Tesla-Blackout in Grünheide: „Diese Typen sind auf bizarre Art verrückt“, sagt Musk

Tesla-Chef Elon Musk hat die Verursacher des Produktionsstopps seiner Fabrik in Brandenburg scharf kritisiert. „Diese Typen sind auf bizarre Art verrückt“, sagte Musk WELT. „Warum sollten Ökoterroristen ein Umspannwerk niederbrennen, das für Elektrofahrzeuge und die Allgemeinheit genutzt wird?“ Zuvor hatte der Tech-Milliardär auf seinem Portal geschrieben: „Das sind entweder die dümmsten Ökoterroristen der Welt oder sie sind Marionetten derer, die keine guten Umweltziele haben.“

Am Dienstag hatte ein Brand an einem Strommast in der Nähe des einzigen europäischen Tesla-Autowerks bei Grünheide die Stromversorgung für die Fabrik sowie einige umliegende Gemeinden unterbrochen. Die Polizei geht von Brandstiftung aus.

Die linksextreme „Vulkangruppe“ reklamierte die Tat für sich. Die Produktion bei Tesla stand zunächst still. Der Autobauer geht von wirtschaftlichen Schäden im „hohen neunstelligen Bereich“ aus. Die Stromversorgung wird dem Werksleiter zufolge mehrere Tage unterbrochen. Noch ist unklar, wann die Produktion wieder aufgenommen werden kann.

Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur vom Mittwoch bezieht sich der Leiter des Werks bei der Bezifferung auf den Umsatzverlust der Fahrzeuge, die nicht produziert und somit nicht verkauft werden können. Der Werksleiter rechnete dabei mit einem Ausfall von mehr als 1000 Autos pro Tag und ging von einem Produktionsausfall von mindestens dieser Woche aus.

Wer ist die „Vulkangruppe“?

„Wir haben heute Tesla sabotiert“, hieß es in einem Schreiben der „Vulkangruppe“. Sie forderte eine „komplette Zerstörung der Gigafactory“ und warf Tesla „extreme Ausbeutungsbedingungen“ und eine Verseuchung des Grundwassers vor. Die Brandenburger Polizei geht derzeit von Brandstiftung an einem Strommast aus, der Staatsschutz des Landeskriminalamts nahm die Ermittlungen auf.

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Eine „Vulkangruppe“ stand bereits im Jahr 2021 im Verdacht, einen Brandanschlag auf die Stromversorgung der Tesla-Baustelle verübt zu haben. Sie warf Tesla damals auf der linksradikalen Internetseite Indymedia.org vor, der Konzern sei weder grün, ökologisch noch sozial. Der Verfassungsschutz Brandenburg erwähnte das Bekennerschreiben in seinem Bericht 2021. Dort hieß es außerdem: „In den vergangenen Jahren hatten mehrmals Linksextremisten als ‚Vulkangruppen‘ Brandanschläge in Berlin verübt.“

2013 griff eine Gruppierung, die sich als „Anonymous / Vulkangruppe Katla“ bezeichnete, einen Vodafone Funkmast in Berlin an. Die Tat richte sich „gegen die totale Überwachung durch Regierungen, Geheimdienste und Konzerne sowie gegen das reibungslose Funktionieren der Metropole“, hieß es in einer Erklärung. 2018 bekannte sich die „Vulkangruppe NetzHerrschaft zerreißen“ zu einem Anschlag auf Strom- und Glasfaserkabel in der Hauptstadt. In einem Pamphlet der Gruppe heißt es: „Die Herrschaft über die Menschen organisiert sich neu: über die Netze, die Algorithmen und die Zugriffe des Staates und der Konzerne – auf unser Leben und im Alltag. Auf unsere Gefühle, unser Denken, unser Tun. Jetzt und in der Zukunft. Und weitet sich immer tiefer aus. Wir werden überwacht, gesteuert und gelenkt“.

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Im Sommer 2023 machte eine „Vulkangruppe Lützerath“ Schlagzeilen, die einen Brandsatz an das Heizkraftwerk Reuter West in Berlin angebracht hatte. Nach eigenen Angaben wolle man „die Kämpfe in Kolumbien gegen die Kohlekraft“ unterstützen und Menschen zur Sabotage an fossiler Infrastruktur ermutigen.

Im Verfassungsschutzbericht des Bundesinnenministeriums aus dem Jahr 2018 heißt es über eine „Vulkangruppe“ im Zusammenhang mit einem Anschlag auf Netzkabelschächte in Berlin-Charlottenburg: „Durch Anschläge auf die Netzinfrastruktur soll zunächst der Betreiber direkt getroffen werden. Der plötzliche Wegfall von gewohnter Infrastruktur und Versorgungsleistung soll darüber hinaus bei den mittelbar Betroffenen, wie beispielsweise Pendlern oder privaten Internetnutzern, einen ‚Denkprozess‘ anstoßen und ihnen verdeutlichen, dass sie von ‚Kontrollinstrumenten‘ entkoppelt beziehungsweise ‚befreit‘ worden sind.“

Auch der Verfassungsschutzbericht des Landes Brandenburg aus dem Jahr 2020 erwähnt eine „Vulkangruppe“ wegen eines Brandanschlags auf das Heinrich-Hertz-Institut in Berlin. In einem in dem Bericht zitierten Bekennerschreiben hieß es demnach: „Wir erteilen der sogenannten Corona-App eine Absage und sind in Vorleistung gegangen. Wir haben heute, um jeder weiteren Aufweichung der Grundrechte und dem Ausbau der Überwachungsmaßnahmen entgegenzuwirken, einen Schacht mit Kommunikationskabeln, die u. a. das ‚Heinrich-Herz-Institut‘ versorgen, in Brand gesetzt“. Ebenso sei zur Zerstörung von 5G-Funkmasten aufgerufen worden sein.

Ob es sich bei den verschiedenen Erwähnungen über die Jahre immer um dieselbe Gruppe handelt, ist unklar.

Wie reagiert die Politik?

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) verurteilte den mutmaßlichen Anschlag scharf: Ein solcher Anschlag auf die Strominfrastruktur sei eine schwere Straftat, die durch nichts zu rechtfertigen sei. „Wenn sich ein linksextremistisches Motiv bestätigt, dann ist das ein weiterer Beleg, dass in der linksextremistischen Szene vor Angriffen auf kritische Energie-Infrastrukturen nicht zurückgeschreckt wird.“ Die Folgen können so wie heute tausende völlig unbeteiligte Menschen treffen. Dies zeigt eine enorme kriminelle Energie.

Der Union reicht das als Reaktion nicht. Der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Alexander Throm (CDU), forderte von Innenministerin Faeser einen „Aktionsplan gegen Linksextremismus“. Der Anschlag zeige „erneut, dass Linksradikalismus und -extremismus immer weiter zunehmen“, sagte Throm WELT. „Viele Beteiligte radikalisieren sich, die Gewaltbereitschaft steigt merklich an. Zusätzlich wird der Klimaschutz für den ideologischen Kampf instrumentalisiert.“

Die Innenministerin aber wolle diese Entwicklung „immer noch nicht wahrhaben, weil es nicht in ihr ideologisches Weltbild passt“, so der Unionspolitiker. „Wann kommt der Aktionsplan gegen Linksextremismus? Wo bleibt das koordinierte Vorgehen gegen alle Formen von Extremismus?“, fragte Throm. „Ein bloß verbales Verurteilen des heutigen Anschlags reicht einfach nicht aus.“

Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) sieht die Wirtschaft nach dem mutmaßlichen Anschlag in Gefahr. „Wenn der Hintergrund wirklich sein sollte, hier einem Wirtschaftsunternehmen – nämlich Tesla – Schaden zuzufügen, dann hat es natürlich auch Konsequenzen für die gesamte Wirtschaft in Deutschland“, sagte Woidke. Der mutmaßliche Anschlag auf die Strominfrastruktur sei „ein nicht hinnehmbarer Akt der Gewalt“.

Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU) sagte, er gehe von einem Anschlag aus: Sollten sich Erkenntnisse bestätigen, handele es sich um einen „perfiden Anschlag“.

Tesla Fabrik - Stillstand nach Stromausfall

Deutlich sichtbare Brandspuren: Strommast im brandenburgischen Landkreis Oder-Spree

Quelle: dpa/Sebastian Gollnow

Der innenpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Manuel Höferlin, sprach von einem „Angriff auf unsere öffentliche Infrastruktur“. „Es ist erkennbar“, sagte er WELT, „dass es sich bei vielen Gruppierungen nicht um Klimaaktivisten handelt, die sich radikalisiert haben, sondern um linksextremistische Gruppen, die im Deckmantel des Klimaschutzes Anschläge begehen“. Er forderte die Sicherheitsbehörden auf, einen „360-Grad-Blickwinkel auf die Abwehr von Terrorismus und Extremismus“ zu wahren.

Die innenpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Lamya Kaddor, bewertete den Brandanschlag als Anzeichen des allgemeinen Erstarkens extremistischer Kräfte. „Leider erleben wir spätestens seit Oktober ein Erstarken aller Formen des Extremismus, ob links, rechts oder im islamistischen Milieu“, sagte Kaddor WELT. „Gewalt als Mittel der politischen Auseinandersetzung gilt es klar zu verurteilen, egal, mit welchen Motiven sie begangen werden“, sagte Kaddor weiter. „Sabotagen auf die Stromversorgung“ seien „Straftaten“. „Es gilt es jetzt, die Ermittlungen der Behörden abzuwarten.“

Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Bundestagsfraktion, Bernd Baumann, warnte vor einer Radikalisierung linksextremer Klimaaktivisten. Der Anschlag auf Tesla zeige, „dass die Radikalisierung der selbst ernannten Klimaschützer kontinuierlich weitergeht – und dass es den linksextremistischen Tätern nicht wirklich um Klimaschutz, sondern vielmehr um einen politischen Systemumsturz geht“, sagte er WELT. „Das Bekennerschreiben, in dem Elon Musk als ,Techno-Faschist‘ bezeichnet wird, macht dies überdeutlich.“ Von Innenministerin Faeser forderte er, die „linksextremistische Gefahr“ endlich konsequent zu bekämpfen, anstatt sie zu verharmlosen und ihre Zeit mit der Verabschiedung des sogenannten Demokratiefördergesetzes zu „verschwenden“.

Was sagt Tesla-Chef Elon Musk?

Tesla-Chef Elon Musk reagierte angesichts des Produktionsstopps auf den mutmaßlichen Anschlag: „Das sind entweder die dümmsten Ökoterroristen der Welt oder sie sind Marionetten derer, die keine guten Umweltziele haben“, schrieb Musk am Dienstag auf Englisch auf dem Portal X. „Die Produktion von Elektrofahrzeugen anstelle von Fahrzeugen mit fossilen Brennstoffen zu stoppen, ist extrem dumm.“ Dabei schrieb der Tesla-Chef die Wörter „extrem dumm“ auf Deutsch.

Welche Folgen hatte der Stromausfall?

Die Fabrik in Grünheide bei Berlin war am Dienstag evakuiert worden. Einem Bericht der „Märkischen Allgemeinen“ (MAZ) gab es auch einen Einsatz des Kampfmittelräumdiensts. Nach Informationen der „MAZ“ soll in der Nähe des Brandes ein Zelt mutmaßlicher Demonstranten entdeckt worden sein, mit einem Hinweis auf möglicherweise vergrabene Kampfmittel.

Am späten Vormittag wurde die Versorgung der umliegenden Gemeinden wiederhergestellt, teilte der Versorger Edis mit. Ausnahme seien die große Tesla-Industrieanlage selbst sowie ein Logistikzentrum. Edis-Experten bereiteten die Reparatur des beschädigten Hochspannungsmasts vor, hieß es. Die Schadenstelle sei gesichert. Die Reparatur beginne nach Freigabe durch die Ermittlungsbehörden. Zeitweise war in den Gemeinden Freienbrink, Erkner, Neu Zittau, Dahlwitz-Hoppegarten, Neuenhagen, Woltersdorf, Schöneiche und Gosen der Strom ausgefallen.

Fahrzeuge der Feuerwehr und Werkfeuerwehr stehen auf dem Gelände der Tesla-Autofabrik in Grünheide

Feuerwehr auf dem Gelände der Tesla-Autofabrik in Grünheide

Quelle: dpa/Sebastian Gollnow

Aus Protest gegen die geplante Erweiterung des Tesla-Werks in Grünheide hatten Umweltaktivisten in der vergangenen Woche ein nahes Waldstück besetzt. Nach Angaben der Initiativen Robinwood und „Tesla Stoppen“ wurden dort unter anderem Baumhäuser errichtet. Beide Initiativen erklärten am Dienstag, sie seien für den Anschlag nicht verantwortlich. Robinwood sei „eine gewaltfreie Aktionsgemeinschaft für Natur und Umwelt“, hieß es etwa von der Organisation.

Was ist über die Radikalisierung der Klimaszene bekannt?

In Sicherheitskreisen ist die Radikalisierung der Klimaszene ein Thema, das mit enormer Besorgnis beobachtet wird. Linksextreme Gruppierungen und „Mitmachkampagnen“ würden auf das Thema Klimawandel aufsatteln. Zuletzt kam es immer wieder zu Anschlägen auf Infrastruktur und Unternehmen.

In einigen Fällen wurden später Bekennerschreiben veröffentlicht, die Fachleute als authentisch einstufen. Im Februar etwa zündeten Täter im Namen der Kampagne „Switch Off“ zwei Tesla-Fahrzeuge und Ladestationen in Berlin an. „Switch Off“ schrieb: „Die Luft aus den Reifen von dicken Autos lassen? toll. Noch besser: Teslas überall in Flammen aufgehen lassen! Ein paar Grillanzünder und der Frühling kann beginnen!“

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Recherchen von WELT hatten gezeigt, dass sich „Switch Off“ in anderen Schreiben immer wieder an den Formulierungen eines Wissenschaftlers und Aktivisten aus Nordrhein-Westfalen bediente. Dieser stritt auf Anfrage eine Involvierung in die Kampagne ab. Auch der Zusammenschluss „Disrupt now“ brüstete sich zuletzt mit Angriffen auf ein Kieswerk nahe Frankfurt. Für den Mai hat „Disrupt Now“ eine Aktionswoche gegen Tesla angekündigt.


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