Die Folgen der Eile zu ignorieren ist nachlässig – POLITICO

Berlin. Seit sieben Jahren wird über die komplexe Frage der Weiterentwicklung der Bankenunion debattiert. Jetzt kommt plötzlich Bewegung: Das gemeinsame europäische Einlagensicherungssystem (EDIS) steht wieder auf der Tagesordnung des Europäischen Parlaments. Der ECON-Ausschuss des Europäischen Parlaments soll bereits am Donnerstag über den Verordnungsvorschlag abstimmen. Ein triftiger Grund für diesen Ansturm? Es gibt keine. Es stimmt jedoch mit dem vorherigen Prozess überein.

Wieder einmal versucht jemand, den zweiten Schritt vor dem ersten zu tun. Im Jahr 2015 legte die Europäische Kommission einen Vorschlag vor, bevor die überarbeitete Einlagensicherungsrichtlinie überhaupt in den Mitgliedsländern umgesetzt werden konnte. Dieser anfängliche Ansturm hat bis heute zu äußerst kontroversen Diskussionen geführt. So ist beispielsweise völlig unklar, welche Elemente die Weiterentwicklung der Bankenunion eigentlich umfassen soll und wie diese gestaltet werden sollen. Hierzu zählen insbesondere die regulatorische Behandlung von Staatsanleihen, die regulatorische Abgrenzung in den Gastländern sowie die Unterschiede zwischen den nationalen Insolvenzgesetzen. In all das muss ein europäisches Einlagensicherungssystem passen, das nur ein diskutiertes Element der Bankenunion ist. Entscheidende Fragen, die noch nicht geklärt sind.

Es ist völlig unklar, welche Elemente die Weiterentwicklung der Bankenunion eigentlich umfassen soll und wie diese gestaltet werden sollen.

Der damaligen Berichterstatterin Esther de Lange gelang es nicht, eine Einigung im Europäischen Parlament zu erzielen. Es gab Bedenken, dass ein unausgereiftes EDIS mehr schaden als nützen könnte. Die Meinungsverschiedenheiten wurden auch im Juni 2022 deutlich, als es der Eurogruppe trotz ernsthafter Bemühungen von Paschal Donohoe nicht gelang, sich auf die richtige Ausgestaltung der Bankenunion zu einigen. Ziel ist seitdem die Überarbeitung des Krisenmanagements für Banken (CMDI). Es wurde vereinbart, dass nur auf dieser Grundlage entschieden werden könne, ob und in welcher Form ein europäisches Einlagensicherungssystem überhaupt notwendig sei.

Die Abstimmung über CMDI im Europäischen Parlament ist für den 24. April geplant; Die Position des Rates ist noch völlig offen. Anstatt den Abschluss dieses Prozesses abzuwarten, hat der neue EDIS-Berichterstatter im EP, Othmar Karas, seit Ende Februar den EDIS-Ball übernommen und einen überstürzten Schnellschuss eingeleitet.

Es besteht ein erhebliches Risiko, dass sich der Fehler wiederholt, den die Europäische Kommission 2015 aufgrund hastig ausgehandelter Kompromisse begangen hat. Insbesondere ignoriert der Vorschlag völlig die strukturellen Veränderungen, die sich aus der Überprüfung des Krisenmanagements der Banken ergeben. Während CMDI auf die Abwicklung von Banken abzielt, dient EDIS in erster Linie der Entschädigung von Einlegern. Das passt einfach nicht zusammen und es besteht ein erhebliches Risiko, dass das Europäische Parlament widersprüchliche Positionen zu CMDI und EDIS vertritt. Dieses Missverhältnis würde zu erheblicher Unsicherheit führen, die sich nicht nur negativ auf die Finanzstabilität, sondern auch auf die allgemeine Wettbewerbsfähigkeit des Bankensektors und der Europäischen Union auswirkt. Dies kann nicht im Interesse derjenigen sein, die EDIS befürworten.

Wir fordern daher die Europaparlamentarier auf, die Abstimmung über EDIS zu verschieben.

Im Gegensatz zu vielen Fachdiskussionen ist die Einlagensicherung ein Thema, das in der europäischen Bevölkerung, nicht nur in Deutschland, sehr stark wahrgenommen wird. Ein verfrühter „Kompromiss“, wie er derzeit von ECON verfolgt wird, könnte gerade in der jetzigen Zeit – insbesondere kurz vor der bevorstehenden Europawahl – weitreichende und unabsehbare Folgen haben. Jeder Abgeordnete des Europäischen Parlaments sollte daher sehr genau prüfen, ob er die Auswirkungen des ECON-Vorschlags wirklich berücksichtigt hat. Denn eine Fehlentscheidung in dieser wichtigen Frage hätte nicht nur Konsequenzen für das künftige Europäische Parlament, sondern auch für die Europäische Union insgesamt.

Wir empfehlen daher dringend, nicht den zweiten Schritt vor dem ersten zu wagen und sonst ins Stolpern zu geraten. Wir fordern daher die Europaparlamentarier auf, die Abstimmung über EDIS zu verschieben.

Uns alle verbindet das gleiche Ziel. Aber nehmen wir uns die Zeit, einen gangbaren Weg zu finden, der alle Interessen gleichermaßen berücksichtigt. Und vergessen wir nicht: Am Ende spielen unausgegorene Ideen nur den Populisten in die Hände.


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