Liveblog: ++ UN sorgen sich um Menschenrechte in Russland ++


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Stand: 18.09.2023 10:37 Uhr

Die Vereinten Nationen beobachten seit dem Einmarsch in die Ukraine eine verschärfte Menschenrechtslage in Russland. Die Ukraine erobert nach eigenen Angaben pro Woche rund sieben Quadratkilometer zurück. Alle Entwicklungen im Liveblog.

Ein Experte der Vereinten Nationen hat erklärt, dass sich die Menschenrechtslage in Russland seit dem Einmarsch in die Ukraine im Februar letzten Jahres erheblich verschlechtert hat. Er sprach von einem “systematischen Durchgreifen” gegen Organisationen der Zivilgesellschaft.

“Die russischen Behörden haben die Vereinigungs-, Versammlungs- und Meinungsfreiheit sowohl online als auch offline stark eingeschränkt und die Unabhängigkeit der Justiz und die Garantien für ein faires Verfahren grundlegend untergraben”, heißt es in einer Kopie des Berichts, die Reuters vorliegt. “Eine Reihe von Verwaltungssanktionen wird willkürlich gegen Andersdenkende verhängt und Gewalt gegen friedliche Demonstranten angewandt”, hieß es.

Der Bericht des Sonderberichterstatters ist das erste Mal, dass der 16 Jahre alte Menschenrechtsrat (HRC) beauftragt wurde, die Menschenrechtsbilanz eines seiner so genannten “P5”-Mitglieder zu untersuchen, die einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat haben. Von der russischen diplomatischen Vertretung in Genf gab es keine unmittelbare Stellungnahme.

Die Ukraine plant, Polen, Ungarn und die Slowakei wegen ihrer Verbote für ukrainische Agrarprodukte zu verklagen, zitierte Politico den ukrainischen Handelsbeauftragten Taras Kachka in einem Interview. Er sagte, die Ukraine könne auch gegen Polen Gegenmaßnahmen ergreifen, wenn Warschau seine zusätzlichen Maßnahmen nicht aufgibt. “Wir wären gezwungen, Vergeltungsmaßnahmen für die zusätzlichen Produkte zu ergreifen, und würden die Einfuhr von Obst und Gemüse aus Polen verbieten”, zitierte ihn Politico.

Bei der jährlichen Konferenz Clinton Global Initiative von Ex-Präsident Bill Clinton, seiner Frau Hillary und Tochter Chelsea soll offiziell eine Organisation zur humanitären Unterstützung der Ukraine bekanntgegeben werden.

Das CGI Ukraine Action Network geht auf eine Zusammenarbeit zwischen Ex-Außenministerin Hillary Clinton und der ukrainischen First Lady Olena Selenska zurück. Damit soll zu neuen Zusagen für die Ukraine beigetragen werden, wie die Clinton Global Initiative mitteilte. Die Konferenz sollte heute in New York beginnen. Neben der neuen Organisation zur Unterstützung von Nonprofit-Organisationen in der Ukraine sollen am Dienstag auch zahlreiche finanzielle Zusagen für das Land bekanntgegeben werden.

An der Konferenz sollen führende Vertreter aus der Politik, Geschäftswelt und gemeinnütziger Arbeit teilnehmen. “Der Fokus wird darauf liegen, was wir tun können, nicht darauf, was wir nicht tun können”, teilten die drei Clintons in einem Brief an Unterstützer der Konferenz mit. Zur Eröffnung der Konferenz sollen Papst Franziskus und Bill Clinton über den Klimawandel, die Flüchtlingskrise und andere führende Themen sprechen.

Bei nächtlichen Drohnenangriffen sind nach ukrainischen Angaben zwei Menschen in der Region südlich von Cherson getötet worden. Vier weitere Menschen seien bei dem Angriff auf die Stadt Beryl verletzt worden, erklärt der Gouverneur der Region, Olexandr Prokudin. Auch der Distrikt um den Donau-Hafen Ismajil ist nach Angaben des örtlichen Gouverneurs Ole Kipper Ziel von Angriffen gewesen. Elf Drohnen seien abgeschossen worden, eine Freizeiteinrichtung in der Kleinstadt Wylkowe sei getroffen worden.

Russland hat nach Einschätzung britischer Militärexperten zum wiederholten Mal unter Druck geratene Einheiten im ukrainischen Gebiet Saporischschja mit Luftlandetruppen verstärkt. Das geht aus dem täglichen Geheimdienstbericht des Verteidigungsministeriums in London zum Krieg in der Ukraine hervor. Demnach wurden mindestens fünf Regimenter im Umkreis mehrerer Kilometer um das Dorf Robotyne an der Front zusammengezogen.

“In voller Stärke sollte eine solche Einheit aus etwa 10.000 Elite-Fallschirmjägern bestehen. Beinahe alle Einheiten sind aber mit großer Wahrscheinlichkeit dramatisch unterbesetzt”, hieß es in der Mitteilung des Verteidigungsministeriums in London.

Bei Robotyne durchbrachen die Ukrainer zuvor eine verminte und befestigte russische Verteidigungslinie. Der Einsatz von Elite-Soldaten zur Verstärkung der Frontlinie dürfte nach Einschätzung der Briten deren Vorgesetzten missfallen.

Die Ukraine hat eigenen Angaben zufolge innerhalb einer Woche sieben Quadratkilometer Fläche von der russischen Armee zurückerobert. In der vergangenen Woche seien zwei Quadratkilometer im Gebiet der kriegszerstörten Stadt Bachmut im Osten eingenommen worden, darunter die Orte Andrijiwka und Klischtschijiwka, erklärte die ukrainische Vize-Verteidigungsministerin Hanna Maljar.

Im Süden des Landes eroberte die ukrainische Armee demnach rund fünf Quadratkilometer zurück. Insgesamt hat Kiew seit Beginn der Gegenoffensive eigenen Angaben zufolge 51 Quadratkilometer im Gebiet Bachmut und rund 262 Quadratkilometer an der Südfront zurückerobert.

Bulgarien hat nach Angaben seines Verteidigungsministeriums Spezialkräfte in den Badeort Tjulenowo entsandt, um eine dort am Sonntagabend gelandete und mit Sprengstoff beladene Drohne zu inspizieren und deaktivieren.

Tjulenowo liegt am Schwarzen Meer und etwa 70 Kilometer von der rumänischen Grenze entfernt. Auf der bulgarischen Medienwebsite nova.bg wurden Augenzeugen zitiert, denen zufolge die Drohne zwischen drei und dreieinhalb Meter lang ist. An ihr sei ein Behälter mit Sprengstoff befestigt.

In der Debatte um die Lieferung deutscher “Taurus”-Marschflugkörper an die Ukraine hat NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg die Bedeutung solcher Waffensysteme für die Kriegsführung betont. Er begrüße, dass “manche Alliierte – Großbritannien, Frankreich, die Vereinigten Staaten – bereits weitreichende Raketensysteme geliefert haben”, sagt Stoltenberg den Zeitungen der Funke Mediengruppe.

Deutschland sei eine führende Nation bei der militärischen Unterstützung der Ukraine. “Deutschlands starke Unterstützung der Ukraine – einschließlich Panzer und Luftabwehrsysteme – macht einen entscheidenden Unterschied.” Die Ukraine habe das in der UN-Charta verankerte Recht auf Selbstverteidigung. “Und wenn wir die UN-Charta ernst nehmen, müssen wir der Ukraine helfen, sich zu verteidigen.” Eine unmittelbare Gefahr einer nuklearen Eskalation sehe er nicht.

Nach Angaben der ukrainischen Luftwaffe sind in der Nacht 18 russische Drohnen und 17 Marschflugkörper abgeschossen worden, die ihr Gebiet angegriffen hätten. Russland habe in der Nacht 24 Drohnen auf die südlichen ukrainischen Regionen Odessa und Mykolaijw abgeschossen, teilte die ukrainische Luftwaffe in einem Telegramposting mit.

Sie fügte hinzu, dass alle 17 Raketen über den Regionen Dnipropetrowsk, Poltawa und Chmelnyzkyj zerstört wurden.

Konfliktparteien als Quelle

Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

Die ukrainische Armee hat nach eigenen Angaben eine strategisch wichtige Ortschaft nahe der kriegszerstörten Stadt Bachmut zurückerobert. Die russischen Truppen seien aus Klischtschijiwka vertrieben worden, erklärte der Kommandeur der ukrainischen Landstreitkräfte, Oleksandr Syrskyj, am Sonntag in Onlinenetzwerken.

Das nur wenige Kilometer südlich von Bachmut gelegene Klischtschijiwka, wo vor der russischen Invasion mehrere hundert Menschen gelebt hatten, war im Januar von russischen Truppen eingenommen worden.

Der Sprecher der ukrainischen Truppen im Osten des Landes, Ilja Jewlasch, verwies auf die strategische Bedeutung der Ortschaft. Die Einnahme von Klischtschijiwka könne dabei helfen, Bachmut einzukreisen. Die ukrainische Armee könne von dort aus weitere Offensivaktionen starten.

Schraffiert: von Russland besetzte Gebiete, Stand: 17. September 2023

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat kurz vor dem Start der hochkarätig besetzten UN-Generaldebatte vor einem Dritten Weltkrieg gewarnt und Kremlchef Wladimir Putin mit Adolf Hitler verglichen. Die russische Gesellschaft habe den Respekt der Weltöffentlichkeit verloren, sagte Selenskyj laut englischer Übersetzung des US-Senders CBS in einem am Sonntag ausgestrahlten Interview der Sendung “60 Minutes”. “Sie haben ihn gewählt und wiedergewählt und einen zweiten Hitler herangezogen.”

Man könne die Zeit nicht zurückdrehen, aber Putin jetzt stoppen. “Wenn die Ukraine fällt, was wird dann in zehn Jahren passieren?”, sagte Selenskyj weiter. Wenn die Russen Polen erreichen würden, komme dann ein Dritter Weltkrieg, fragte er. Daher müsse sich die ganze Welt entscheiden, ob Putin aufgehalten werden solle, oder man den Beginn eines Weltkriegs heraufbeschwören wolle.

Selenskyj wird heute in New York erwartet. Am Dienstag beginnt die Generaldebatte der UN-Vollversammlung, bei der von Dienstag an über eine Woche lang mehr als 140 Staats- und Regierungschefs sprechen werden.

Russland hat nach eigenen Angaben in der Nacht auf Montag ukrainische Drohnen in mehreren Regionen abgewehrt. Die Drohnen seien “über den westlichen, südwestlichen, nordwestlichen und östlichen Gebieten der Halbinsel Krim, den Bezirken Istra und Domodedowo im Gebiet Moskau sowie (…) in Belgorod und Woronesch abgefangen” worden, erklärte das russische Verteidigungsministerium im Onlinedienst Telegram.

Angaben zur genauen Anzahl der Drohnen oder zu Opfern wurden zunächst nicht gemacht. Gleichzeitig erklärte das Verteidigungsministerium, dass eine Panzerfabrik in Charkiw im Nordosten der Ukraine, in denen Panzer ukrainischer Streitkräfte repariert werden, durch einen Raketenangriff getroffen worden sei.  Zuvor hatte der Leiter der örtlichen ukrainischen Militärverwaltung im Onlinedienst Telegram berichtet, dass ein Unternehmen in der Stadt von vier Raketen getroffen wurde und ein Feuer ausgebrochen sei.

Konfliktparteien als Quelle

Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

Chinas Außenminister Wang Yi wird heute nach Russland reisen. Wie das chinesische Außenministerium mitteilte, wird sich Wang vom 18. bis 21. September auf Einladung des Sekretärs des Moskauer Sicherheitsrates, Nikolai Patruschew, zu Sicherheitsgesprächen in Russland aufhalten.

Zuvor hatte das russische Außenministerium bereits mitgeteilt, Wang werde mit seinem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow zusammentreffen und die beiden planten, “sich auf die Stärkung der Zusammenarbeit auf der internationalen Bühne zu konzentrieren”. Dabei werde es “einen ausführlichen Meinungsaustausch über Fragen im Zusammenhang mit der Beilegung des Konflikts in der Ukraine” geben, sagte ein Sprecher. Demnach sollen auch “Möglichkeiten zur Gewährleistung von Stabilität und Sicherheit in der asiatisch-pazifischen Region” Thema sein.

In der Hafenstadt Sewastopol auf der Schwarzmeer-Halbinsel Krim hat es Medienberichten zufolge mehrere Explosionen gegeben. Das russische Verteidigungsministerium hingegen teilte dazu lediglich mit: “Über dem Südwestteil der Halbinsel Krim wurden zwei ukrainische Drohnen von der Flugabwehr vernichtet”. Mehrere Telegram-Kanäle veröffentlichten Fotos, die einen Feuerschein über der Stadt zeigen. Anwohner berichteten von starkem Brandgeruch.

Russland hat die ukrainische Halbinsel 2014 völkerrechtswidrig annektiert. Nach Angaben des von Moskau eingesetzten Gouverneurs von Sewastopol, Michail Raswoschajew, wurden keine Infrastrukturobjekte getroffen. Die Hafenstadt ist auch die Basis der russischen Schwarzmeerflotte. Den Brandgeruch erklärte Raswoschajew mit einer Nebelwand, die die Marine zum Sichtschutz gegen die Drohnen eingesetzt habe. “Ja der Geruch ist unangenehm, aber völlig ungefährlich”, schrieb er auf Telegram.

Laut Präsidialbürochef Jermak konnten ukrainische Soldaten die strategisch wichtige Stadt Klischtschijiwka zurückerobern. Nach britischer Einschätzung hat Russland Verteidigungsstellungen in der Südukraine verstärkt. Der Liveblog vom Sonntag.

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