Viele Rehkitze im Landkreis Freising gerettet – München

Fragt man Martina Zander, wie die Rehkitzrettungssaison gelaufen ist, antwortet sie ohne Zögern: “Die ist irre gut gelaufen!”. Ganze 315 Felder aus der Region mit insgesamt knapp 800 Hektar konnten sie und die anderen Helfer des Tierschutzvereins “Wir retten Rehkitze” mit Drohnen überfliegen: Wenn man bedenkt, dass der Verein erst im Dezember des vergangenen Jahres gegründet wurde, sind die Zahlen vielversprechend. Wie viele Rehkitze sie dabei retteten, das will die Neufahrnerin allerdings nicht öffentlich preisgeben – aus Angst, die gemeldete Zahl könnte die Abschussquote für Rehe erhöhen.

Auch der Jagdschutzverein und Jägerverein “Freising Stadt und Land”, der sich ebenfalls an der Rehkitzrettung beteiligte, will die Zahl der geretteten Tierbabys nicht kommunizieren. “Das wird sonst missbräuchlich gegen uns verwendet”, sagt Susanne Sperlich, die den Einsatzplan koordiniert hat. Was sie aber sagt: “In jedem Einsatz haben wir Tiere gefunden”. Insgesamt haben die Freisinger Jäger und Jägerinnen 503 Wiesen und 1400 Hektar mit Drohnen abgesucht. Zum Vergleich: 2019 waren es nur 134 Wiesen und 500 Hektar.

Die Mahd, die vom Mai bis Anfang Juli stattfindet, ist für Rehkitze extrem gefährlich. Die Jungtiere werden von ihren Müttern oft im hohen Gras versteckt: Dieses schützt sie zwar vor Fressfeinden, nicht aber vor dem Mähwerk. Außerdem haben die Rehkitze keinen Fluchtreflex und wenn Gefahr droht, drücken sie sich tief ins Gras. Der Landwirt, der auf dem Traktor sitzt, hat deshalb keine Chancen, die Kitze zu sehen.

Der Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) zufolge sterben jährlich deutschlandweit zirka 100 000 Rehkitze und andere Wildtiere, weil sie von landwirtschaftlichen Maschinen erfasst werden. Die Landwirte sind deshalb verpflichtet, vor der Mahd die Jäger zu verständigen und sich zu vergewissern, dass Maßnahmen zum Vergrämen und Vertreiben der Rehkitze tatsächlich ausgeführt werden.

Die Bundesregierung unterstützt die Rehkitzrettung

Traditionell wurden die Flächen von den Jägern mit Stöcken und ausgebildeten Hunden abgesucht. Das Problem: Die Kitze haben keinen Eigengeruch und können von den Hunden nur durch Zufall gefunden werden. Der Hundegeruch, der im Gebiet hängen bleibt, führt außerdem nicht immer dazu, dass die Reh-Mutter die Kitze aus der Wiese herausführt. In den vergangenen Jahren hat sich deshalb eine neue Methode durchgesetzt, die übrigens von der Bundesregierung gefördert wird: die Suche nach Kitzen mit Drohnen, die mit intelligenten Wärmebildkameras ausgestattet sind. Laut vielen Experten handelt es sich aktuell um die effektivste Strategie gegen den Mähtod.

Man kann sich eine Rettungsaktion so vorstellen: Die Drohne mit spezieller Wärmebildkamera fliegt in den früheren Morgenstunden in etwa 60 Metern Höhe. Ein ausgebildeter Pilot kann erkennen, um welches Tier es sich handelt, und wenn er ein Rehkitz sichtet, lotst er die Helfer und Helferinnen an die Stelle. Die Rehkitze werden dann mit Handschuhen aus der Wiese getragen und in Körben gesichert. Nach der Mahd werden sie freigelassen – und die Reh-Mutter findet sie wieder.

Der Freisinger Jägerverband verfügt über vier Drohnen, die von zwölf Drohnenpiloten gesteuert werden. 38 Helfer haben sich dieses Jahr daran beteiligt. Vergangenes Jahr hatte er nur zwei Drohnen, in Zukunft will er noch mehr davon anschaffen, “um mehr leisten zu können”, wie Susanne Sperlich sagt. Ihren Angaben zufolge werden die Drohnen nur für die Rehkitzrettung – und nicht für die Jagd – eingesetzt.

Kleiner Punkt: Die an einer Drohne montierte Wärmebildkamera zeigt die Stelle im Feld an, an der ein Rehkitz sitzt.

(Foto: Matthias Balk/dpa)

Das Helferteam des Vereins “Wir retten Rehkitze”, den Martina Zander in Neufahrn gegründet hat, besteht aus 40 Menschen, darunter acht Drohnenpiloten: Die Hälfte davon kommt aus Neufahrn, die andere aus der Region. Eingesetzt wurde das Team, das über vier Drohnen verfügt, in den Wiesen um Neufahrn, in Freising, Moosburg, Erding und bis nach Augsburg.

Und für nächstes Jahr? Martina Zander sagt, ihr Verein habe vor, vier weitere Drohnen anzuschaffen. Das größere Ziel sei aber ein anderes: “Wir möchten so viele Landwirte wie möglich überzeugen, mitzumachen”, sagt sie. Das Angebot sei dieses Jahr von den Landwirten deutlich besser angenommen worden, dennoch bleibe Luft nach oben. Auch, weil es immer wieder traurige Geschichten gab, wie sie ständig wiederholt.

Einmal zum Beispiel liefen fünf mobile Kitze, die mit Kescher nicht eingefangen werden konnten, zurück aufs Feld und wurden dann doch vom Mähwerk erfasst. Und sowieso war es erschreckend, zu sehen, dass die Kitze in den seltensten Fällen tot sind, wenn sie vom Mähwerk erfasst werden. Oft liegen sie tagelang schwerverletzt auf dem Feld, bis sie erlöst werden. Oder sie verkriechen sich zum Sterben auf ein anderes Feld. “Leider zeigen diese Geschichten, dass wir nicht alle Tiere retten können”, schreibt Martina Zander in einem Newsletter. Das mache sie sehr traurig, sagt sie. Und umso engagierter.

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