In Lewiston erschießt ein Mann mehr als zehn Menschen – Panorama

Das Bowlingcenter “Just-In-Time Recreation” in der Kleinstadt Lewiston im US-Bundesstaat Maine ist ein Ort, wie es ihn in den Vereinigten Staaten hundertfach gibt. Zwei Stunden Bowling kosten 50 Dollar, im Saal stehen auch noch Spielautomaten und ein Billardtisch. Die Küche serviert Hotdogs und Mac’n’Cheese.

Am Mittwochabend müssen sich dort schreckliche Szenen abgespielt haben. Gegen 19 Uhr Ortszeit betrat ein Mann mit Bart und braunem Pullover das Bowlingcenter – bewaffnet mit einem halbautomatischen Gewehr. Das ist auf Bildern von Überwachungskameras zu sehen, welche die Polizei später veröffentlichte. Ein Augenzeuge berichtete der Nachrichtenagentur AP, er habe zunächst ein Knallen wie beim Zerplatzen von Luftballons gehört. Dann habe er begriffen, dass jemand schieße. Daraufhin sei er die Bowling-Bahn entlang hinter die Kegel gekrochen und habe dort zehn Minuten lang ausgeharrt, bis die Polizei eingetroffen sei.

Sieben Menschen soll der mutmaßliche Täter währenddessen getötet und weitere verletzt haben, gab der Sheriff von Androscoggin County noch am Abend bekannt.

Schiesserei USA

(Foto: SZ-Karte/Mapcreator.io/OSM)

Von der Bowlingbahn fuhr der mutmaßliche Täter wohl in ein knapp sieben Kilometer entferntes Restaurant. Dort fand gerade die “Gastro-Night” statt, Mitarbeiter aus der Gastronomie bekamen an diesem Abend 25 Prozent Rabatt, so ist es auf der Facebook-Seite des Restaurants zu lesen. Auch hier schoss der Mann mit dem halbautomatischen Gewehr um sich und tötete offenbar noch mehr Menschen. Über die Opferzahl gibt es bislang unterschiedliche Angaben. AP sprach von 16, der Fernsehsender CNN von 22 Toten insgesamt. Behördenvertreter bezifferten die Zahl der Verletzten auf mehrere Dutzend.

“In einem Sekundenbruchteil wird dein Leben völlig ohne Grund auf den Kopf gestellt”, schrieb das Restaurant später auf Facebook. Und: “Wir haben großartige Menschen in unserer Gemeinde verloren. Wie sollen wir darin nur einen Sinn finden?”

Attacke in Lewiston: Mit dem Foto aus einer Überwachungskamera sucht die Polizei nach dem mutmaßlichen Täter.Attacke in Lewiston: Mit dem Foto aus einer Überwachungskamera sucht die Polizei nach dem mutmaßlichen Täter.

Mit dem Foto aus einer Überwachungskamera sucht die Polizei nach dem mutmaßlichen Täter.

(Foto: Lewiston Police Department/IMAGO)

Gegen 20 Uhr Ortszeit veröffentlichte das Büro des Sheriffs mehrere Fotos, die den mutmaßlichen Täter beim Betreten des Bowlingcenters zeigen, verbunden mit der Bitte an die Bevölkerung, ihn zu identifizieren. Weil der Verdächtige flüchtig war, riefen die Behörden die Bürgerinnen und Bürger von Lewiston und der umliegenden Gemeinden auf, an Ort und Stelle Schutz zu suchen. Schulen und Verwaltungsbüros im Umkreis blieben am Donnerstag geschlossen.

Später gab die Polizei weitere Details zum Verdächtigen bekannt: Man suche nach dem 40-jährigen Robert C. Es handle sich bei ihm um eine “Person von Interesse im Zusammenhang mit den Schießereien in Lewiston”. C. sei wahrscheinlich bewaffnet und gefährlich, niemand solle sich ihm nähern, so die Polizei. Etwa 13 Kilometer außerhalb von Lewiston fanden die Behörden einen weißen Kombi, der mutmaßlich dem Verdächtigen gehörte. Deshalb forderten sie die Bewohner in den angrenzenden Ortschaften zur Vorsicht auf.

Bis zum Donnerstagmorgen Ortszeit suchten mehr als hundert Beamte nach dem mutmaßlichen Täter. Auch dutzende FBI-Kräfte und andere Spezialeinheiten waren nach Polizeiangaben an den Ermittlungen beteiligt. Doch C. blieb bis auf weiteres flüchtig.

C. soll über psychische Probleme geklagt haben

Seine Biografie ließ sich in den Stunden nach der Tat nur bruchstückhaft rekonstruieren. Nach Angaben der Universität von Maine studierte C. von 2001 bis 2004 an der Hochschule Ingenieurwissenschaften. Laut übereinstimmenden Medienberichten war er Trainer für Schusswaffen und Reservist des US-Militärs. Daneben soll C. erst kürzlich über psychische Probleme geklagt haben: Er höre Stimmen und fantasiere davon, einen Stützpunkt der Nationalgarde mit der Waffe zu attackieren. Im Sommer soll sich C. den Berichten zufolge für zwei Wochen in psychiatrischer Behandlung befunden haben.

Schießereien mit vielen Toten sind in den USA keine Seltenheit. Allein in diesem Jahr starben bislang fast 200 Menschen bei Schießereien im Land. Ende Januar erschoss ein 72-Jähriger in einem Tanzstudio im kalifornischen Monterey Park elf Menschen, die gerade das chinesische Neujahrsfest begingen. Es war die Attacke mit den meisten Todesopfern in diesem Jahr. Bis jetzt.

Dass ein solches Gewaltverbrechen nun ausgerechnet in Lewiston passierte, widerspricht der Statistik. Die Kleinstadt mit 40 000 Einwohnern gilt als besonders sicher. Als das Finanzportal WalletHub im vergangenen Jahr Kriminalität, Arbeitslosigkeit und das Risiko für Naturkatastrophen in amerikanischen Städten erhob, belegte Lewiston Platz zehn der sichersten Städte.

Auch Maine, Besuchern wegen seiner rauen Küste und dem Hummervorkommen bekannt, gehörte in der Vergangenheit nicht zu den Schauplätzen von Massenschießereien. Und das, obwohl der nördlichste Bundesstaat an der US-Ostküste ein durchaus enges Verhältnis zu Waffen hat. Betrachtet man die Anzahl der Waffenbesitzer, liegt Maine weit über dem US-Durchschnitt. Fast 60 Prozent der Haushalte besitzen dort Schätzungen zufolge eine Schusswaffe. Die Waffengesetze gehören laut einer Auswertung der NGO Giffords Law Center sogar zu den laschesten des Landes.

Trotzdem starben in Maine zuletzt nur 13 Menschen pro 100 000 Einwohner durch Waffengewalt. In Mississippi oder Louisiana waren es fast dreimal so viel. Auch mit 29 Morden im gesamten Bundesstaat ging es in Maine im vergangenen Jahr vergleichsweise friedlich zu. Eine Idylle, die mit der Attacke von Lewiston nun ein trauriges Ende gefunden hat.

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