Längerer Patentschutz wird Pharma-Innovation nicht fördern – Euractiv

Das tschechische Gesundheitsministerium weist darauf hin, dass ein von der Pharmaindustrie vorgeschlagener längerer regulatorischer Schutz weder das Problem des Investitionsabflusses aus Europa in die USA lösen noch innovative Medikamente fördern werde, und weist die Argumente der Industrie zurück.

Der im April 2023 vorgelegte Vorschlag der Europäischen Kommission zielt auf eine Aktualisierung der 20 Jahre alten Arzneimittelgesetzgebung ab. Ziel ist es, den Patientenzugang zu modernen Medikamenten zu verbessern und gleichzeitig die Stellung Europas auf dem Weltmarkt zu stärken.

Das zentrale Thema liegt im Schutz des geistigen Eigentums für neue Medikamente, insbesondere der vorgeschlagenen Reduzierung des regulatorischen Datenschutzes (RDP). Dazu gehört eine Reduzierung des unbedingten Datenschutzes von acht auf sechs Jahre, verbunden mit einem zweijährigen Marktschutz.

Nach Ablauf der Datenschutzfrist ist das innovative Unternehmen verpflichtet, Informationen an Unternehmen weiterzugeben, die generische Versionen des Arzneimittels entwickeln möchten. Nach Ablauf des Marktschutzes können Generika in den Verkehr gebracht werden.

Der Vorschlag der Kommission sieht Anreize für die Ausweitung des EPLR in bestimmten Fällen vor, beispielsweise durch die Einführung von Arzneimitteln in allen EU-Ländern oder die Deckung ungedeckter medizinischer Bedürfnisse.

Die Pharmaindustrie argumentiert, dass sich die vorgeschlagenen Änderungen negativ auf die Forschung und Entwicklung neuer Medikamente in Europa auswirken werden.

Um ihre Argumente zu untermauern, hat der Europäische Verband der pharmazeutischen Industrie und Verbände (EFPIA) einen Bericht in Auftrag gegeben, in dem er warnt, dass Europa aufgrund des Vorschlags mit einem Abfluss von Investitionen in Innovationen rechnen könnte.

„Kein Gleichungszeichen“

Der tschechische Vize-Gesundheitsminister Jakub Dvořáček sieht die Lage anders. Seiner Meinung nach gibt es „keine Gleichung“ zwischen der Festlegung der Länge des EPLR und dem Niveau der innovativen Arzneimittelentwicklung in der EU.

„Ich bezweifle die These, das Narrativ, dass die Arzneimittelentwicklung und -forschung in Europa von dem EPLR abhängt, das wir haben“, sagte Dvořáček gegenüber Euractiv.

Er betonte, dass sich die Kluft bei den FuE-Investitionen zwischen der EU und den USA in den letzten 15 Jahren trotz des hohen Schutzniveaus, das Europa den Pharmaunternehmen gewährt, erheblich vergrößert habe.

„Die Industrie sagt, es sei notwendig, das lange EPLR beizubehalten, um sie zur Entwicklung der Medikamente in Europa zu motivieren, aber in Wirklichkeit funktioniert das nicht“, erklärte Dvořáček.

Keine EU-„Business Angels“

Für ihn liegt das Problem vor allem in der Verfügbarkeit von Risikokapital, das in den USA viel höher ist als in Europa. Ihm zufolge gebe es in den USA viele „Business Angels“, die bereit seien, die Erforschung innovativer Medikamente trotz der Gefahr eines möglichen Scheiterns maßgeblich zu unterstützen.

„Dieser Aspekt fehlt uns in Europa“, betonte Dvořáček und fügte hinzu, dass dies nicht nur die Pharmaindustrie betreffe, sondern auch andere Branchen, etwa die IT.

Dennoch argumentiert die Branche, dass die vorgeschlagenen Kürzungen beim EPLR die Situation in Europa noch verschlimmern werden.

Derzeit stammen etwa 47 % der neuen Behandlungen aus den USA, während 25 % aus Europa stammen.

EFPIA: Eine Reduzierung des RDP wird sich auf die Zugänglichkeit von Medikamenten auswirken

Die EFPIA-Studie ergab, dass der Vorschlag zum Verlust von 50 der 225 Produkte führen könnte, die auf RDP basieren und ansonsten voraussichtlich zwischen 2020 und 2035 entwickelt werden. Darüber hinaus gibt die Branche an, dass sich eine kürzere RDP-Dauer auch negativ auf die Einführung von Arzneimitteln in EU-Mitgliedstaaten und damit auf die Zugänglichkeit von Arzneimitteln auswirken könnte.

Mit dem Pharmavorschlag soll die Industrie durch Anreize dazu motiviert werden, Medikamente europaweit schneller auf den Markt zu bringen.

Wenn das Unternehmen sein Produkt in allen Mitgliedsstaaten der EU auf den Markt bringt, sollte es zwei zusätzliche Jahre RDP erhalten. Die Europäische Kommission argumentiert, dass ein längerer Markteinführungsschutz in allen EU-Ländern Arzneimittel für Patienten in ganz Europa deutlich erschwinglicher machen wird.

Allerdings könne man die Bezahlbarkeit kaum beeinflussen, da diese auch von der Vorgehensweise der nationalen Behörden abhängt, heißt es aus der Branche.

Dennoch warten die Mitgliedsstaaten passiv auf die Entscheidung der Unternehmen, die Medikamente auf ihren Märkten einzuführen, sagte das tschechische Gesundheitsministerium. Der Vorschlag der Kommission wird dazu beitragen, diese Situation zu ändern und den Mitgliedstaaten die Möglichkeit zu geben, zu entscheiden, welche Medikamente sie in ihre Gesundheitssysteme aufnehmen.

Tschechien argumentiert auch, dass kleinere Mitgliedstaaten heute besonders von der Unzugänglichkeit vieler Medikamente betroffen seien.

Es besteht Aufklärungsbedarf

Der stellvertretende tschechische Gesundheitsminister räumte ein, dass einige Dinge in Bezug auf das Arzneimittelpaket geklärt werden müssten, und sagte, er warte auf weitere Einzelheiten von der Europäischen Kommission, damit die Länder beginnen könnten, sich detaillierter mit dem Paket zu befassen.

Dvořáček bestand außerdem darauf, dass bei allen Entscheidungen die Patienten und ihr Zugang zu Medikamenten im Auge behalten werden müssen.

„Das Pharmapaket ist nicht dazu da, die Generika- oder Originalhersteller glücklich zu machen“, sagte Dvořáček gegenüber Euractiv und fügte hinzu, dass die neue Gesetzgebung „für Patienten ist und wenn sie die Industrie schlafen lässt, ist das nur ein Zufall.“

[By Aneta Zachová, edited by Vasiliki Angouridi | Euractiv.com]

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