Mitten in Bayreuth: Weibersterben kein Verderben – Bayern

Als es neulich beim Auftakt der Bayreuther Festspiele heftig schüttete, wurden auf dem Grünen Hügel rasch die Regenschirme aufgespannt. Im Internet sowie in Revolverblättern kursierten sogleich Fotografien, die den Verdacht nährten, als hätten einige Politiker ihre Frauen im Regen stehen lassen und nur sich selbst beschirmt. Im Fokus der Häme stand Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger, der wiederum eine Filmaufnahme ins Netz stellte, auf der zu erkennen war, dass die Anwürfe ein Schmarrn waren. Seine Lebensgefährtin fand sehr wohl Obdach unter dem Schirm.

Die Empörten hatten in diesem Fall schneller zugeschlagen, als Lucky Luke seinen Colt zieht, dabei aber vergessen, genau hinzuschauen. Vermutlich war ihnen stattdessen ein alter Spruch über das Geschlechterverhältnis auf dem Land eingefallen: “Weibersterben kein Verderben, Rossverrecken mag die Bauern schrecken!”

Reichlich naiv ist der Gedanke, Aiwangers Lebensgefährtin Tanja Schweiger würde sich einfach so wegschieben lassen, um allein im Regen zu stehen. Als Landrätin von Regensburg wirkt sie in Stresslagen wie etwa der Unterbringung von Flüchtlingen jedenfalls alles andere als hilflos.

Gänzlich anders schaute das noch bei der Herzogin Sophie aus, die im Gegensatz zu Schweiger tatsächlich ein Opfer war. Als sie sich mit dem narrischen König Ludwig II. verlobte, ahnte sie nicht, dass dieser sie mitten in der rauschenden Feier einfach verlassen und sich aus dem Staub machen würde.

Natürlich gibt es seit jeher Großkopferte und Kleingeister in großer Zahl, die ihre Partnerinnen gerne im Regen stehen lassen. Marie Valerie, die Tochter der österreichischen Kaiserin Sisi, hielt im Tagebuch fest, ihre Mama könne nie begreifen, “wie man sich die Ehe wünschen und von derselben Gutes erwarten kann.” Dass Tanja Schweiger in Bayreuth unter dem gemeinsamen Schirm herzhaft lachte, könnte zumindest ein Beleg sein, dass sogar in Partnerschaften Momente des Glücks möglich sind.

In einem Buch der Autorin Magdalena Stöckl findet die Klingseisin Erwähnung. Diese wäre überglücklich gewesen, wenn sie einmal auf dem Grünen Hügel stehen hätte dürfen und vom Regen ein bisserl nass geworden wäre. Mit 40 war sie vor lauter Arbeit ausgemergelt, bald darauf ist sie gestorben. Auf dem Totenbett, schreibt Stöckl, sei ein Strahlen auf ihrem Gesicht gewesen wie zu Lebzeiten nie.

Über das Scheißleben solcher Frauen hat sich von den Tugendbolden im Internet noch keiner aufgeregt.

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