Deutsche Koalitionsgespräche stolpern über Rolle von Gas in der EU-Taxonomie – EURACTIV.com

Das Gerangel um die Rolle von Gas und Atomkraft in den EU-Regeln für nachhaltige Finanzen hat bei den deutschen Regierungsgesprächen zu Spannungen geführt, als in Berlin über die erste Drei-Parteien-Koalition des Landes verhandelt wird.

Die sozialdemokratische SPD, die Grünen und die wirtschaftsfreundliche liberale FDP verhandeln derzeit über eine sogenannte „Ampel“-Koalition, eine endgültige Einigung auf dem Papier wird in der letzten Novemberwoche erwartet.

Doch die Koalitionsverhandlungen sind Medienberichten zufolge nun auf einen Stolperstein gestoßen. Zwischen den Sozialdemokraten (SPD), die die Aufnahme von Gas in die EU-Regeln für nachhaltige Finanzen befürworten, und den Grünen, die sich vehement gegen die Kennzeichnung von Gas als grüne oder „Übergangsinvestition“ im Rahmen der Taxonomie wehren, ist eine grundlegende Meinungsverschiedenheit entstanden.

„Investitionen in fossiles Gas und Nuklearenergie sollten nicht durch die Aufnahme in die Taxonomie grün gewaschen werden“, sagte Sven Giegold, a . Grünes Europaabgeordneter, der einer der Hauptunterhändler ist des Koalitionsvertrages.

„Wir akzeptieren, dass vorübergehend in fossile Gaskraftwerke investiert wird, um den Kohleausstieg zu unterstützen“, sagte Giegold gegenüber EURACTIV. „Allerdings darf Gas nicht in die Taxonomie aufgenommen werden“, betonte er. Es gebe viel Kapital, um neue Gas- oder Kernkraftwerke zu finanzieren, ohne sie in die Taxonomie aufzunehmen.

„Wenn Frankreich neue Atomkraftwerke bauen will, kann es das. Wenn Deutschland in fossiles Gas investieren will, kann es das. Und ich würde sagen, auch in Osteuropa wird man das Kapital finden“, so Giegold weiter. Es gebe am Markt reichlich günstiges Finanzierungskapital, um Investitionen in Gas und Nuklear zu finanzieren.

„Für OECD-Länder sind die Zinsen bei Null, große Konzerne können sich ebenso günstig am Markt refinanzieren“, ohne Gas oder Atom in die Taxonomie aufnehmen zu müssen, betonte Giegold.

Grünes Europaabgeordneter: Deutschland „braucht möglicherweise einige zusätzliche Gasturbinen“, um erneuerbare Energien zu stabilisieren

Sven Giegold, ein grüner Europaabgeordneter und einer der wichtigsten Verhandlungsführer in den Gesprächen der deutschen Regierungskoalition, sagte gegenüber EURACTIV, dass Deutschland „kleine Mengen“ an zusätzlicher Gaskapazität brauche, um erneuerbaren Strom im Stromnetz zu „stabilisieren“. Er ist jedoch gegen die Aufnahme von Gas in die Green-Finance-Taxonomie der EU.

Im Oktober kündigte die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, an, dass die EU-Exekutive demnächst Vorschläge zu Gas und Nuklear als Teil der nachhaltigen Finanztaxonomie des Blocks vorlegen werde.

Die EU-Taxonomie-Verordnung legt Bedingungen fest, unter denen wirtschaftliche Aktivitäten als nachhaltig gelten können, und signalisiert Investoren, was grün ist und was nicht.

Doch während Grüne und SPD Atomwaffen ablehnen, sind sie sich bei der Einstufung von Gas in die Green-Finance-Taxonomie der EU gespalten.

„Wenn wir Gas nicht finanzieren können, wird Kohle verlängert“, sagte Svenja Schulze, die geschäftsführende Umweltministerin Deutschlands, auf der COP26 in Glasgow am 12. November.

Schulzes Erklärungen ergänzten eine lange Reihe von Pro-Gas-Botschaften von Spitzenpolitikern der SPD. Während die deutsche Energiewende auf Erneuerbare Energien fokussiert sei, “wäre auch die Nutzung von Gas für lange Zeit dazugehören”, sagte der wartende Bundeskanzler Olaf Scholz.

Das bedeute, dass Deutschland „neue Gaskraftwerke bauen“ müsse, sagte Scholz am 27. Oktober auf einer Konferenz.

Gas spiele eine wichtige Rolle bei der Energiewende, die sich „natürlich in der Taxonomie widerspiegeln sollte“, sagte der SPD-Gesetzgeber Bernd Westphal am 7. Oktober bei einer Veranstaltung der Denkfabrik Agora Energiewende.

Die Gasdebatte ist zu einem wunden Punkt in den Koalitionsgesprächen geworden.

In einem durchgesickerten Entwurf des Koalitionsvertrags heißt es: „Die Bundesregierung wird sich gegen die Aufnahme von Atomkraft und Gas als nachhaltige Technologien einsetzen“, berichtete die deutsche Zeitung Handelsblatt.

Der angehende Kanzler Olaf Scholz ist wegen seiner Rolle bei den Verhandlungen um die Green Finance Taxonomie der EU, die er seit Beginn der Diskussionen auf EU-Ebene im Jahr 2019 als Finanzminister leitete, unter Druck geraten.

Das Finanzministerium habe sich im Gegensatz zum Energie- und Wirtschaftsministerium unter Peter Altmaier nicht klar positioniert, wie Gas im Rahmen der nachhaltigen Finanzregeln des Blocks behandelt werden soll, sagte einer der Unterhändler gegenüber EURACTIV.

Zusätzliche Gaskraftwerke werden von SPD-Politikern und deutschen Energieversorgern als ein Muss angesehen. Sie unterstreichen die große Herausforderung des Kohle- und Atomausstiegs bei gleichzeitiger Erhöhung der gesamten Stromproduktionskapazität des Landes, um den neuen Bedarf durch die Umstellung auf Elektromobilität zu decken.

Die nächste Bundesregierung müsse sich „in Brüssel dafür einsetzen, dass die Nutzung von Erdgas in der Taxonomie zumindest vorübergehend als nachhaltig gilt, bis fossiles Gas durch kohlenstofffreie Gase und Wasserstoff ersetzt werden kann“, sagte Ingbert Liebing, Geschäftsführer Ortsverband VKU, der mit sprach Handelsblatt.

[Edited by Frédéric Simon]


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