Ukraine-Krieg im Liveblog: Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko: “Das ist ein Genozid”

Ukraine-Krieg
Russland will Mariupol für sichere Landverbindung zur Krim – Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko: “Das ist ein Genozid”

Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko harrt in der bombardierten Stadt aus

© Sergej Supinsky / AFP

Bald vier Wochen tobt der russische Angriffskrieg auf die Ukraine. Die Zahl der zivilen Opfer wächst; in Kiew werden immer mehr Gebäude zerstört. Verfolgen Sie die wichtigsten Entwicklungen im stern-Liveblog.

Der Ukraine-Krieg geht in seinen 28. Tag. Auch in der Nacht haben die russischen Truppen ihre Bombardements von ukrainischen Städten fortgesetzt. Berichtet wird von schweren Beschuss in Riwne, Charkiw und Isjum. Laut Kremlsprecher Dmitri Peskow verläuft der russische Einsatz “streng nach Plan”. Er entspreche den im Vorhinein festgelegten Zielen, sagt Peskow auf Englisch in einem Interview mit dem TV-Sender CNN.

Darin äußert er sich auch zu dem möglichen Einsatz von russischen Atomwaffen. Peskow verwies auf die russische Sicherheitsstrategie, die einen Einsatz solcher Waffen bei einer “existenziellen Bedrohung” vorsehe. Auf die Frage, was Präsident Wladimir Putin in der Ukraine bislang erreicht habe, sagte Peskow, das die Ziele “noch nicht” erreicht seien. Als Ziele nannte er unter anderem das Dezimieren des ukrainischen Militärs sowie die Einsicht Kiews, dass die 2014 von Moskau annektierte Schwarzmeer-Halbinsel Krim nun ein “unverrückbarer Teil Russlands” sei. Zudem müsse die Ukraine anerkennen, dass die Separatistenregionen im Osten nun “unabhängige Staaten” seien.

Die wichtigsten Meldungen des Tages in Kürze:

  • Scholz rechtfertigt im Bundestag Energielieferungen aus Russland
  • Ukrainische Truppen halten laut Generalstab ihre Stellung
  • Heftige Kämpfe bei Charkiw – Schwierige Lage in Isjum
  • Selenskyj über Friedensbemühungen: “Schwierig und manchmal skandalös”

Die neusten Entwicklungen in unserem Liveblog.

Tag 28 im Ukraine-Krieg

  • Volker Königkrämer

    Nach Einschätzung britischer Geheimdienste sollen russische Truppen bei ihrem Vormarsch im Osten der Ukraine versuchen, die ukrainischen Streitkräfte einzukesseln. Dies geschehe, indem sich Truppen aus Charkiw im Norden und aus Mariupol im Süden fortbewegten, hieß es in einem Update des britischen Verteidigungsministeriums unter Berufung auf Geheimdienstinformationen.

    Weiter heißt es darin, die Russen würden sich im Norden der Ukraine mutmaßlich zurzeit neu organisieren, um sich auf großangelegte Angriffe vorzubereiten. Derzeit sei das Kampfgeschehen dort “weitgehend statisch”.

    Schon vor Beginn des Krieges begann London damit, in ungewöhnlich offener Art und Weise Geheimdienstinformationen mit der Öffentlichkeit zu teilen. Seit mehreren Wochen veröffentlicht die Regierung nun tägliche Einschätzungen zum Verlauf des Angriffskrieges.

  • Volker Königkrämer

    Für die Rettung der Zivilbevölkerung aus umkämpften Städten und Dörfern in der Ukraine sind nach Angaben aus Kiew insgesamt neun Fluchtkorridore vorgesehen. So soll die Evakuierung der belagerten Hafenstadt Mariupol fortgesetzt werden, wie Vizeregierungschefin Iryna Wereschtschuk in einer Videobotschaft sagt. Für die Fahrt in die südukrainische Großstadt Saporischschja stünden rund zwei Dutzend Busse bereit. Nach russischen Angaben halten sich in Mariupol am Asowschen Meer noch 100.000 bis 150 000 Menschen auf. Dort herrschen katastrophale Bedingungen, es gibt kaum Essen, Wasser und Strom.

    Auch aus den Orten Polohy und Huljajpole sind Fluchtkorridore nach Saporischschja geplant. Nordöstlich der Hauptstadt Kiew sind drei Routen vorgesehen: Aus Welyka Dymerka, dem benachbarten Bohdaniwka und Switylnja sollen Menschen in die Kiewer Vorstadt Browary gebracht werden, aus Borodjanka nordwestlich der Hauptstadt ist eine Evakuierung ins südlich gelegene Bila Zerkwa geplant. Schließlich soll es zwei Fluchtkorridore im ostukrainischen Gebiet Luhansk geben, von Rubischne sowie Nyschnje jeweils nach Bachmut.

  • Volker Königkrämer

    Der Bürgermeister der ukrainischen Hauptstadt Kiew, Vitali Klitschko, hat den russischen Angriff auf sein Land als Völkermord bezeichnet. “Das ist ein Genozid”, sagte der 50 Jahre alte ehemalige Profiboxer in einer Live-Schalte mit dem Stadtrat der Kiewer Partnerstadt München. “Die vernichten die Zivilbevölkerung, die vernichten unser Land.”

    Seine Stadt werde mit Raketen beschossen, die “in einem Radius von 500 Metern jedes menschliche Leben” töteten, sagt Klitschko. Das sei kein Angriff auf das Militär, sondern auf die Bevölkerung. Wie viele Ukrainer bislang gestorben seien, könne er nicht sagen: “Wir können die Leichen nicht zählen.”

  • Volker Königkrämer

    Die prominente russische Journalistin Schanna Agalakowa hat nach mehr als 20 Jahren beim Staatsfernsehen die Kremlpropaganda als lebensfern verurteilt. Im russischen Fernsehen werde nur noch die Geschichte von Kremlchef Wladimir Putin und Leuten aus seinem Umfeld erzählt. “Wir sehen nur den Machtapparat”, sagt die langjährige Frankreich-Korrespondentin des russischen Ersten Kanals, die den Sender wegen Putins Krieg gegen die Ukraine verlassen hat. “In unseren Nachrichten gibt es kein Land, in unseren Nachrichten kommt Russland nicht vor.”

    Agalakowa ist in Russland wegen ihrer Berichterstattung aus Frankreich eine Berühmtheit. Sie äußert sich bei einem Auftritt in Paris bei der Organisation Reporter ohne Grenzen. Dort sagt sie, das Wesen der Propaganda in den russischen Staatsmedien sei es, Fakten zu verdrehen und ein lügenvolles Gemisch zu produzieren. “Ich möchte, dass die Menschen nicht weiter zu Zombies gemacht werden.”

  • Volker Königkrämer

    Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj will sich zum außerordentlichen Nato-Gipfel per Video zuschalten. Das teilt sein Sprecher Serhij Nykyforow am Dienstag der Nachrichtenagentur Unian mit. Das Treffen findet genau vier Wochen nach dem Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine statt. Bei dem Gipfel sollen der Einmarsch Russlands in die Ukraine, die Unterstützung der Nato-Staaten für die Ukraine und die weitere Stärkung der Abschreckung und Verteidigung gegen Russland diskutiert werden.

  • Volker Königkrämer

    Mit einer Eroberung der ukrainischen Hafenstadt Mariupol will Russland nach eigenen Angaben eine sichere Landverbindung auf die annektierte Schwarzmeer-Halbinsel Krim schaffen. Sobald das russische Militär die wichtige Fernstraße M14 unter Kontrolle habe, sei die Krim wieder zuverlässig über einen Transportkorridor mit den ostukrainischen Separatistengebieten Donzek und Luhansk verbunden, sagt der stellvertretende Beauftragte von Präsident Wladimir Putin für den Föderationskreis Südrussland, Kirill Stepanow, der Staatsagentur Ria Nowosti.

    Die M14 führt vom südwestukrainischen Odessa, das bereits Ziel russischer Angriffe war, über das umkämpfte Mykolajiw und das von russischen Truppen besetzte Cherson nach Mariupol und von dort über die russische Grenze in die Großstadt Rostow am Don. Die Ukraine hatte nach der russischen Annexion der Krim 2014 die Eisenbahnlinien auf die Halbinsel geschlossen.

  • Volker Königkrämer

    Im Rahmen der Generaldebatte des Bundestags hat Bundeskanlzer Olaf Scholz der Ukraine die Solidarität Deutschlands zugesagt, zugleich aber erneut eine scharfe Grenze zu einer Verwicklung der Nato in den Krieg mit Russland gezogen. “Präsident Selenskyj, die Ukraine kann sich auf unsere Hilfe verlassen”, spricht der SPD-Politiker den ukrainischen Präsidenten direkt an.

    Die Nato wird nicht Kriegspartei

    Er höre auch die Stimmen derjenigen, die eine Flugverbotszone oder Nato-Friedenstruppen in der Ukraine fordern, betont der Kanzler. Aber: “So schwer es fällt – wir werden dem nicht nachgeben.” Es müsse dabei bleiben, dass es keine direkte Konfrontation zwischen der Nato und Russland geben dürfe. “Die Nato wird nicht Kriegspartei”, betonte Scholz.

  • Volker Königkrämer

    Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sieht kurzfristig keine Möglichkeit, auf Energielieferungen aus Russland zu verzichten. Deutschland wolle zwar langfristig seine Abhängigkeit von Öl, Gas und Kohle aus Russland beenden, sagt Scholz in der Generaldebatte über den Haushalt des Kanzleramts. “Das aber von einem Tag auf den anderen zu tun, hieße, unser Land und ganz Europa in eine Rezession zu stürzen”, warnt er. “Hunderttausende Arbeitsplätze wären in Gefahr. Ganze Industriezweige stünden auf der Kippe.”

  • Volker Königkrämer

    In Polen sind nach Angaben des Grenzschutzes seit dem Beginn des Kriegs in der Ukraine mehr als 2,17 Millionen Flüchtlinge aus dem Nachbarland eingetroffen. Das teilt die Behörde bei Twitter mit. Allein am Dienstag waren es demnach rund 31.000 Menschen. Dies sei ein Anstieg um etwa drei Prozent im Vergleich zum Vortag. Aus Polen in die Ukraine hätten seit Kriegsbeginn am 24. Februar etwa 285.000 Menschen die Grenze überquert. Es gibt derzeit keine offiziellen Angaben dazu, wie viele der Kriegsflüchtlinge in Polen geblieben und wie viele bereits in andere EU-Staaten weitergereist sind.

  • Volker Königkrämer

    Grünen-Chef Omid Nouripour hat sich dafür ausgesprochen, mehr Waffen in die Ukraine zu liefern. “Es ist eindeutig so, dass mehr kommen muss, und es ist eindeutig, dass jede einzelne Anforderung geprüft wird”, sagt Nouripour im “Frühstart” von RTL/n-tv. Er könne versichern, dass das nach bestem Wissen und Gewissen erfolge, in der Balance zwischen Beistand und dem Vermeiden einer Entgrenzung des Krieges. Aber: Nicht jeder Wunsch sei erfüllbar, so der Grünen-Politiker. “Es ist einfach nicht so, dass U-Boote auf Bäumen wachsen und man sie einfach runterpflücken muss und rüberreichen kann.”

  • Volker Königkrämer

    Die ukrainische Regierung hat sich enttäuscht darüber gezeigt, dass die Bundesregierung bisher nicht auf jüngste Bitten nach Waffenlieferungen reagiert hat. “Es ist sehr frustrierend, dass die Bundesregierung seit drei Wochen gar keine Antwort auf unsere Liste von dringend notwendigen Defensivwaffen gegeben hat”, sagt der der ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk, der “Bild”-Zeitung. Jeder Tag zähle, “um das Leben der unter dem russischen Raketenbeschuss leidenden Zivilbevölkerung in der Ukraine zu retten.”

    Es ist sehr frustrierend, dass die Bundesregierung seit drei Wochen gar keine Antwort auf unsere Liste von dringend notwendigen Defensivwaffen gegeben hat

    “Wir hoffen daher auf eine zügige Entscheidung aus Berlin”, sagt der Diplomat. Die ukrainische Regierung hatte am 3. März eine Verbalnote an das Bundeskanzleramt sowie Auswärtiges Amt und Bundesverteidigungsministerium geschickt und darin um zahlreiche Waffen gebeten. Dabei geht es unter anderem um Kampf- und Schützenpanzer, Artilleriesysteme, Panzerhaubitzen, Kampfflugzeuge sowie -Hubschrauber. Auf der Liste stehen auch leichte Flugabwehrsysteme, Aufklärungs- und Kampfdrohnen.

  • Volker Königkrämer

    Die ukrainischen Streitkräfte halten nach Angaben ihres Generalstabs die Stellung trotz fortdauernder russischer Luftangriffe. Der Vormarsch des Gegners werde an mehreren Fronten gestoppt, zum Beispiel bei Slowjansk im Gebiet Donezk im Südosten, teilt der Generalstab in Kiew mit. Auch Mykolajiw im Süden werde verteidigt, ebenso Tschernihiw im Nordosten.

    Zur Lage in der seit Wochen besonders heftig umkämpften Stadt Mariupol teilt die Militärführung lediglich mit, die ukrainischen Kräfte verteidigten sich gegen Angriffe aus allen Richtungen. Die Berichte aus der Kampfzone waren zunächst nicht unabhängig überprüfbar.

    Das russische Verteidigungsministerium in Moskau teilt mit, Kampfhubschrauber vom Typ Ka-52 hätten ein ukrainisches Munitionslager zerstört. Ein Ort wurde nicht genannt. Die ukrainische Seite hatte zuvor von Angriffen dieser Hubschrauber im Raum Charkiw im Osten des Landes berichtet.

  • Volker Königkrämer

    Ein führender belarussischer Oppositionspolitiker hat den Westen aufgefordert, die Sanktionen gegen Machthaber Alexander Lukaschenko wegen des Ukraine-Kriegs zu verschärfen. “Lukaschenko verdient weitaus mehr globale Verachtung, als ihm zuteil wurde”, schreibt Pawel Latuschko in der Zeitung “The New European”. Der belarussische Staatschef sei nicht nur der “Spielball” des russischen Präsidenten Wladimir Putin, sondern auch ein “wichtiger Akteur”.

    Diese beiden Monster müssen zur Rechenschaft gezogen werden

    Es sei “an der Zeit, dass der Westen dies erkennt und entsprechend handelt”, fordert Latuschko, der in Polen im Exil lebt. “Diese beiden Monster müssen zur Rechenschaft gezogen werden”. In einem offenen Brief fordert Latuschko die westlichen Regierungen auf, Belarus mit den gleichen Sanktionen wie Russland zu belegen.

  • Volker Königkrämer

    Bundesinnenministerin Nancy Faeser hat eine faire Verteilung ukrainischer Flüchtlinge in der EU gefordert und zugleich Forderungen nach einer besseren Koordinierung durch den Bund zurückgewiesen. “Seit dem ersten Tag des Krieges koordinieren wir die Aufnahme und Versorgung der Geflüchteten sehr eng mit den Ländern”, sagt die SPD-Politikerin dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Erst am vergangenen Donnerstag habe Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) erneut mit den Ministerpräsidenten über das Thema beraten. Integrations- und Sprachkurse würden bereits geöffnet, medizinische Versorgung und Arbeitsmarktzugang ermöglicht. “Wir sind viel besser aufgestellt als wir es bei früheren Fluchtbewegungen waren.”

    Es habe nun absolute Priorität, für eine faire Verteilung in der gesamten EU zu sorgen, sagt Faeser weiter. Zwar gebe es einen Schulterschluss zur gemeinsamen Aufnahme der Geflüchteten in allen EU-Staaten. Doch diese Vereinbarung müssten “jetzt auch alle gemeinsam umsetzen”. Das fordere sie gemeinsam mit Frankreich und Polen und berate sich dazu heute abermals mit der EU-Innenkommissarin Ylva Johansson, sagt Faeser. Zudem kündigt sie an, am Donnerstag mit den Innenministern der G7-Staaten darüber zu sprechen, “wie Geflüchtete auch in Staaten außerhalb der EU wie Kanada, den USA und Japan Schutz finden können”.

  • Volker Königkrämer

    Die Umweltorganisation Greenpeace fordert einen Importstopp für Gas, Öl und Kohle aus Russland. “Der EU-Gipfel muss dringend Beschlüsse für ein schnelles Energieembargo gegen Russland fassen”, sagt der deutsche Greenpeace-Geschäftsführer Martin Kaiser. “Wir erwarten von der Bundesregierung und von Kanzler Olaf Scholz persönlich, sich nicht länger gegen einen solchen Schritt zu stemmen

kng
DPA
AFP

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