Vivek Ramaswamy will Trump im Wahlkampf rechts überholen

Vivek Ramaswamy ist ein 37-jähriger Millionär aus Ohio. Er bewirbt sich um die Präsidentschaftskandidatur der Republikaner und will damit rechts an Trump vorbeiziehen. Diese Gründe sprechen dafür, dass er mit seinem Vorhaben Erfolg haben könnte. 

Von Hubertus Volmer

Dieser Artikel erschien zuerst bei n-tv.de

Das Faszinierende an Wahlkämpfen in den USA ist, dass sie so lange dauern – jedenfalls dann, wenn es ums Weiße Haus geht. Für die Präsidentschaftswahl im November 2024 hat der Vorwahlkampf längst begonnen. Bereits in vier Wochen findet die erste Debatte der republikanischen Bewerber statt. Längst wird in den US-Medien fleißig orakelt, wer die beste Chance gegen Ex-Präsident Donald Trump hat.

Bislang liegt Trump unter republikanischen Wählern klar vorn. Die Statistikseite Fivethirtyeight hat aus zahlreichen Umfragen ein Mittel von aktuell 51,9 Prozent für Trump errechnet, bei Realclearpolitics sind es 52,4 Prozent. Die Zahlen sind allerdings mit Vorsicht zu genießen, wie ein Blick in die Vorwahlumfragen einer früheren Präsidentschaftswahl verdeutlicht: Zum selben Zeitpunkt vor acht Jahren, im Juli 2015, hatte Trump in den Umfragen gerade den bis dahin Erstplatzierten überholt. Dass er die Vorwahl gewinnen und später sogar Präsident werden würde, war dennoch alles andere als klar. Noch im Juni 2015 lagen Trumps Werte im unteren einstelligen Bereich.

Auch in diesem Jahr kann also noch einiges passieren. Einer der Kandidaten, die sich an diesen Grundsatz klammern, ist der Multimillionär Vivek Ramaswamy aus Ohio. In der Gesamtschau bei Fivethirtyeight steht er auf dem dritten Platz, ebenso bei Realclearpolitics, wo er Ex-Vizepräsident Mike Pence überholt hat. In beiden Auswertungen ist Ramaswamy einstellig. Aber es gibt durchaus Gründe, die für ihn sprechen.

Ramaswamy kandidiert als Trump 2.0

Punkt eins: Im Gegensatz zu anderen republikanischen Bewerbern versucht Ramaswamy gar nicht erst, sich von Trump abzusetzen. “So wie ich das sehe, sind es nicht zwei Autos auf Kollisionskurs”, sagt er über seinen und Trumps Wahlkampf. “Es sind zwei Autos auf einer Rennstrecke nebeneinander, und wir überholen auf der linken Spur – oder auf der rechten Spur, wie es hier eher der Fall ist.” Anders als Ron DeSantis, der Gouverneur von Florida, kandidiert Ramaswamy nicht als eine Art “Trump mit Hirn”, sondern als Trump 2.0. “Ich glaube, dass ich am besten in der Lage bin, unsere ‘America first’-Agenda voranzubringen, sie sogar noch weiter voranzubringen als Trump es getan hat, aber zugleich das Land zu einen.”

Inhaltlich ist Ramaswamy ein Radikaler unter Radikalen. Wie bei Trump reicht das mitunter weit in den Bereich der Verschwörungsmythen: Ohne Belege dafür anführen zu können, verbreitete er die von Russland in die Welt gesetzte Behauptung, der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj habe religiöse Minderheiten, darunter Juden, schlecht behandelt. Er will das Wahlalter auf 25 Jahre anheben, außer für Angehörige des Militärs, für Rettungskräfte und für Personen, die den Test bestehen, der für die Einbürgerung notwendig ist. Ramaswamy preist den ungezügelten Kapitalismus und beschimpft linke Identitätspolitik als Ursache alles Bösen. Seine Ablehnung des Staates geht so weit, dass er das FBI und die Bundesfinanzbehörde IRS abschaffen will. Innerhalb der weit nach rechts gerückten republikanischen Partei bedient er damit politische Grundbedürfnisse.

Vivek Ramaswamy ist ein dunkles Pferd

Zweitens ist Ramaswamy so reich, dass er seiner Wahlkampforganisation im März mehr als 10 Millionen Dollar leihen konnte. Im zweiten Quartal spendete er sich selbst 5 Millionen. Die Zeitschrift “Forbes” schätzt ihn auf mindestens 630 Millionen Dollar. Um seine Spendensammler zu motivieren, sollen die zehn Prozent des Geldes behalten dürfen, dass sie für ihn einwerben.

Drittens: “Republicans like a dark horse candidate”, wie Fivethirtyeight-Reporterin Amelia Thomson-DeVeaux in einem Podcast sagt. Als “dunkles Pferd” werden in US-Wahlkämpfen Kandidaten beschrieben, über die noch vergleichsweise wenig bekannt ist, die aber genau deshalb erfolgreich sein könnten. In gewisser Weise galt das 2015 auch für Trump. Der war zwar schon eine Berühmtheit, als Politiker jedoch ein Außenseiter.

Darauf setzt Ramaswamy auch im Vergleich zu Trump: “Man ist nur einmal Außenseiter”, sagt er. Spannend ist das Rennen allemal: Ramaswamy ist erst 37 Jahre alt und damit noch deutlich jünger als Barack Obama es zu diesem Zeitpunkt vor seiner Wahl zum Präsidenten war. Seine Eltern sind Einwanderer aus Indien, er ist Harvard-Absolvent, hat ein Biotech-Unternehmen gegründet und dann noch eine Investment-Firma, deren politische Ausrichtung ausdrücklich gegen Klima-, Umwelt- und Sozialstandards gerichtet ist. Auch politisch tritt er in erster Linie als “Anti-Woke-Aktivist” auf – eine Rolle, die in Deutschland so trotz aller auch hierzulande stattfindenden Kulturkampfdebatten nicht existiert.

Ohne Trump sähen die Umfragen anders aus

Viertens könnte es sein, dass Trump aus dem Kandidatenrennen ausscheidet. Trump selbst sieht zwar kein Szenario, in dem dies möglich sein könnte. Aber sein ehemaliger Kommunikationsdirektor Anthony Scaramucci glaubt, dass Trump sich den Stress eines weiteren Wahlkampfes eigentlich nicht antun möchte. Und dann gibt es ja noch die Anklage eines Bundesgerichts gegen Trump. Juristen sagen zwar, dass er selbst nach einer Verurteilung Präsident werden könnte. Doch wirklich vorstellbar ist eine solche Situation nicht.

Ohne Trump würden die Umfragewerte völlig anders aussehen. Eine Andeutung davon gibt eine Erhebung des Harvard University Center for American Political Studies, in der Ramaswamy 10 Prozent erreicht. Darin wurde auch gefragt, für wen man sich entscheiden würde, wenn Trump in den Vorwahlen der Republikaner doch nicht anträte. In diesem Fall erreicht Ramaswamy 19 Prozent – im Vergleich zur Umfrage des Vormonats ein Plus von 12 Punkten. Damit liegt er zwar immer noch hinter DeSantis, auf den 29 Prozent entfielen. Aber DeSantis hat 12 Punkte verloren.

Lob von Trump

Punkt fünf: Ramaswamy hat versprochen, Trump zu begnadigen, wenn dieser verurteilt werden sollte. Würde also Trump aus dem Rennen ausscheiden, hätte dieser einen Grund, eine Wahlempfehlung für Ramaswamy auszusprechen, statt einen Kandidaten wie DeSantis zu unterstützen, über den er sich seit Monaten öffentlich lustig macht. Im Gegenteil: Über den 37-Jährigen spricht Trump anerkennend. Anfang des Monats sagte der Ex-Präsident voraus, dass DeSantis nicht mehr lange auf Platz zwei in den Umfragen stehen würde. Und fragte sich öffentlich, wer dann hinter ihm stehen würde. “Vielleicht Vivek. Vivek könnte es sein. Könnte sein. Er macht es gut.” Auch Trumps Anhänger könnten das Angebot einer Begnadigung attraktiv finden.

Und schließlich ist seine indische Herkunft sowohl Vor- als auch Nachteil. Einerseits gibt es Rassismus innerhalb der republikanischen Anhängerschaft. Andererseits dominiert dort auch die Vorstellung, dass ethnische Minderheiten in den USA keine strukturelle Benachteiligung zu erdulden haben und deshalb nicht ständig jammern sollten. Diese Idee ist geradezu der Kern des Weltbildes, das Ramaswamy vor sich herträgt. Zu seinen 25 politischen Grundsätzen, auf die Ramaswamy sich verpflichtet hat, gehört auch die Abschaffung von “affirmative action”, einem Konzept aus den 1960er Jahren, mit dem die Benachteiligung von Schwarzen ausgeglichen werden sollte und das für Hochschulen vom Obersten Gericht der USA ohnehin schon verboten wurde. Als Kind von indischen Einwanderern kann er so etwas fordern, ohne unter Rassismusverdacht zu geraten.

Quelle: ntv.de

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