder aber, indem sie einzelne Kommandos so tief ins Land gebracht haben, die sie dann praktisch manuell angegriffen haben. Das kann man jetzt im Moment so gar nicht sagen. // Wenn wir in dem eigentlichen Kriegsgebiet in der Ukraine Waffen liefern, sind wir auch militärische Ziele. Das muss man klar so sagen.

Hendrik Holdmann (stern) Russland hat seine Offensive im Donbass, im Osten der Ukraine gestartet. Wie läuft es für Putins Truppen?

Gernot Kramper (stern) Erstmals die Offensive begonnen. Und sie ist auch in Bewegung. Aber was heißt das? Sie ist im Schildkröten-Tempo in Bewegung. Das liegt einerseits daran, was die russischen Truppen nicht können. Also sie konnten ja kein Blitzkrieg führen oder keine tiefen Vorstöße. Andererseits sind die Truppen auch abgenutzt und abgekämpft. Und es liegt aber natürlich auch an der Strategie, weil das muss man schon sagen, das ist schon ein gewaltiger Move, von diesen großen Rosinen der ersten Tage zu dieser Zermürbungsoffensive überzugehen. Wie erfolgreich das Ganze ist, ist wie immer extrem schwer zu sagen, weil diese Art von Offensive basiert darauf, wer dem anderen die größeren Verluste beibringt. Wir können also nicht wirklich beurteilen, wie erfolgreich die Offensive ist, weil wir nicht genau wissen, wie viele Russen dabei ums Leben kommen und wie viele Ukrainer ums Leben kommen. Das hört sich jetzt sehr blutig an, aber das ist eigentlich die Idee oder die Vision dieser Offensive. Das ist eine Riesenmühle, wo Soldaten und Material reingeworfen werden und derjenige gewinnt, der das bessere Verlustverhältnis für sich reklamieren kann. Und hier kommen wir an die Grenze dessen, was wir beurteilen kann. Ich möchte nochmal mal Exkurs dazu machen. In Mariupol in dem Stahlwerk verteidigen sich nach wie vor Truppen. Sehr tapfer, halten sie durch und das hat sicherlich auch den russischen Vormarsch im Süden massiv gehemmt. Aber wir lesen jeden Tag über die russischen Toten. Englische Experten vermuten 15.000 Mann ungefähr. Aber jetzt kann man sich ja mal fragen Wie viele ukrainische Soldaten sind in Mariupol geblieben, die ja allesamt, wenn nicht tot, aber so doch verloren sind, weil sie in russischer Kriegsgefangenschaft gehen? Ich würde mal tippen, das sind drei Brigaden gewesen. Sicherlich nicht in Sollstärke einer amerikanischen Stryker-Brigade. Aber das sind natürlich auch ganz erhebliche Verluste an Soldaten, die einfach weg sind. Dafür, dass man Mariupol so lange verteidigt hat. Also ob die Offensive erfolgreich ist, kann man nicht sagen. Sie bewegt sich sehr langsam. Das ist sicher. Das Problem für die Ukraine ist bloß, dass die Entfernungen so wahnsinnig gering sind. Um Slowjansk zu erreichen, müssten die Russen 15, 20 Kilometer vorstoßen. Und das ist nicht gerade viel. Um diese wichtige Nachschubstraße zu erreichen, müssen Sie nur noch wenige Kilometer erreichen. Die ist jetzt schon ein vollständiger Artilleriereichweite. Das heißt, es ist einfach eine Mini-Offensive auf einem ganz kleinen Gebiet und die Ukrainer verteidigen sich in ihren Stellungen deutlich und das wird den Russen auch Schwierigkeiten machen. Aber sie haben auch offenbar den Befehl, das Gebiet unbedingt zu halten. Sie ziehen sich nicht zurück und deshalb funktioniert dieses System dieser Art von Knochenmühle.

Hendrik Holdmann (stern) In Russland haben Treibstoffdepots gebrannt, das belegen diverse verifizierte Bilder und Videos. Hat die Ukraine die Ziele angegriffen oder was ist darüber bekannt?

Gernot Kramper (stern) Da kann man natürlich nur raten, aber das ist so viel Brände aus Versehen nebeneinander gibt und auch auf der Moskva, auf dem Schiff, auch noch ein Munitionsdepot in Brand geraten ist, das kann man wohl sicherlich eher der putinschen Propaganda zu schreiben. Es ist sicherlich anzunehmen, dass da eben die Ukraine dahintersteckt, die ja auch das Ziel hat, Angriffe in das russische Land zu bringen, weil das eventuell die öffentliche Unterstützung für Putins Politik in Russland konterkarieren könnte. Weil sie zeigen, dass sie das können. Ob sie diese Depots nun mit Drohnen, mit den türkischen Kampfdrohnen angegriffen haben, was zu vermuten wäre, oder aber, indem sie einzelne Kommandos zu tief ins Land gebracht haben, die sie dann praktisch manuell angegriffen haben. Das kann man jetzt im Moment so gar nicht sagen, aber beides ist natürlich denkbar. Das sind keine kriegsentscheidenden Faktoren, obwohl Treibstoff natürlich für den Krieg wichtig ist. Aber es ist vor allen Dingen ein psychologischer Faktor. Kriegsentscheidend ist es allein nicht, weil Russland jede Nacht mindestens 50, 60 derartige Ziele in der Ukraine angreift und auch trifft. Und insofern ist das natürlich nicht der große Wumms jetzt. Aber es zeigt eben, dass die Ukraine in der Lage ist, offensiv zu werden. Und das ist sicherlich vor allen Dingen für die Öffentlichkeit in Russland gedacht, aber natürlich auch für die ukrainische Öffentlichkeit, die ja, obwohl ihr Präsident eine sehr gute, um nicht zu sagen heroische Figur macht – es ist ja nicht abzustreiten, dass der ganze Krieg in der Ukraine stattfindet und alles, was kaputtgeht oder zerstört wird, oder die Zivilisten, die in Mitleidenschaft gezogen sind, alles Ukrainer sind. Und insofern ist es für die eigene Öffentlichkeit auch gut, dass man sagt: Hallo, unsere tapferen Soldaten, wer auch immer das jetzt schafft, ist tatsächlich auch im gegnerischen Land Schaden anzurichten.

Hendrik Holdmann (stern) Jüngst hat Lawrow angekündigt, dass jetzt auch Waffenlieferungen legitime Ziele in diesem Krieg sind oder auch angegriffen werden könnten. Warum eigentlich erst jetzt? Hätte Russland nicht viel früher schon Waffentransporte in die Ukraine bombardieren können?

Gernot Kramper (stern) Was sind legitime Ziele? Legitime Ziele sind alle Sachen, die im ukrainischen Staatsgebiet stattfinden, weil das das Kriegsgebiet ist. Es wäre nicht unbedingt legitim, derartige Ziele jetzt in Polen oder so anzugreifen. Okay, das ist das eine. Und dann sind alles legitime Ziele, die militärischer Nutzung sind. Das geht ja auch bei uns in den Medien etwas durcheinander. Man muss ganz klar sagen, wenn in einer Halle Militärgerät gelagert wird, ist das kein Speditionsunternehmen mehr, sondern ein Militärarsenal. Es ist ein legitimes militärisches Ziel. Wenn in einer Stadt oder in Wohngebieten Militär Stellungen aushebt, sind das legitime militärische Ziele, auch wenn das ursprünglich natürlich ein ziviles Wohngebiet gewesen wäre. Zu den Waffenlieferungen jetzt, das ist relativ schwierig für die Russen, weil wir liefern die Waffen ja nur an die Westgrenze, wenn man so will. Also wir bringen sie eben gerade in das Land hinein und dann werden sie verteilt. Und man muss sagen, die Russen nicht erst seit jetzt, sondern so ungefähr seit vier Wochen fangen ja massiv an, die Verkehrsverbindungswege zu zerstören in der Ukraine. Auch das ist eine typische Kriegstaktik. Das wird immer gemacht. Das haben auch die Amerikaner in Deutschland gemacht oder so, es ist jetzt also nicht ungewöhnlich, dass Eisenbahnbrücken oder so etwas angegriffen werden. Und es ist für die Zivilisten natürlich immer ziemlich übel, weil über die gleichen Bahnhöfe und über die gleiche Schiene über die Militärgüter und das Militär transportiert werden, fahren im nächsten Zug ja auch Zivilisten und Flüchtlinge unterwegs. Da sind Kollateralschäden programmiert. Das kann man gar nicht vermeiden. Das haben die Russen in den ersten Kriegswochen nicht gemacht. Ich habe auch nicht ganz verstanden, wieso. Man konnte ja auch aus Kiew mal mit der Bahn heraus. Das machen sie jetzt aber massiver, indem sie Brücken angreifen. Und damit wollen sie natürlich den Zustrom an Waffen und an Militärbewegung hindern. Was Lawrow jetzt angedeutet hat, weiß ich auch nicht. Ist vielleicht eher eine Drohung, dass sie die Dinge direkt an der Grenze oder die werden ja auch mit Flugzeugen gebracht und diese Flugzeuge sind im Anflug. Ja, auch die fliegen ja grenznahe Flughäfen an oder Pisten oder so etwas. Wie muss man sich das vorstellen. Und dass sie da unter Feuer genommen werden. Und das könnten dann natürlich auch unsere Maschinen sein. Und das kann man jetzt politisch bewerten. Aber rein militärisch muss man natürlich sagen, wenn wir in dem eigentlichen Kriegsgebiet in der Ukraine Waffen liefern, sind wir auch militärische Ziele. Das muss man klar so sagen. Vermutlich wird man das aber auch umschiffen, indem wir die Sachen praktisch nur nach Polen bringen und die letzten 50 Meter über die Grenze werden dann irgendwelche Ukrainer die LKW steuern.

Hendrik Holdmann (stern) Deutschland will Gepard-Panzer liefern. Was sind das für Panzer und wie könnten sie im Ukraine-Krieg eingesetzt werden?

Gernot Kramper (stern) Das ist ein Luftabwehrsystem. Der ist in den 60er Jahren entwickelt worden, in den 70er Jahren gebaut worden. Das ist ein richtig schwerer Panzer. Das Fahrgestell ist der Leopard eins. Er baut also nicht auf dem leichten Fahrzeug auf. Das ist schon ziemlicher Wumms. Auf dem ganzen Ding ist ein riesiger Turm und der arbeitet mit sogenannter Eisen-Flak mit zwei Maschinen-Kanonen, 35 Millimeter Maschinenkanonen, die eine hohe Durchschlagskraft haben, sind in der Lage, sehr viel Geschosse in sehr kurzer Zeit rauszuhauen. Also ein sehr potentes Werkzeug. Vor allen Dingen aber verfügt der Gepard über ein eigenes Radar, ein Rundum Radar und ein Zielfolgeradar und auch noch einen Laser-Entfernungsmesser. Das geht ein bisschen weit. Aber es ist jedenfalls ein System, das auch mit Radar gestützt allein für sich jeder einzelne Panzer kämpfen kann. Der muss also nicht eine Batterie haben mit einem gemeinsamen Radar oder dem Feuer-Leitsystem, sondern der Panzer selbst kann das. Umgekehrt muss man natürlich sagen Es ist eben praktisch entwickelt worden zurzeit des Kalten Krieges, um sowjetische Tiefflieger oder Kampfhubschrauber abzuwehren, die unsere Panzerspitzen angreifen. Das heißt, es ist ein Nahbereich-System. Die effektive Reichweite 5000 Meter geht 2500 Meter hoch. Um wirklich zum Schuss zu kommen, muss man dann noch davon etwas abziehen. Es ist also nicht so eine Reichweite wie ein Manpad. Es gibt Manpads, die haben größere Reichweiten als der Gepard, aber nichtsdestotrotz ist es ein effektives System. Zumal die Russen aus anderen Gründen mit ihren Flugzeugen nicht so weit nach oben wollen, weil sie da von anderen Waffen angegriffen werden und tja, und Eisen-Flak hat eben auch Vor oder Nachteile, insbesondere gegenüber Kampfhubschraubern. Die Projektile sind ja dumm, das sind ja nur Stahl-Geschosse, wenn man so will. Das heißt die können nicht durch Täuschkörper oder elektronische Störmaßnahmen abgelenkt werden vom einzelnen Ziel. Solange der Panzer oder der Kommandant das Ziel anvisiert und der Feuerleitrechner das berechnet, fliegen die diese Granaten da auch rein. Also insofern, ist doch eine effektive Waffe. Im Syrienkrieg hat man gesehen, dass die Syrer alte russische Flak-Panzer, die ähnlich, aber kleiner sind als der Gepard benutzt haben, um sie im Bodenkampf einzusetzen, weil diese kleinen Kanonen mit ihrer hohen Feuerrate im Städtekampf sehr effektiv sind. Man muss aber sagen, dass der Gepard natürlich ein sehr großer Panzer ist, auch ein sehr großes Ziel ist nicht wirklich gepanzert. Das ist vielleicht nicht so eine gute Idee, wenn man ihn behalten möchte. Aber auf jeden Fall klar, er ist da. Vor allen Dingen ist er auch lieferbar und nicht irgendwie ein System, in dem schon die Mäuse leben und was man praktisch von Grund auf aufbauen musste.

Hendrik Holdmann (stern) Nach vielen Fehlern im Ukraine-Krieg hat Putin das Kommando an Alexander Dwornikow übergeben. Der ist auch als “Schlächter von Syrien” bekannt. Warum? Wer ist dieser Militär?

Gernot Kramper (stern) Also Dwornikow hat eine Zeit lang die syrische Kampagne der Russen geleitet. Man muss sagen, zuerst hatten die Russen da durchaus große Schwierigkeiten, weil sie sich übernommen haben. Vielleicht weil sie auch die Gegenwehr falsch eingeschätzt haben, etwa weil sie Schwierigkeiten hatten, selbst kleine Dörfer einzunehmen. Und dann Dwornikow gekommen. Dwornikow ist ein Mann, von dem man im Militär sagen würde, er bekommt jede Lage unter den Stiefel, eine schwierige Situation gemeistert. Da gibt es mehrere Generäle, die so was in der Geschichte konnten. Da gehört er sicherlich auch dazu. In Syrien ist er dazu übergegangen, nicht mehrere komplexe Aufgaben parallel abzufahren, sondern. Ein Ziel nach dem anderen anzugehen, ganz klein zu arbeiten. Da aber unablässig mit hoher Feuerkraft und sich nicht beirren lassen. Er wird Schlächter genannt. Das ist natürlich eine Bezeichnung, die ihm die Opposition oder die Aufständischen angedeihen lassen. Es ist anzunehmen, dass die Loyalisten, also die Leute, die zu Assad halten, die es in Syrien durchaus auch gibt, das natürlich anders sehen werden. Aber warum hat der Begriff seine Berechtigung? Weil Dwornikow keine Rücksicht auf Zivilisten nimmt. Und das sind ja diese Kriege in Syrien. Aber die Amerikaner hatten im Irak und auch in Mossul ja ähnliche Probleme. War ein Riesenproblem, dass das Militär oder die Aufständischen sich nicht von den Zivilisten trennen, sondern die Nähe der Zivilisten suchen, um so mehr Schutz zu haben. Und davon hat Dwornikow sich aber nicht aufhalten lassen. Im Gegenteil, sondern er hat in diesen eingeschlossenen Gebieten begonnen, systematisch die Lebensgrundlagen zu zerstören, also indem er keine Lebensmittel reingelassen hat, in dem Wasserstellen, die Wasserversorgung unterbrochen wird. Und ähnliche Dinge. Das richtet sich gegen die Kämpfer und gegen die Zivilisten. Und man kann böse sagen: Das Leiden der Zivilisten untergräbt auch die Moral der Kämpfer. Das mag jetzt vielleicht beim IS oder mit diesen religiösen Wahnvorstellungen anders sein, aber in der Ukraine bietet sich das im Moment noch nicht an, weil es außer Mariupol ja keine eingeschlossenen Gebiete gibt. Aber es ist eben anzunehmen, dass er sich da nicht von humanitären Gedanken wird bremsen lassen. Aber die Situation in der Ukraine im Donbass ist auch anders als in Syrien, weil die ukrainischen Truppen jetzt, wo sie im Kampf stehen, diese Dörfer sind ja nicht bewohnt. Also es mag sein, dass es da noch ein paar alte Leute gibt, die partout nicht weggehen wollen oder so. Es ist aber nicht so, dass, wie man das vielleicht in Syrien auch den Aufständischen unterstellen kann, dass man die Zivilisten hindert, diese Gegenden zu verlassen, damit man diesen Schutz und damit man diese Vermischung hat. Das ist im Gegenteil gar nicht der Fall. Die Ukraine versucht, die Zivilisten da rauszuziehen, damit eben auch so etwas wie in Mariupol, wo man eine Stadt verteidigt, die noch voller Zivilisten ist, nicht unbedingt passiert. Das ist nicht intendiert. Und dann ist das ja auch seit langem; zumindest an der Kontaktlinie ist es ja auch Kriegsgebiet, da wird immer geschossen und da sind praktisch die Leute aus den Dörfern, die weggehen, sind weg. Was geblieben sind, sind Alte, sind Kranke, sind Frauen mit behinderten Kindern und ich nehme an, die werden auch stärker abtransportiert. Also das heißt, wir haben hier nicht die gleiche Lage wie in Syrien. Insofern wird auch dieses Schlächter-Image würde da auch gar nicht jetzt so auftreten, weil er eben keine Großstadt umfasst hat. Aber man muss annehmen, dass er eben ein sehr langsamen Krieg führt, einen sehr vorsichtigen Krieg, dass er kein Risiko eingeht, das heißt die Russen werden keine Vorstöße machen, sie werden ihre Nachschublinien sichern. Die werden ganz langsam vorgehen. Das ist die Idee dabei. Und die Methoden, mit denen die Ukraine die erste russische Welle abgewehrt hat, werden hier nichts nützen, weil der Krieg sich so nicht darstellt. Also insofern ist das schon eine große Veränderung. Und ob er damit Erfolg hat oder die Ukrainer Erfolg haben, das kann man so schwer sagen. Aber man muss sagen, solange die russische Offensive sich irgendwie bewegt, ist das kein gutes Zeichen.

Hendrik Holdmann (stern) Wie wird sich der Krieg in den nächsten Tagen entwickeln? Was erwartest du?

Gernot Kramper (stern) Ganz unspektakulär. Also es kann natürlich immer passieren, dass den Ukrainern irgendein Husarenstreich wie die Versenkung des Flaggschiffs gelingt oder dass sie irgendwo eine Brücke in Russland zerstören oder so etwas. Das ist dann natürlich immer ein großes Bohei und erzeugt auch Aufmerksamkeit. Aber die die Art der russischen Kriegsführung ist im Moment darauf angelegt, vollkommen unüberraschend zu sein. Wenn sie aus dem Norden weiter vorstoßen und das in dem Tempo weitergeht, werden sie in der nächsten Woche die Nachschublinien kappen können. Und das wäre natürlich für die Ukraine schon mal ganz schön bitter, wenn ihnen das nicht gelingt, das abzufedern. Weil diese Art von Krieg, wie sie jetzt geführt wird, für die Russen das führen, sich langsam zu bewegen, sehr viel Artillerie einzusetzen, führt dazu, dass ungefähr heuer viel Kriegsmaterial verbraucht wird. Und die Ukrainer können da nicht nur in ihrem Graben und ihrem Bunker sitzen und dem gar nichts machen. Das heißt sie verbrauchen ihre Munitionsvorräte. Darauf ist dieser Krieg auch angelegt. Dass der Gegner sich praktisch erschöpft. Es passiert eigentlich nichts. Aber es wird ununterbrochen geschossen und jetzt werden die Russen versuchen, ihre eigenen Nachschubprobleme besser in den Griff zu bekommen, was sie dem Donbass durch die Nähe zu Russland, durch das bessere Eisenbahnsystem und anderes auch gelingen kann. Ich sage nicht, dass es gelingen muss, aber sagen wir, haben sie deutlich bessere Chancen. Umgekehrt sind die ukrainischen Nachschublinien sehr lang. Das ist eine offene Gegend, da gibt es auch gar nicht so viel große Straßen, Eisenbahnlinien, auch überschaubar. Und die werden die Russen versuchen, sie zu kappen. Und da ja viel über den Dnepr muss, gibt es natürlich auch Punkte, die man angreifen kann, die nicht leicht zu reparieren sind. Also ein Loch in der Straße oder in einer Autobahn, da kann man drum herumfahren mit schwerem Gerät kann man da eine Rampe bauen und ähnliches. Aber große Eisenbahnbrücken, Tunnel, Autobahnbrücken – wenn die kaputt sind, dann ist guter Rat eher teuer. Also das werden wir erleben, dass dieser Krieg ganz langsam vorwärts geht. Und wir werden weiter etwas im Unklaren sein, weil wir die entscheidende Frage dieses Krieges sind die Verlustzahlen beider Seiten. Und solange wir die nicht haben oder nur in einer sehr geschönten Form präsentiert werden, kann man nicht sagen, ob die Russen damit Erfolg haben oder nicht.

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