In Russland sollen verschiedene Vergehen von Soldaten künftig schärfer geahndet werden. Das russische Unterhaus, die Duma, hat in zweiter und dritter Lesung ein Gesetz verabschiedet, das härtere Strafen für Desertieren, Ungehorsam und Beschädigung militärischer Einrichtungen vorsieht. Voraussetzung ist demnach, dass dies im Kampfgeschehen oder während einer Militärmobilmachung geschieht. Zuletzt war verstärkt über eine Mobilmachung in Russland diskutiert worden, was zu einer weiteren Eskalation des Ukraine-Kriegs führen könnte.
Wegen der Gefahr ukrainischer Angriffe zog Russland nach Einschätzung der britischen Geheimdienste zudem seine U-Boote der Kilo-Klasse von der annektierten ukrainischen Schwarzmeerhalbinsel Krim ab. Die Schiffe der Schwarzmeerflotte seien aus ihrem Heimathafen Sewastopol in die südrussische Hafenstadt Noworossijsk verlegt worden, teilte das Verteidigungsministerium in London mit. Die Kilo-Klasse sind konventionell betriebene U-Boote vor allem aus den 80er-Jahren. Die russische Schwarzmeerflotte ist traditionell auf der Krim stationiert.
Grund der Verlegung sei höchstwahrscheinlich, dass die ukrainische Fähigkeit zu Angriffen über weitere Distanz zugenommen habe und sich deshalb die Sicherheitslage auf der Krim verändert habe, hieß es in London. „In den vergangenen zwei Monaten wurden das Flottenhauptquartier und dessen Hauptflugplatz angegriffen.“
Das Ministerium verwies darauf, dass der russische Präsident Wladimir Putin mit der Krim-Annexion 2014 auch die Sicherheit der Schwarzmeerflotte garantieren wollte. „Die Sicherheit der Stützpunkte wurde nun wegen Russlands andauernder Aggression gegen die Ukraine direkt untergraben“, stellte die Behörde fest.
Das ukrainische Militär meldete derweil am Montag, dass die russische Schwarzmeerflotte ihre vor der Krim agierende Flotte im Kampf gegen die Ukraine wieder auf zehn Schiffe aufgestockt habe. Darunter seien drei Raketenkreuzer und drei große Landungsschiffe.
Das britische Verteidigungsministerium veröffentlicht seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine Ende Februar unter Berufung auf Geheimdienstinformationen täglich Informationen zum Kriegsverlauf. Damit will die britische Regierung sowohl der russischen Darstellung entgegentreten als auch Verbündete bei der Stange halten. Moskau wirft London eine gezielte Desinformationskampagne vor.
„Wir haben unsere Entscheidung getroffen: Wir gehen nach Europa“
Die Ukraine will mehr Bahnverkehr mit ihren Nachbarländern im Westen. „Wir haben unsere Entscheidung getroffen: Wir gehen nach Europa“, sagte der Chef der Staatsbahn Olexander Kamyschin der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. „Letztendlich brauchen wir dafür eine echte Integration in die europäische Infrastruktur.“ Notwendig seien neue Schienenstrecken in die Nachbarländer und mehr Frachtkapazität über europäische Häfen.
Millionen Ukrainer seien vor dem Krieg geflüchtet, sagte Kamyschin. „Die Menschen werden mobil bleiben wollen zwischen den Ländern.“ Während des Kriegs und darüber hinaus werde eine hohe Nachfrage bleiben. In den vergangenen Monaten habe man deshalb Verbindungen nach Moldawien, Rumänien und Polen ausgebaut. „Wir haben trotz des Krieges 50 Kilometer neue Gleise gebaut. Und wir bauen mehr, bis Jahresende wird es doppelt so viel sein.“
Notwendig sei es auch, die Güterkorridore über die europäischen Häfen zu verstärken. Die Ukraine Bahn exportiere 1,5 bis 2 Millionen Getreide im Monat. „Wir könnten 5 bis 7 Millionen Tonnen im Monat schaffen“, sagte Kamyschin. Es müssten aber die europäischen Güterkorridore und Seehäfen entwickelt werden, um wieder mehr ukrainisches Getreide in den Mittleren Osten, nach Nordafrika und China zu bringen.
Kamyschin rief europäische Eisenbahnen zu gemeinsamen Geschäften auf. „Wir sind unter Beschuss, wir brauchen Waffen, finanzielle Hilfe und den ganzen Rest. Aber letztendlich sind wir eine unternehmerische Nation.“ Die Ukraine habe Millionen Tonnen Fracht, die nach Europa gehen könnten. Europäischen Bahnen erwarteten zusätzliche Einnahmen. „Das ist der beste Weg, wie Europa uns helfen kann: Kaufen von uns und Geschäfte machen mit uns.“
Die Staatsbahn Ukrzaliznytsia gilt als Rückgrat für den Verkehr in dem vom russischen Angriffskrieg gebeutelten Land. Strecken und Bahnhöfe sind immer wieder Ziele von Angriffen. Das Unternehmen hat laut Kamyschin 244 Mitarbeiter verloren. Beschädigte und zerstörte Streckenabschnitte würden so schnell wie möglich repariert, damit Ortschaften wieder versorgt werden können, erklärte der Bahnchef. „Tempo ist unser Pfad zum Sieg.“
Der Vorstandschef ist nach eigenen Angaben oft selbst nahe der Front oder in zurückeroberten Gebieten unterwegs und begleitet dort auch Minenräumungen und Reparaturarbeiten. „Es wäre schwer für mich, Mitarbeiter dorthin zu schicken, wo ich nicht selbst hingehen würde.“ Auf seiner ersten Auslandsreise seit Kriegsbeginn besucht Kamyschin an diesem Dienstag und Mittwoch die Bahntechnikmesse Innotrans in Berlin.
Ukraine bringt ihre Klage vor die UN
Die Ukraine trägt ihre Klage über den russischen Angriffskrieg auf die höchste Bühne der Weltöffentlichkeit, vor die Generalversammlung der Vereinten Nationen. Es sei ein wichtiger Tag und er bereite seinen späteren Redebeitrag per Videoschalte vor, sagte Präsident Wolodymyr Selenskyj über den Beginn der UN-Generaldebatte in New York am Dienstag. „Es wird wichtige Signale von unserem Staat geben“, kündigte er in einer von Kiew aus verbreiteten Ansprache von Montagabend an.
Der ukrainische Staatschef soll am Mittwoch sprechen – und zwar ausnahmsweise per Videoschalte statt am Pult der Generalversammlung. Russland hatte versucht, eine Rede Selenskyjs nur für den absehbar unwahrscheinlichen Fall zuzulassen, dass er persönlich nach New York gekommen wäre. Diese Bedingung verwarfen die Mitgliedstaaten mit Mehrheit, so dass der ukrainische Staatschef nun zugeschaltet wird.
Selenskyj beriet auch am Montag mit seiner Militärführung über die ukrainische Gegenoffensive, die seit Anfang September läuft. In den von Moskau kontrollierten Separatistengebieten Luhansk und Donezk lief eine Kampagne über einen schnellen Beitritt zu Russland an. Am Dienstag ist der 209. Tag seit Beginn der russischen Invasion.
Selenskyj mit seinen Militärs: Schnelles Handeln notwendig
Nach der Beratung mit seinen Militärs sagte Selenskyj, die ukrainischen Kräfte hätten die Lage in den befreiten Gebieten bei Charkiw im Osten fest im Griff. Er dankte einzelnen Brigaden der Armee, aber auch dem Geheimdienst SBU, dessen Führung er im Juli ausgetauscht hatte. Mittlerweile trage der SBU Sorge dafür, „dass die Besatzer sich nirgends auf ukrainischem Boden halten können“.
Zugleich mahnte der Staatschef schnelles Handeln an: Tempo sei wichtig bei der Stabilisierung der befreiten Regionen, bei der Normalisierung des Lebens dort und beim Vorrücken der Truppen. Die Unterstützung aus dem Ausland müsse ebenfalls mit diesem Tempo mithalten, forderte er.
Der ukrainische Generalstab teilte mit, russische Truppen hätten am Montag zivile Objekte in 24 Orten beschossen. Genannt wurden unter anderem die Städte Kramatorsk, Awijiwka, Saporischschja und Mykolajiw. Die Führung der von Russland gelenkten Separatisten in Donezk berichtete von einem Angriff ukrainischer Artillerie, durch den 13 Menschen getötet worden seien. Die Angaben ließen sich nicht unabhängig überprüfen.
Separatisten wollen raschen Beitritt zu Russland
Angesichts des Vormarschs ukrainischer Truppen im Osten treiben Moskaus Statthalter in den Separatistengebieten Luhansk und Donezk eine Kampagne für einen schnellen Beitritt zu Russland voran. In der Volksrepublik Luhansk appellierte eine sogenannte Bürgerkammer an die örtliche Führung, bald eine Volksabstimmung über den Anschluss abzuhalten. Wenig später folgte in der Volksrepublik Donezk die Bürgerkammer mit der gleichen Bitte, wie die russische Nachrichtenagentur Tass meldete. Auch im Gebiet Cherson fordere die Bevölkerung ein Referendum, sagte der von Russland eingesetzte Verwaltungschef Kirill Stremoussow.
Vorbereitungen auf solche Volksabstimmungen laufen sowohl in den Separatisten-Republiken wie auch in den neu von Russland eroberten Gebieten seit Längerem. In Cherson waren sie wegen der ukrainischen Vorstöße zunächst auf 4. November verschoben worden.
Die Volksrepubliken Donezk und Luhansk werden seit 2014 aus Moskau sehr kleinteilig gesteuert. Doch wenn dort auf einen Anschluss an Russland gedrungen wurde, reagierte Moskau zurückhaltend. Diesmal kam aus dem russischen Parlament Unterstützung für den Beitrittswunsch. „Das soll rasch geschehen, das ist der Wille der Menschen“, sagte der Abgeordnete Viktor Wodolazki von der Kreml-Partei Geeintes Russland. Die Volksabstimmungen sollten noch vor dem Spätherbst stattfinden.
Der ukrainische Verwaltungschef für Luhansk, Serhij Hajdaj, äußerte die Vermutung, dass ein Anschluss der Gebiete Moskau den Anlass für eine allgemeine Mobilmachung liefern soll. Präsidentenberater Mychajlo Podoljak schrieb auf Twitter, mögliche Referenden änderten nichts daran, dass Donezk, Luhansk und die seit Jahren von Russland annektierte Halbinsel Krim nach internationalem Recht zur Ukraine gehörten.
Deutschland schickt weitere Haubitzen
Die Ukraine soll für ihren Abwehrkampf von der Bundeswehr vier weitere Panzerhaubitzen erhalten. Die Lieferung werde unverzüglich in die Wege geleitet, teilte das Verteidigungsministerium am Montag in Berlin mit. Bei den Panzerhaubitzen 2000 handelt es sich um schwere Artilleriegeschütze mit einer Reichweite bis zu 40 Kilometer. Die Lieferung soll auch ein Munitionspaket beinhalten. Die Zahl der von Deutschland gelieferten Artilleriegeschütze stiege damit auf 14.
Der ukrainische Verteidigungsminister Olexij Resnikow dankte für die Haubitzen ebenso wie für weitere Mehrfachraketenwerfer vom Typ Mars II und Dingo-Mannschaftstransporter. Deren Lieferung hatte Berlin vergangene Woche zugesagt. Die Ukraine fordert von westlichen Staaten wie Deutschland auch Kampf- und Schützenpanzer. Dagegen sperrt sich die Bundesregierung aber bislang.
Applaus und Kritik für Anti-Kriegs-Äußerungen von Alla Pugatschowa
Nach ihrer Kritik an Russlands Angriffskrieg gab es nicht nur Beifall für die russische Popsängerin Alla Pugatschowa. In ihrer Heimat steht sie nun auch unter Druck. „Diese Dichterlinge, Harlekine und Gaukler brauchen bloß eine Möglichkeit zu singen und zu tanzen, zu feixen und vulgär klugzuscheißen“, schimpfte der Leiter der Menschenrechtskommission beim russischen Präsidenten, Waleri Fadejew. Der kremlnahe russische Rapsänger Timati zog über den angeblich fehlenden Patriotismus Pugatschowas her, die in Russland als Superstar gilt. Der Kreml selbst kommentierte ihre Äußerung nicht.
Pugatschowa (73) hatte beklagt, russische Soldaten würden für „illusorische Ziele“ sterben. Russland sei durch den Krieg international geächtet. Julia Nawalnaja, Ehefrau des Kremlkritikers Alexej Nawalny, teilte die kritischen Worte bei Instagram. Auch andere Showgrößen bescheinigten der Sängerin bewundernswerte Courage und Ehrlichkeit. Der deutsche Rockstar Udo Lindenberg (76) solidarisierte sich mit seiner „langjährigen Freundin und Kollegin“.
Das wird am Dienstag wichtig
Russlands Präsident Wladimir Putin fliegt in diesem Jahr nicht nach New York zur UN-Generaldebatte, wo sein ukrainischer Gegenpart Selenskyj per Videoschalte zur Vollversammlung sprechen wird. Stattdessen wird Putin am Dienstag neue ausländische Botschafter in Moskau begrüßen. Üblicherweise nutzt er solche Termine im Kreml für Kommentare zur internationalen Lage.
Das ist die Geschichte eines Deutschen, der sein Leben in Bayern hinter sich gelassen hat, um für die Ukraine zu kämpfen. „Dicht dran – Der Reportage-Podcast“ jetzt abonnieren bei Spotify, Apple Podcast, Deezer oder direkt den RSS-Feed.