Nasa schickt Proben von Asteroid „Bennu“ nach Frankfurt – „Wirklich sensationell“

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Frank Brenker bekommt von der Nasa eine Probe des Asteroiden „Bennu“ zur Analyse geschickt. Bereits bekannt ist, dass darin Wasser gefunden wurde.

Frankfurt – Viele Jahre musste sich die Wissenschaft in Geduld üben – nun ist es endlich so weit: Nachdem die US-Raumfahrtorganisation Nasa vor fast genau drei Jahren mit der Raumsonde „Osiris-Rex“ Proben vom Asteroiden „Bennu“ genommen hat, sind diese vor einigen Wochen endlich auf der Erde angelangt. Jetzt trennen Forscherinnen und Forscher des Voruntersuchungsteams nur noch einige Tage von den wertvollen Gesteinsbröckchen aus dem All.

Einige Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler konnten die Gesteinsproben bereits vorab untersuchen – und entdeckten „reichlich Kohlenstoff und Wasser“ in der Probe, wie es bei der Nasa heißt. Für einen genaueren Blick auf das Asteroiden-Material schickt die US-Raumfahrtorganisation Proben an mehrere Labore weltweit. Eins der wertvollen Päckchen schickt die Nasa auch nach Frankfurt, zum Geowissenschaftler Frank Brenker, der diese gemeinsam mit seinem Team im Schwiete Cosmochemistry Laboratory an der Goethe-Universität untersuchen wird. Brenkers Team hat zuvor bereits eine Probe des Asteroiden „Ryugu“ untersucht, das die japanische Raumfahrtorganisation Jaxa 2020 zur Erde geholt hatte.

Nasa schickt Probe von Asteroid „Bennu“ in ein Labor nach Frankfurt

Im Interview erklärt Brenker, warum er etwas länger auf die Asteroiden-Probe warten muss, welche elementare Frage die Gesteinsbröckchen beantworten sollen und wieso man Gesteinsproben von einem Asteroiden für 300 Millionen Euro aus dem Weltall holen muss, statt Meteoriten zu untersuchen, die von alleine auf die Erde gestürzt sind.

Das Bild der Nasa zeigt die Außenseite des Probemsammlers von Osiris-Rex mit Proben von Asteroid „Bennu“. © Nasa/AFP

Herr Brenker, Sie bekommen in Kürze von der Nasa Material vom Asteroiden “Bennu” zur Untersuchung. Wissen Sie schon, wann das Paket aus den USA ankommt?

Ja, das weiß ich ungefähr. Es hat sich jetzt ein bisschen verschoben. Eigentlich war geplant, dass wir das Ganze bereits am 19. Oktober bekommen. Und jetzt wird es wahrscheinlich Anfang November werden. Offensichtlich hat man auf der Außenhülle des Probencontainers mehr Material gefunden als erwartet. Das musste erst mal kategorisiert werden. Diese Zeit war gar nicht eingeplant, weil man dachte, dass da nur ein bisschen Staub drauf sein würde.

In diesem Fall warten Sie vermutlich gerne etwas länger?

Genau, das hat auch immense Vorteile. Wir werden dadurch wahrscheinlich auch viel mehr Material zur Verfügung haben, als wir ursprünglich geplant hatten. Die Probenmenge scheint insgesamt sehr hoch zu sein. Aber dass jetzt sogar schon außerhalb der eigentlichen Probenkapsel so viel Material lag, das war schon eine echte Überraschung.

Labor in Frankfurt bekommt Asteroiden-Material von der Nasa

Haben Sie schon eine Ahnung, wie viel Sie da bekommen, wie schwer wird die Probe ungefähr sein?

Wir wissen ziemlich genau, was in der ersten Runde kommt. Das werden 100 Milligramm sein. Und das ist auch wirklich nur als erster Schnellschuss gedacht. Die sogenannte “Quick Look Sample”, ist einfach dafür da, dass wir unsere Messungen erstmal schnell durchführen können, in einem wirklich sehr kurzen Zeitfenster. Die Nasa erwartet unsere ersten Daten schon Ende November.

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Aber Sie haben es ja wahrscheinlich auch selbst eilig und wollen wissen, was Sie vor sich liegen haben.

Ja, das ist super spannend. Wenn die Proben da sind, will man natürlich am liebsten gleich loslegen. Wir warten mit großer Aufregung darauf, dass die Proben endlich zu uns kommen.

Was ist das für ein Gefühl, Gesteinsproben von einem weit entfernten Asteroiden zu bekommen und sie dann untersuchen zu dürfen?

Ja, das ist immer wieder spektakulär. Wir haben quasi an allen Proben-Rücktransportmissionen teilgenommen, die es seit „Apollo“ gab und waren auch immer im Voruntersuchungsteam. Das heißt, es stellt sich natürlich für mich fast so ein bisschen Routine ein. Das war vielleicht beim ersten Mal noch aufregender. Vor kurzem haben wir erst von der japanischen Weltraumorganisation von einem recht ähnlichen Asteroiden Material bekommen. Dennoch ist es trotzdem immer wieder wirklich sensationell.

Es gibt sehr, sehr hochauflösende Aufnahmen der Oberfläche von „Bennu“ und man kann tatsächlich auch genau sehen, wo die Proben genommen wurden. Da sieht man so einen kleinen Eindruck auf der Oberfläche. Und es ist nicht nur so eine kleine Delle, die man da sieht, sondern man sieht jedes Körnchen, jeden Krümel, der an der Stelle liegt. Man kann sich also super vorstellen, woher diese Proben stammen. Wenn man das vor Augen hat und weiß, jetzt kommt das Paket hierher und ich habe genau diese Körner von diesem Himmelsobjekt – das ist schon sensationell, wenn man diesen Zusammenhang herstellen kann.

Der Frankfurter Geowissenschaftler Frank E. Brenker hat 2006 ein Kometenstaubkorn der Nasa-Mission „Stardust“ ausgewertet und auch an weiteren Probenrückhol-Missionen teilgenommen. (Archivbild von 2006)
Der Frankfurter Geowissenschaftler Frank E. Brenker hat 2006 ein Kometenstaubkorn der Nasa-Mission „Stardust“ ausgewertet und auch an weiteren Probenrückhol-Missionen teilgenommen. (Archivbild von 2006) © Frank May/dpa

Forschungsteam aus Deutschland hat direkten Kontakt zur Nasa

Sie haben bestimmt mitverfolgt, wie die Probe vor drei Jahren genommen wurde. Das war doch sicher sehr aufregend, oder?

Genau. Wir haben eigentlich jeden Schritt begleitet. Dadurch, dass wir im Voruntersuchungsteam sind, haben wir immer einen direkten Kontakt zur Nasa. Das war jetzt auch bei der Landung so, dass wir mit einem direkten Zoom-Link quasi Zugang zum Control Room hatten, wo dann die Leute saßen und wir mit ihnen gemeinsam die Landung angeschaut haben. Die Nasa hat sehr viel Wert darauf gelegt, die ganzen Teammitglieder wirklich in jeden Entscheidungsprozess mit einzubeziehen. Das macht es für uns auch noch mal viel spektakulärer, finde ich.

Was werden Sie mit den Gesteinsproben als Erstes machen, wenn sie angekommen sind? Welche Analyseverfahren setzen Sie ein?

Wir sind spezialisiert auf zwei verschiedene Techniken, für die man von der Nasa zertifiziert werden muss. Wir haben ganz frisch in Frankfurt das Schwiete Cosmo Lab dafür eingerichtet, in dem wir mit Transmissionselektronenmikroskopie arbeiten. Und das erlaubt uns jetzt, mit atomarer Ortsauflösung die chemische Zusammensetzung und die Struktur des Materials zu bestimmen. Das ist das Erste, was wir direkt vor Ort machen werden.

Wir arbeiten dann noch an zwei sogenannten Synchrotronquellen, am DESY in Hamburg und am ESRF in Grenoble. Das sind zwei Elektronenbeschleuniger-Ringe, die eine hochenergetische Röntgenstrahlung erzeugen und mit der kann man Proben durchleuchten. Das haben wir in der Vergangenheit schon mit anderen Proben gemacht, denn da kann man etwas über die chemische Zusammensetzung lernen und die Struktur. Das ist wie eine Röntgenaufnahme, die wir von den Körnern aufnehmen, aber mit nicht nur einem Schwarz-Weiß-Bild, also niedrige und hohe Dichte, was man normalerweise von einem von dem Röntgenbild kennt, sondern wir können das in die unterschiedlichen chemischen Elemente aufschlüsseln. Wir können zum Beispiel ein Röntgenbild von der Kalzium-Verteilung aufnehmen oder ein Röntgenbild von Eisen. Das hilft uns, diese Probe zu verstehen.

Die Nasa-Raumsonde „Osiris-Rex“ hat diesen Blick auf die Oberfläche des Asteroiden „Bennu“ vor der Probenentnahme gemacht. Auf dem Bild sind einzelne Bröckchen zu erkennen. (Archivbild)
Die Nasa-Raumsonde „Osiris-Rex“ hat diesen Blick auf die Oberfläche des Asteroiden „Bennu“ vor der Probenentnahme gemacht. Auf dem Bild sind einzelne Bröckchen zu erkennen. (Archivbild) © NASA/Goddard/University of Arizona

Es sind noch mehrere andere Forschungsteams mit dem Material von „Bennu“ beschäftigt. Welche Fragen wollen Sie konkret in Frankfurt beantworten?

Wir sind in verschiedene Teams eingeteilt und wir sind in der Arbeitsgruppe „Mineralogie und Petrologie“. Unsere Aufgabe ist es, die Mineralzusammensetzung zu bestimmen und in der Kombination mit den strukturellen Informationen die Geschichte dieses Asteroiden zu rekonstruieren. Wir können Temperaturentwicklungen nachvollziehen oder maximale Drucke, die das Material gesehen hat. Wir können sehen, welche Mineralumbildungen gibt es. In Kombination mit anderen Arbeitsgruppen können wir dann zum Beispiel auch sagen, wann das passiert ist. Damit kann man eine gesamte Rekonstruktion der Asteroidenentwicklung erstellen. Es ist ganz wichtig, diese Geschichte zu kennen. Natürlich auch um der Geschichte selbst willen, aber auch deshalb, weil wir auch der Frage nachgehen „Können, wir etwas aussagen über das Asteroidenmaterial bezogen auf die Bildungsbedingungen der Bausteine des Lebens?“

Forscher finden Karbonat-Adern auf „Bennu“ – Hinweis auf Wasser auf dem Asteroiden

Was erwarten Sie von „Bennu“ im Vergleich zum Asteroiden „Ryugu“, dessen Material Sie auch schon analysiert haben? Wird das Material ganz anders sein oder dem von „Ryugu“ ähneln?

Tja, da müssen wir natürlich ein bisschen darauf warten, was wirklich dabei herauskommt. Klar, bezogen auf die Messungen, die auf dem Asteroiden selber durchgeführt wurden, kann man sagen, es ist ähnlich, aber es hat auch Komponenten, die völlig anders sind. Wir sehen manche Prozesse schon auf der Oberfläche des Asteroiden, die wir auf „Ryugu“ nicht in der Form gesehen haben. Zum Beispiel gibt es die Bildung von Karbonat-Adern auf „Bennu“, was wirklich erstaunlich ist, weil das heißt tatsächlich, man hatte wässrige Fluide, also wirklich Wässer, die durch dieses Gestein durchgesickert sind und dann diese Ablagerung gebildet haben. Die sind zum Teil sehr massiv und wir erhoffen uns natürlich, dass wir von diesen Prozessen auch etwas sehen können in unseren Proben. Das ist nämlich sicherlich ein Prozess, der nicht erst in jüngerer Zeit passiert ist, sondern er muss passiert sein, als das Objekt noch sehr viel größer und fester war, damit man überhaupt diese Flüssigkeiten lösen kann und die nicht sofort in eine Gasphase übergehen.

Was dürfen Sie mit dem Material eigentlich machen? Dürfen Sie es verändern oder bearbeiten? Oder muss es so bleiben, wie Sie es bekommen?

Das ist in der Tat sehr unterschiedlich. Bei den ersten Körnern, die wir bekommen, diesen 100 Milligramm, da dürfen wir selbst Hand anlegen, also auch polieren und so weiter. Das werden wir auch tun. Bei der zweiten Runde von Proben, wo es dann darum geht, dass man die spannendsten großen Körner herausnimmt aus dem Probenkanister, da wird es dann darum gehen, dass diese von vielen Instituten und vielen Laboren in der Welt gemessen werden. Alle arbeiten dann an der gleichen Probe und die wird von Labor zu Labor geschickt. Da werden die präparativen Maßnahmen alle in Houston durchgeführt, da dürfen wir gar nichts machen. Wir bekommen es, können dann die Proben, so wie wir sie bekommen, in unsere Instrumente stecken und schicken sie dann auch möglichst unbeschädigt wieder zurück.

Dürfen Sie die erste Probe, die Sie bekommen, im Labor behalten? Oder geht sie auch wieder an die Nasa zurück?

Nein, es geht immer alles wieder zurück.

Asteroid Bennu
Dieses undatierte Bild der NASA zeigt den Asteroiden Bennu aus der Perspektive der Raumsonde Osiris-Rex. © -/NASA/Goddard/University of Arizona/CSA/York/MDA/dpa

Warum holt man für viel Geld Asteroiden-Material aus dem Weltall?

Warum muss man eigentlich Asteroiden-Material mit viel Geld- und Zeitaufwand aus dem Weltall holen, wenn es auch als Meteorit auf die Erde fällt? Gibt es einen Unterschied bei dem Material?

Es gibt zwei ganz wesentliche Punkte, die da eine Rolle spielen. Und ich glaube, der erste war die Motivation, überhaupt hinzufliegen. Sie haben völlig recht, wir haben Meteoritenstücke auf der Erde, die auch von Asteroiden stammen, die wahrscheinlich dem sehr ähnlich sind, was jetzt geholt wurde. Aber wir gehen ja hier extrem zentralen Fragen nach. Zum Beispiel: Finden wir Bausteine des Lebens schon auf Asteroiden? Werden die dort angelegt? Das ist eine ganz wichtige Frage – wenn das bejaht wird, dann bedeutet das auch, dass die Bildung von Leben auch in unserem eigenen Sonnensystem überall möglich ist. Dann ist es sehr wahrscheinlich, dass wir Leben nicht nur auf der Erde finden, sondern auch auf anderen Himmelskörpern.

Wenn ich eine absolut zentrale Frage habe, dann muss ich mir auch bei meiner Antwort extrem sicher sein. Jetzt habe ich diese Brocken auf der Erde liegen und kann Untersuchungen daran durchführen. Das wurde ja auch in der Vergangenheit schon durchgeführt und an diesen Proben sehe ich, dass ich einen Zoo von organischen Bestandteilen habe, der sich in diesen Asteroiden bildet. Ich sehe eine Riesenanzahl von verschiedenen Aminosäuren. Ich sehe sogar viele Bausteine unserer DNA, die in diesem Asteroiden schon vorliegen. Wenn das alles stimmt, dann können wir eigentlich mit Sicherheit sagen, dass dieses Material von außen eingetragen wird und wir müssen davon ausgehen, dass wir zum Beispiel auf dem Mars in der Frühphase auf jeden Fall Bildung von Organismen hatten. Wenn diese Bausteine da sind, dann können wir quasi gar nicht verhindern, dass sich Lebensformen bilden.

Sehr spannend.

Jetzt wird aber jeder Kritiker daherkommen und sagen „Na ja, warum könnt ihr euch da so sicher sein, dass das, was ihr da seht, auf dem Asteroiden passiert ist und nicht erst auf der Erde?“ Schließlich fliegt das Material, wenn es an der Erde ankommt, ja erstmal durch die Atmosphäre. Da wird es sehr stark aufgeheizt. Es hat natürlich dort eine Chance, mit der Atmosphäre selbst zu reagieren. Das tut es auch. Es fällt dann zur Erde runter und dann fällt es mir selten vor die Füße. Dann dauert es noch einen Moment, bis man das Material eingesammelt hat. Bis es eingesammelt wird, haben Sie eine tagelange Wechselwirkung der Probe mit dem Luftsauerstoff auf der Erde und natürlich auch mit Luftfeuchtigkeit. Auch Wasserstoff reagiert mit dem Material und das verändert organische Verbindungen. Es verändert eventuell auch das Verhältnis der Isotope im Wasserstoff.

Das heißt, diese zentralen Fragen, die ich nachher beantworten will, für die bekomme ich kein eindeutiges, klares Signal mehr, weil ich nicht mehr weiß, wie stark es wirklich beeinflusst wurde durch diese Prozesse, die dann auf der Erde ablaufen. Und deshalb brauche ich, um diese zentralen Fragen einwandfrei klären zu können, Material, das diesen Bedingungen auf der Erde nicht ausgesetzt war, sodass ich wirklich ausschließen kann, dass es irgendeine Wechselwirkung gab zwischen dem Material und der Erde.

In einem Labor der Nasa in Houston wird Asteroiden-Material von der eigentlichen Kapsel, in der sich die Probe befindet, gesammelt.
In einem Labor der Nasa in Houston wird Asteroiden-Material von der eigentlichen Kapsel, in der sich die Probe befindet, gesammelt. © dpa/NASA

Warum mit den Asteroiden-Proben so viel Aufwand betrieben wird

Das klingt gerade so, als ob Sie die Frage nach dem Warum öfter zu hören bekommen.

Ja, aber die Frage stellen sich nicht nur Laien. Die stellen wir uns natürlich auch, wenn wir einen Antrag stellen und sagen okay, wir brauchen hier eine Mission, um eine Probe von dem Asteroiden zu holen, und die kostet 300 Millionen Euro. Dann müssen wir uns auch rechtfertigen, auch vor uns selber. Warum machen wir das überhaupt, wenn wir doch so viele Kilogramm schon auf der Erde haben?

Wir müssen das machen, um diese Fragen so deutlich und einwandfrei klären zu können, dass wirklich niemand sagen kann, „Ihr guckt ja gar nicht wirklich auf Prozesse, die auf dem Asteroiden ablaufen“. Das können wir jetzt ausschließen. Und deshalb wird auch so wahnsinnig viel Aufwand damit betrieben, jetzt diese Proben eben nicht dem Luftsauerstoff auszusetzen, sondern das wird alles unter einer Stickstoffatmosphäre gehalten. Die Nasa hat extrem reine Labore aufgebaut in Houston und da wird es auch verpackt. Das wird uns dann auch in konzentrierter Stickstoffatmosphäre geschickt.

Ein Teil der Asteroiden-Proben wird aber gar nicht untersucht, sondern direkt weggeschlossen. Was steckt dahinter?

Ja, das ist auch wirklich ein interessanter Aspekt. Das hat man bei den „Apollo“-Missionen auch schon gemacht, dass man einen Teil der „Apollo“-Proben wirklich 50 Jahre zur Seite gelegt hat – natürlich entsprechend verpackt, gekühlt und in eine Stickstoffatmosphäre gepackt, dass da keine Reaktionen stattfinden. Die hat man 50 Jahre lang gelagert und hat einfach geschaut, was entwickeln wir denn an neuen Methoden innerhalb dieser Zeit? Wir machen ja Riesenfortschritte im Augenblick und wir werden auch Riesenfortschritte in der Zukunft machen. Der Vorteil bei der Geschichte ist dann einfach: Wir wollen ja nicht ständig zu so einem Asteroiden fliegen, Nicht nur, weil es teuer ist, sondern einfach auch, weil der Asteroid möglicherweise in 50 Jahren in einer völlig falschen Position ist. Und natürlich ist es schlauer, wenn man Geld in die Hand nimmt, dass man dann vielleicht irgendwie ein anderes Objekt untersucht und nicht das Gleiche wieder. Deshalb hat man sich darauf geeinigt, dass man Dreiviertel der Probe zur Seite legt für zukünftige Generationen von Wissenschaftlern. Und das ist, glaube ich, ein ganz, ganz spannendes und schlaues Konzept.

Forschung an Asteroid „Bennu“ hilft auch der planetaren Verteidigung

Trägt Ihre Forschung eigentlich auch dazu bei, dass man die Flugbahn von Asteroiden wie „Bennu“ in Zukunft besser bestimmen kann?

Ja, das ist ganz wichtig, dass man Eckdaten sammelt für das Material. Und damit verbunden sind auch Messungen, was zum Beispiel die Härte des Materials angeht, die Brüchigkeit des Materials, der Porenraum, die Dichte. Gerade bei Dichtewerten kann man sich das vorstellen – die gehen direkt ein in die Kalkulation der Flugbahn. Das heißt, in dem Augenblick, wo der Asteroid eine gravitative Wechselwirkung mit einem anderen Objekt hat, ist es total wichtig zu wissen, wie ist dieses Material aufgebaut, damit man die Flugbahn überhaupt vernünftig berechnen kann. Kommt es dann wirklich mal dazu, dass wir uns Sorgen machen müssen, weil ein solches Objekt auf Kollisionskurs mit der Erde ist, dann müssen wir natürlich auch etwas über die Beschaffenheit insgesamt wissen.

Das war tatsächlich in diesem Fall eine Riesenüberraschung, als man an dem Asteroiden ankam und versucht hat, die Proben zu sammeln. Das war ein echtes Problem: Die Probenahmevorrichtung ist fast einen halben Meter in den Asteroiden eingesunken bei der Probennahme. Das hatte man überhaupt nicht erwartet, weil das heißt, die Oberfläche ist nicht nur ein lockerer Verbund, was ja auch schon eine Überraschung war, sondern es ist auch so, dass dieser Verbund so locker und weich ist, dass das wirkt wie eine Art Treibsand. Und man kann sich vorstellen, wenn man sich Mechanismen überlegt, wie man so einen Asteroiden ablenkt von seiner Flugbahn, dann spielt das natürlich eine immense Rolle. Ob es ein festes, solides Objekt ist, was einen großen Zusammenhalt hat oder ob das nur ein ganz lockerer Verbund von Körnern und Felsbrocken ist. Und daraufhin muss ich natürlich meine Strategien anpassen.

Interview: Tanja Banner

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