Offene Akademie der Münchner Volkshochschule mit neuem Programm. – München

Ziviler Ungehorsam angesichts des Klimawandels, die Risiken und Chancen von Künstlicher Intelligenz, die Grenzen der Wachstumsökonomie, der Krieg in der Ukraine, Demokratie versus Autokratie – die Herausforderungen der Gegenwart und die Fragen, die sich daraus für die Zukunft abzeichnen, sind vielgestaltig. Für Gesprächsstoff und Denkanstöße dürfte ausreichend gesorgt sein an den Vortrags- und Filmabenden, in den Podiumsdiskussionen und Ausstellungen, zu denen die die Offene Akademie der Münchner Volkshochschule ab Anfang September einlädt. Eine Auswahl aus den spannendsten Reihen findet sich im Folgenden.

Autokratische Regime sind weltweit auf dem Vormarsch, Autokratisierungsprozesse längst auch in Europa zu beobachten. Gerät die Demokratie unter Druck? Über diese und andere aktuelle Fragen der deutschen, europäischen und internationalen Politik diskutiert Münchens Alt-Oberbürgermeister Christian Ude mit Gästen aus Politik, Medien und Wissenschaft in der Reihe “Politik der Woche”. Beispielsweise mit Richard C. Schneider, dem langjährigen Israel-Korrespondenten der ARD, der schon 1998 in seinem Buch “Israel am Wendepunkt. Von der Demokratie zum Fundamentalismus” konstatierte: “Die einzige Demokratie des Nahen Ostens scheint in einem bedrohlichen Auflösungsprozess begriffen.”

Doch wie ist die Situation in Israel heute zu verstehen, in der ein zerrissenes Land von einer Koalition regiert wird, der rechtsradikale ultrareligiöse Parteien angehören? An weiteren Abenden ist Nino Galetti zu Gast, der für die Konrad-Adenauer-Stiftung von Rom aus das politische Geschehen in Italien analysiert. Von ihm will Christian Ude wissen “Wohin steuert Italien unter Georgia Meloni?” (Mi. 10.1. 24). Und mit dem Politikwissenschaftler Stephan Bierling, einem der angesehensten deutschen USA-Kenner, diskutiert er über “Die USA im Jahr der Präsidentschaftswahlen – Donald Trump zum Zweiten?” (7.2. 24). by

Niko Paech wurde vor zehn Jahren mit seinem Buch “Befreiung vom Überfluss” zum führenden Vordenker der Postwachstumsökonomie im deutschsprachigen Raum (hier 2020 bei einem Vortrag im Kasseler Kulturzentrum).

(Foto: Hartenfelser /imago images/)

Mehr vom Weniger

Immer höher, schneller, weiter – dieses Wachstumscredo steht längst in der Kritik. Braucht es angesichts von Klimawandel, Artensterben und Ressourcenknappheit nicht weniger statt mehr? “Souverän ist nicht, wer viel hat, sondern wer wenig braucht”, stellte Niko Paech vor zehn Jahren in seinem Buch “Befreiung vom Überfluss” fest – und wurde damit zum führenden Vordenker der Postwachstumsökonomie im deutschsprachigen Raum.

Wenn Paech über eine “Wirtschaft ohne Wachstum” spricht (13.11.), ist er sicher einer der prominentesten Vertreter der brisanten Reihe “Mehr vom Weniger – Perspektiven auf eine Postwachstumswelt”. Doch der Ruf nach “Weniger” wirft zu Recht Fragen bei denen auf, die ohnehin schon wenig haben. Welche Rolle spielt also das Thema Gerechtigkeit zwischen Arm und Reich, globalem Süden und Norden, Geschlechtern und Generationen bei der sogenannten Degrowth-Debatte – der Idee, unseren Ressourcenverbrauch so zu verringern, dass ein gutes Leben für alle auf einem endlichen Planeten möglich ist? Dieses Konzept beleuchtet der Soziologe Dennis Eversberg (23. Oktober), bevor sich dann der Berliner Politikwissenschaftler und Autor Philipp Lepenies dem Thema “Verzicht als Pflicht? Staat und Demokratie an den Grenzen des Wachstums” widmet (27.11.). Ganz praxisnahe Ideen zum Thema verspricht der “Slam der guten Ideen”: Die acht Referenten stellen in jeweils acht Minuten ihre Konzepte zu Mehr vom Weniger vor und diskutieren sie anschließend mit dem Publikum in kleinen Tischgruppen. (27. 2. 24). by

Herbstprogramm der Offenen Akademie der VHS startet: Sprachmodelle wie Chat-GPT haben in die digitalen Welten Einzug gehalten, seitdem stehen sie im Mittelpunkt medialer und politischer Diskussionen.

Sprachmodelle wie Chat-GPT haben in die digitalen Welten Einzug gehalten, seitdem stehen sie im Mittelpunkt medialer und politischer Diskussionen.

(Foto: Christian Ohde/Imago)

KI: Risiken und Potenziale

Was wir heute tun und lassen, prägt die Welt, in der wir morgen leben werden. Gleich drei Vorträge hält der Zukunftsforscher, Biophysiker und Autor Ulrich Eberl zu den wichtigsten technologischen Trends und Problemfeldern der kommenden Jahrzehnte, übertitelt “Zukunft 2050” (21./28. 11. und 5. 12. ): Dazu gehören die Chancen, Grenzen und Gefahren der Künstlichen Intelligenz ebenso wie Überlegungen zur “Smarten Landwirtschaft”.

Sprachmodelle wie Chat-GPT, GPT-4 und Googles Bard haben in die digitalen Welten Einzug gehalten, seitdem stehen sie im Mittelpunkt medialer und politischer Diskussionen: Reinhard Heil und Jascha Bareis vom Institut für Systemanalyse in Karlsruhe erläutern in ihrem Vortrag die Funktionsweise von text- und bildgenerierenden Verfahren und diskutieren konkrete Risiken und Potenziale anhand von gesellschaftlichen Anwendungsfeldern (4. 10.). Einen anderen Ansatz verfolgen die Sozialphilosophin Nejma Tamoudi und der Utopieforscher Peter Seyfarth in ihrem Podiumsgespräch “Zukunftserzählungen”: Dahinter steht ein Konzept, das verspricht, die Fähigkeit zu fördern, uns verschiedene Zukünfte vorzustellen, um konkrete Utopien für die Zivil- und die Stadtgesellschaft zu finden (16.11.). by

Herbstprogramm der Offenen Akademie der VHS startet: Ziviler Ungehorsam - welcher Widerstand ist legitim? Während sich Wissenschaftler Ende August mit Vertretern der "Last Generation" am Siegestor in München mit einer Presseerklärung solidarisierten, blockierten die Klimaaktivisten die Straße.

Ziviler Ungehorsam – welcher Widerstand ist legitim? Während sich Wissenschaftler Ende August mit Vertretern der “Last Generation” am Siegestor in München mit einer Presseerklärung solidarisierten, blockierten die Klimaaktivisten die Straße.

(Foto: Catherina Hess)

Gerechtigkeit im Ungerechten

Es ist wie so oft im Leben: Vieles ist ungerecht. Aber bei der Klimakrise erreicht diese Ungerechtigkeit ihren Höhepunkt. Die Personen, die wenig zur Erwärmung unseres Planeten beitragen, bekommen die Folgen am stärksten zu spüren. Bei dem 17. Münchner Klimaherbst wird genau diese Menschen eine Stimme gegeben. Den Auftakt macht ein interaktives Format im Kunstlabor 2 (6.10.), wo neben starken Stimmen auch Poetry Slams auf der Bühne vertreten sind.

In einem Vortrag (9.10.) widmet sich der Sozialethiker Markus Vogt der Frage, warum die Klimagerechtigkeit uns alle etwas angeht. Am 17.10. wird es dann ernst für alle Münchnerinnen und Münchener: Vier umweltpolitische Sprecherinnen und Sprecher der Münchner Stadtrat-Fraktionen diskutieren mit Expertinnen und Experten über Bayerns Landeshauptstadt. Wer ist – in München und global – am stärksten betroffen, und wie kann die Stadt genau diese Menschen unterstützen? Was muss getan werden, damit München auch für zukünftige Generationen lebenswert bleibt? Der Klimaherbst gipfelt in einem Podiumsgespräch (20.10.) zu einem Thema, das in der Debatte wohl am meisten polarisiert: Ziviler Ungehorsam. Auf Straßen, auf Gemälden, mit Sekundenkleber und Tomatensuppe – welcher Widerstand ist legitim? winle

Herbstprogramm der Offenen Akademie der VHS startet: In seinem dokumentarischen Porträt "I am Greta" (Schweden 2020) erzählt Nathan Grossmann die Geschichte der jungen Klimaaktivistin Greta Thunberg auf ihrem Weg zur Berühmtheit mit globalem Einfluss.

In seinem dokumentarischen Porträt “I am Greta” (Schweden 2020) erzählt Nathan Grossmann die Geschichte der jungen Klimaaktivistin Greta Thunberg auf ihrem Weg zur Berühmtheit mit globalem Einfluss.

(Foto: Nathan Grossman)

Visionen auf der Leinwand

Die Reihe “Green Visions”, die bei freiem Eintritt Dokumentarfilme zu Umwelt- und Nachhaltigkeitsthemen aus aller Welt zeigt, fand in der vergangenen Saison beim Publikum so großen Anklang, dass sie auch im Herbst fortgeführt wird. Den Anfang macht der preisgekrönte Doku-Krimi “The Climate Trials” (Niederlande 2022). Darin begleitet der Filmemacher Nic Balthazar den Anwalt Roger Cox, der im Namen von 17 000 Bürgern und Bürgerinnen die niederländische Regierung und den Ölgiganten Shell verklagt, die aus seiner Sicht wissentlich das Klima und damit die Zukunft aufs Spiel setzen (10.10.).

“I am Greta” von Nathan Grossmann wiederum ist ein intimes dokumentarisches Porträt (Schweden 2020), das die Geschichte der jungen Klimaaktivistin Greta Thunberg auf ihrem Weg zur Berühmtheit mit globalem Einfluss erzählt – vom Ein-Personen-Schulstreik vor dem schwedischen Parlament bis zu ihrer Rede auf dem UN-Klimagipfel in New York City (14.11.). Im Anschluss stehen Diskussionen mit Experten vom Dokumentarfilmfestival München und von Vertretern von Fridays for Future München auf dem Programm. by

Herbstprogramm der Offenen Akademie der VHS startet: Mit Werken wie den Ballettschuhen mit Sankt-Georgs-Band von Anna Avits ("Russian Dance") zeigen Künstlerinnen und Künstler ihre Perspektiven im Ukraine-Krieg in der Ausstellung der Aspekte Galerie.

Mit Werken wie den Ballettschuhen mit Sankt-Georgs-Band von Anna Avits (“Russian Dance”) zeigen Künstlerinnen und Künstler ihre Perspektiven im Ukraine-Krieg in der Ausstellung der Aspekte Galerie.

(Foto: Dirk Eisel)

Krieg und Trauma, Liebe und Kultur

Krieg, Trauma, Exil und Ohnmacht. Die Realität in der Ukraine ist hart, brutal. Wie lassen sich Gedanken, Perspektiven und Stimmen um diesen Krieg künstlerisch aufarbeiten? In der Ausstellung der Aspekte Galerie der Münchner Volkshochschule (26.10. – 28.1.) zeigen internationale (auch ukrainische) Künstlerinnen und Künstler ihre Antworten. Im November (22.11) führt die Kuratorin Xenia Fumbarev durch die Ausstellung. Die Kunsthistorikerin Olena Balun ergänzt die Schau durch einen Vortrag über die Ukrainische Moderne und Avantgarde (19.1.).

“Eine Brücke aus Papier” wird bei einem Treffen ukrainisch-deutscher Schriftstellerinnen und Schriftsteller von München in die Westukraine geschlagen (27.10.). Das macht die Autorin Oksana Stomina etwa, in dem sie aus ihrem Buch “Mariupol. Tagebuch einer Überlebenden” vorliest. Am gleichen Ort, ein paar Tage später (30.10.) liefert Wolfgang Benz, Leiter des Zentrums für Antisemitismusforschung der Technischen Universität Berlin, einen Vortrag. Er wird in die Geschichte der deutschen Besatzungsherrschaft in der Ukraine eintauchen und einen Bogen in die Gegenwart spannen. Und es gibt Ukrainisch zum Verlieben: Elena Graf vom Institut für Slavische Philologie der LMU München wird Einblicke in die melodische Sprache und die besondere Kultur geben (3.11.): Außerdem liest die Schriftstellerin Natalka Sniadanko aus ihrem jüngsten Roman vor: “Der Erzherzog, der den Schwarzmarkt regierte, Matrosen liebte und mein Großvater wurde.” winle

Herbstprogramm der Offenen Akademie der VHS startet: Wie sieht das Leben der Menschen in Afghanistan nach der Machtübernahme der Taliban aus? Die Fotografin Alea Horst stellt Bilder wie dieses in ihrer Ausstellung im Stadtteilzentrum Moosach vor.

Wie sieht das Leben der Menschen in Afghanistan nach der Machtübernahme der Taliban aus? Die Fotografin Alea Horst stellt Bilder wie dieses in ihrer Ausstellung im Stadtteilzentrum Moosach vor.

(Foto: Alea Horst)

Bilder aus Afghanistan

Aus Afghanistan ist seit der Machtübernahme durch die Taliban vor allem zu hören: von den humanitären und menschenrechtlichen Folgen. Von den dramatischen Einschränkungen für Frauen und Mädchen. Von den willkürlichen Verhaftungen. Doch bald sind die Geschichten der Menschen in Afghanistan auch zu sehen. Die Fotografin Alea Horst zeigt visuelle Eindrücke aus dem Land. Ihre dokumentarische Fotoausstellung wird am 16. November im Stadtteilzentrum Moosach eröffnet, dabei stellt sich auch die “Banu-Initiative München für Afghanische Frauen und Kinder” vor. Ihre Gründerin Gulalai Ghauss hat Essays über Schicksale aus dem Land geschrieben, von denen Schauspielerin Tinka Kleffner vorliest. Auch der Verein “Ein Herz für Afghanistan” berichtet an diesem Abend von seiner Arbeit.

Begleitet wird die Ausstellung von Vorträgen zu den grundlegenden Schriften des Islam (20.11), problematischen Interpretationen des Islams und möglichen Lösungen (27.11.), der Vielfalt des Islams (04.11.) und den Taliban (26.2.). Ihre Musik widmen die Sängerin Perim Ozan und der Gitarrist Ömer Dogruer in einem Konzert (23.11.) jenen Mädchen und Frauen in Afghanistan, deren Lebenswelten in der Fotoausstellung zu sehen sind. winle

Offene Akademie der Münchner Volkshochschule, ab 1. September, Einstein 28 und Gasteig HP8, Programm und Anmeldung unter 089/48006-6239 und www.mvhs.de

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