Ukraine – Aktuelle Lage: Russen versuchen Ukrainer im Osten einzukesseln – Heftige Kämpfe bei Charkiw

Die Kiewer Führung hält ein Eingreifen von Belarus an der Seite Russlands in den Krieg gegen die Ukraine aktuell für wenig wahrscheinlich. Die Wahrscheinlichkeit, dass der belarussische Präsident Alexander Lukaschenko sich für eine Teilnahme am Krieg entscheide, liege „bei 15 bis 20 Prozent“, sagte der ukrainische Präsidentenberater Olexij Arestowitsch nach Angaben der Agentur Unian.

Lukaschenko ist ein enger Verbündeter des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Die russische Armee nutzt Belarus als Aufmarschgebiet gegen die Ukraine, doch Belarus beteiligt sich trotz wiederholten Drängens aus Moskau bislang nicht aktiv am Krieg. Der ukrainische Generalstab geht davon aus, dass sich viele belarussische Soldaten und Offiziere einem Einsatz widersetzen.

Ukrainische Einheiten haben nach eigener Darstellung bei neuen Kämpfen um Charkiw im Osten des Landes einen Angriff russischer Truppen abgewehrt.

Ukrainische Soldaten ruhen sich aus, schauen auf ihre Smartphones – neben ihnen die Gewehre

Quelle: dpa/Andrew Marienko

Eine Straße der Zerstörung in Charkiw

Eine Straße der Zerstörung in Charkiw

Quelle: AP/Andrew Marienko

Dabei seien am Dienstagabend von russischer Seite auch Kampfhubschrauber vom Typ Ka-52 eingesetzt worden, wurde der regionale Befehlshaber Oleg Sinegubow von der „Ukrajinska Prawda“ zitiert.

Nach Angaben ihres Generalstabs halten die ukrainischen Streitkräfte die Stellung trotz fortdauernder russischer Luftangriffe. Der Vormarsch des Gegners werde an mehreren Fronten gestoppt, zum Beispiel bei Slowjansk im Gebiet Donezk im Südosten, teilte der Generalstab in Kiew am Mittwochmorgen mit. Auch Mykolajiw im Süden werde verteidigt, ebenso Tschernihiw im Nordosten.

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Jedoch haben russische Soldaten eine Brücke in der eingekreisten ukrainischen Stadt Tschernihiw bombardiert und zerstört. Das teilte der Gouverneur der Region, Wjatscheslaw Tschaus, mit. Die zerstörte Brücke war genutzt worden, um Zivilisten aus der Stadt zu evakuieren und humanitäre Hilfe zu liefern. Sie führte über den Fluss Desna, einen Nebenfluss des Dnepr, und verband Tschernihiw mit der Hauptstadt Kiew. Die Behörden in Tschernihiw hatten am Dienstag erklärt, die Stadt habe kein Wasser und keinen Strom. Sie sprachen von einer humanitären Katastrophe.

Auch Kiew wurde am Mittwochmorgen erneut von Explosionen und Schüssen erschüttert. Heftiges Artilleriefeuer war aus dem Nordwesten zu hören, wo russische Truppen versuchen, die Vororte der Hauptstadt einzukreisen und einzunehmen. Über den westlichen Außenbezirken stieg Rauch auf.

Die Kiewer Stadtverwaltung erklärte, russisches Militär habe die Stadt über Nacht und am Morgen beschossen und dabei Gebäude in zwei Bezirken beschädigt. Vier Menschen wurden den Angaben zufolge verletzt. Bei Telegram hieß es, ein Einkaufszentrum, einige Gebäude der Privatwirtschaft sowie Hochhäuser seien getroffen worden.

Ein zerstörtes Wohnhaus in der ukrainischen Hauptstadt Kiew

Ein zerstörtes Wohnhaus in der ukrainischen Hauptstadt Kiew

Quelle: dpa/Mykhaylo Palinchak

Zur Lage in der seit Wochen besonders heftig umkämpften Stadt Mariupol teilte die Militärführung lediglich mit, die ukrainischen Kräfte verteidigten sich gegen Angriffe aus allen Richtungen.

Für die Region Luhansk ist nach Angaben des zuständigen Gouverneurs eine Feuerpause vereinbart worden. Sie solle ab 09.00 Uhr Ortszeit (08.00 Uhr MEZ) gelten, erklärte Serhij Gaidaj auf dem Messengerdienst Telegram. Ziel sei es, durch die Kämpfe in der ostukrainischen Region eingeschlossene Zivilisten in Sicherheit zu bringen.

Schwierig sei die Lage im belagerten, rund 100 Kilometer entfernten Isjum. Zu der Stadt gebe es laut ukrainischer Angaben keine Verbindung mehr. Alle Bemühungen um einen humanitären Korridor seien bisher von russischer Seite abgelehnt worden. Die Angaben und Berichte ließen sich nicht unabhängig überprüfen.

Ein ukrainischer Soldat im Einsatz in Charkiw

Ein ukrainischer Soldat im Einsatz in Charkiw

Quelle: AP/Andrew Marienko

Derweil hat das russische Militär nach Angaben des Verteidigungsministeriums ein Waffen- und Ausrüstungslager nahe der nordwestukrainischen Stadt Riwne zerstört. Das Lager sei von See aus mit hochpräzisen Langstreckenwaffen beschossen worden. Vor zwei Tagen hatte das Ministerium bereits den Beschuss einer ukrainischen Militäreinrichtung in derselben Region gemeldet.

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Am havarierten Atomkraftwerk Tschernobyl haben russische Truppen ein Labor zerstört, das an der Verbesserung der Entsorgung radioaktiver Abfälle arbeitete. Das teilte die für die Sperrzone von Tschernobyl zuständige ukrainische Behörde mit. Das russische Militär hatte die stillgelegte Anlage zum Beginn des Krieges in der Ukraine eingenommen.

Die Behörde erklärte, das Labor, das mit Unterstützung der EU-Kommission für sechs Millionen Euro gebaut wurde, sei im Jahr 2015 eröffnet worden. Es habe „hochaktive Proben und Proben von Radionukliden“ enthalten, „die sich nun in den Händen des Feindes befinden“. Man hoffe, dass dieser „sich selbst und nicht der zivilisierten Welt schaden“ werde.

Satellitenbild vom 10. März 2022 der Nuklearanlagen von Tschernobyl

Satellitenbild vom 10. März 2022 der Nuklearanlagen von Tschernobyl

Quelle: dpa/Uncredited

Einkesselung der Ukrainer im Osten des Landes

Nach Einschätzung britischer Geheimdienste sollen russische Truppen bei ihrem Vormarsch im Osten der Ukraine versuchen, die ukrainischen Streitkräfte einzukesseln. Dies geschehe, indem sich Truppen aus Charkiw im Norden und aus Mariupol im Süden fortbewegten, hieß es in einem Update des britischen Verteidigungsministeriums unter Berufung auf Geheimdienstinformationen, das am Mittwochmorgen veröffentlicht wurde.

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Weiter heißt es darin, die Russen würden sich im Norden der Ukraine mutmaßlich zurzeit neu organisieren, um sich auf groß angelegte Angriffe vorzubereiten. Derzeit sei das Kampfgeschehen dort „weitgehend statisch“.

Kampfkraft der russischen Truppen gesunken

Nach Worten von Kremlsprecher Dmitri Peskow verlaufe der russische Militäreinsatz in der Ukraine „streng nach Plan“. Alles entspreche den vorher festgelegten Zielen, sagte Peskow auf Englisch dem US-Sender CNN. Die Regierung in Moskau bezeichnet den Angriff auf die Ukraine als „speziellen Militäreinsatz“, nicht als Krieg.

Auf die Frage, was Präsident Putin in der Ukraine bislang erreicht habe, sagte Peskow, dass die Ziele „noch nicht“ erreicht seien. Als Ziel nannte er unter anderem das Dezimieren des ukrainischen Militärs. Kiew müsse zur Einsicht kommen, dass die 2014 von Moskau annektierte Schwarzmeer-Halbinsel Krim nun ein „unverrückbarer Teil Russlands“ sei. Zudem müsse die Ukraine anerkennen, dass die Separatistenregionen im Osten jetzt „unabhängige Staaten“ seien.

Ein ukrainischer Soldat vor einem russischen Panzer in Kiew

Ein ukrainischer Soldat vor einem russischen Panzer in Kiew

Quelle: REUTERS

Währenddessen sei die Kampfkraft der russischen Truppen auf unter 90 Prozent ihres Potenzials zu Beginn der Invasion gesunken, sagte ein Vertreter des US-Verteidigungsministeriums. Belege nannte er nicht. Russland hat zuletzt offiziell Angaben über Verluste am 2. März gemacht.

Damals waren demnach 498 Soldaten gefallen und 1597 verwundet worden. Der Berater der US-Regierung für nationale Sicherheit, Jake Sullivan, schätzt, dass die Zahl der getöteten russischen Soldaten mittlerweile in die Tausende geht.

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Der Sprecher des US-Verteidigungsministeriums, John Kirby, sagte, den russischen Truppen gingen die Vorräte aus. Das Militär habe Kommunikationsprobleme und müsse auf Handys zurückgreifen. Der ukrainischen Armeeführung zufolge verfügen die russischen Truppen nur noch über Munition, Lebensmittel und Treibstoff für drei Tage.

Selenskyj droht russischen Piloten

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat russische Streitkräfte beschuldigt, eine Gruppe von Flüchtlingen aus der belagerten Hafenstadt Mariupol auf einer zuvor vereinbarten Fluchtroute „einfach gefangen genommen“ zu haben.

In seiner abendlichen Videobotschaft verwies der Staatschef am Dienstag erneut auf das Leid der seinen Angaben zufolge noch 100.000 Menschen in der Stadt, die „ohne Nahrung, ohne Wasser, ohne Medikamente, unter ständigem Beschuss“ ausharren müssten.

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Die Großstadt hatte vor Kriegsbeginn noch 450.000 Einwohner. Sie ist für beide Seiten strategisch wichtig, da sie der letzte große Hafen unter ukrainischer Kontrolle am Asowschen Meer ist und eine direkte Landverbindung zwischen der von Russland annektierten Krim-Halbinsel sowie den von pro-russischen Separatisten kontrollierten Gebieten in der Ostukraine verhindert.

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Quelle: Infografik WELT

Zudem wandte sich Selenskyj an die Piloten russischer Kampfflugzeuge. Er drohte allen Piloten für ihre Einsätze gegen Ziele in der Ukraine mit persönlicher Verantwortung. „Sie werden zur Rechenschaft gezogen, wie auch immer“, sagte er. „Heute oder morgen, das ist nicht so wichtig. Wichtig ist, dass es unausweichlich ist.“

Als besonderes Beispiel nannte er den Abschuss eines russischen Kampfbombers über der schwer umkämpften Hafenstadt Mariupol. „Und so wird es jedem gehen, der unsere Menschen tötet, friedliche Menschen in unserem friedlichen Land.“ Den russischen Piloten sei offenbar nicht klar, was für Befehle sie ausführten: „Die Tötung von Zivilisten ist ein Verbrechen.“

Die Friedensverhandlungen mit Russland bezeichnete Selenskyj in seiner Videoansprache als „sehr schwierig“. „Sie sind sehr schwierig, manchmal skandalös, aber wir bewegen uns Schritt für Schritt vorwärts“, sagte er. Vertreter der Ukraine seien tagtäglich bei den Verhandlungen im Einsatz. „Wir werden arbeiten, wir werden so viel wie möglich kämpfen. Bis zum Ende. Mutig und offen.“ Die Unterhändler seien unermüdlich im Einsatz. „Ausruhen können wir uns, wenn wir gewonnen haben.“

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Quelle: via REUTERS

Die ukrainische Generalstaatsanwältin Iryna Wenediktowa sagte der Nachrichtenagentur AFP am Dienstag: „Bei dem, was ich jetzt in Mariupol sehe, handelt es sich nicht um Krieg, sondern um Völkermord.“ „Kriegsschauplätze haben einige Regeln, einige Prinzipien. Was wir in Mariupol sehen, [hat] überhaupt keine Regeln“.

Das ukrainische Außenministerium erklärte zudem, dass sich die Lage in der von Russland besetzten Großstadt Cherson im Süden rapide verschlechtere. Es beschuldigte Moskau, einen Hilfskorridor für die Evakuierung von Zivilisten und den Transport von Lebensmitteln zu verweigern.

Einwohner aus Lwiw fliehen aus ihrer Stadt

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Eine ukrainische Familie, die über das mexikanische Tijuana in die USA einreisen möchte

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Quelle: Getty Images/Mario Tama

Für diesen Mittwoch sind nach ukrainischen Angaben neun Fluchtkorridore vereinbart worden. Es werde versucht, über diese Wege Zivilisten aus umkämpften Orten in Sicherheit zu bringen, sagt Vize-Ministerpräsidentin Iryna Wereschtschuk. Für das Zentrum der Stadt Mariupol, in der die Lage für die Bevölkerung besonders kritisch ist, konnte offenbar kein Fluchtkorridor ausgehandelt werden. Wereschtschuk erklärt, für die Bewohner von Mariupol stünden Transportmöglichkeiten in Berdjansk bereit. Die Stadt liegt rund 85 Kilometer westlich von Mariupol.

Nach Angaben des Bundesinnenministeriums sind mittlerweile knapp 239.000 Flüchtlinge aus der Ukraine in Deutschland registriert. Es seien überwiegend Frauen, Kinder und Ältere.

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Quelle: Infografik WELT/Jörn Baumgarten

Seit Beginn der russischen Invasion sind nach ukrainischen Angaben 121 Kinder getötet worden. Das teilt die Generalstaatsanwaltschaft auf Telegram mit. 167 Kinder seien verletzt worden. Diese Angaben konnten zunächst nicht verifiziert werden.

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