Fußball: Warum sich immer mehr Investoren für Sport interessieren

Studie
Warum immer mehr professionelle Investoren in den Profifußball drängen

Der US-Finanzinvestor 777 Partners ist im März beim damaligen Berliner Erstligisten Hertha BSC eingestiegen

© Matthias Koch / Imago Images

Hohe Verschuldung, absurd hohe Gehälter und ein unprofessionelles Management. Eigentlich spricht wirtschaftlich wenig für den Profifußball. Doch eine Studie von Pitchbook zeigt: Immer mehr Profiinvestoren steigen aus genau diesen Gründen ein.

Von Jannik Tillar

Die Corona-Zeit hat den Fußball verändert. Nicht unbedingt sportlich, aber definitiv wirtschaftlich. Zu diesem Ergebnis kommt das Analysehaus Pitchbook, das sich in einer aktuellen Studie die Investorenverhältnisse der europäischen Spitzenclubs angeschaut hat. Wichtigste Erkenntnis: Private Investoren werden immer wichtiger und verändern den Fußball im Hintergrund stärker, als viele denken. Die Rolle von Superreichen, auch aus Ölförder-Staaten, nimmt entgegen dem öffentlichen Eindruck immer weiter ab. 

Corona habe bei vielen Alt-Investoren für ein Umdenken gesorgt, heißt es in der Studie, die Capital vorab vorliegt. Nachdem die alten Einnahmetöpfe zwischenzeitlich versiegt waren – durch Tickets, Merchandising oder auch Catering – hätten viele Altinvestoren neue Geldquellen gesucht. Fündig wurden sie bei Private Equity (PE), für die der Fußball attraktive Rahmenbedingungen geboten habe: Viele Clubs seien hochverschuldet, die Spielergehälter irrsinnig hoch und viele Manager zwar Ex-Profis, aber betriebswirtschaftlich unerfahren. Umgekehrt hieße das: Stellt man die Clubs in diesen Punkten professioneller auf, könnten sich hohe Renditen einstellen. 

Dass viele PEs an diese Rechnung glauben, zeigt das Dealvolumen zwischen 2018 und 2022. Während sich das Übernahmevolumen 2018 noch auf 66,7 Millionen Euro belaufen hatte, waren es 2022 bereits 4,9 Mrd. Euro. In diesem Jahr könnten es bis zu 10,6 Mrd. Euro werden, sollten tatsächlich alle kolportierten Übernahmen zum Abschluss kommen. Der größte Deal aller Zeiten war dabei der FC Chelsea, der im vergangenen Jahr für 3 Mrd. Euro vom sanktionierten Oligarchen Roman Abramowitsch an ein Konsortium aus mehreren PEs aus den USA ging. Mit Manchester United bahnt sich aber bereits die nächste Rekordübernahme an. Zurzeit verhandelt die Glazer-Familie, aktueller Besitzer des Traditionsclubs, mit zwei potenziellen Investoren: dem britischen Milliardär Jim Ratcliffe und dem katarischen Scheich Jassim bin Hamad Al Thani. Aktuell sind bis zu 5,5 Mrd. Euro im Gespräch. 

60 Prozent US-Anteil

Der Deal würde in einem Punkt gegen den aktuellen Trend sprechen. Denn laut Pitchbook sind Superreiche, die sich aus Prestigegründen einen eigenen Verein zulegen, auf dem Rückzug. Und diejenigen, die früher mal aus diesen Gründen einen eigenen Club besessen hätten, treten inzwischen professioneller auf und diversifizieren ihr Portfolio – beispielsweise mit einem zweiten Verein, einem Eishockey- und einem Basketballteam. So geschehen etwa bei Manchester City, das einst von Scheich Mansour bin Zayed Al Nahyan aus Abu Dhabi gekauft und später in die City Football Group eingegliedert wurde. Inzwischen gehören zwölf weitere Vereine dazu, und mit Silver Lake ist außerdem eine amerikanische Beteiligungsgesellschaft investiert. 

Rechnet man auch diese indirekten Beteiligungen hinzu, haben mindestens 35,7 Prozent aller Teams in den Top-5-Ligen (England, Spanien, Italien, Deutschland und Frankreich) ihre Anteile ganz oder teilweise veräußert. Die tatsächliche Zahl dürfte noch deutlich darüber liegen, weil viele Besitzverhältnisse intransparent sind. Mit knapp 60 Prozent kommen die Investoren dabei besonders häufig aus den USA, wo angesichts der WM 2026 im eigenen Land ein Hype um Fußball ausgebrochen ist.  

Besonders aktiv sind dabei Sportfonds wie 777 Partners, der auch in den deutschen Zweitligisten Hertha BSC investiert ist. Ansonsten ist Deutschland verhältnismäßig frei von Investoren. Neben Hertha besitzt nur der FC Augsburg mit dem US-Fonds MSP Sports Capital einen weiteren klassischen Investor. Bayern München hat Minderheitsanteile an Adidas, Allianz und Audi verkauft, der VfB Stuttgart an Daimler. Borussia Dortmund ist börsennotiert und Vereine wie Leipzig, Wolfsburg, Leverkusen, Hoffenheim sind oder waren in der Vergangenheit stark von einzelnen Sponsoren abhängig. Im Vergleich zu den anderen Top-5-Ligen sind die beiden Investoren in Berlin und Augsburg aber eher die Ausnahme – insbesondere im Vergleich zu England und Frankreich. In England gibt es mindestens zehn vergleichbare Investoren, in Frankreich mindestens sieben. Nur Spanien bewegt sich mit drei Investoren in einer ähnlichen Größenordnung wie Deutschland. Dort sind Übernahmen an eine fünfjährige Profitabilität des Vereins geknüpft, was Deals schwierig macht. 

Gesunder Effekt?

Der Eintritt von Private Equity könnte derweil auch einen gesunden Effekt haben, meint Pitchbook. Denn anders als Superreiche, denen das Geld egal ist, wollen diese Investoren ihren Einsatz in einem Zeitraum von sieben bis zehn Jahren vervielfachen. Das heißt auch, dass die Vereine professioneller, und die Kader effizienter zusammengestellt werden. Bestes Beispiel sei hierfür Newcastle United. Nachdem die neuen Eigentümer – der saudische Staatsfonds gemeinsam mit den PEs Capital Partners und Reuben Brothers – den Verein im Winter 2021 für 350 Millionen Euro übernommen hatte, wurden zwölf Spieler verpflichtet, elf verkauft und das Management ausgetauscht. Ausgaben von 130 Millionen Euro standen dabei Einnahmen von 52 Millionen Euro gegenüber. Doch die neuen Spieler, darunter keine richtigen Superstars, passten gut in den Club, verhinderten zunächst den Abstieg und qualifizierten den Verein im Jahr darauf für die Champions League. Diese sichert jetzt Mindesteinnahmen von 35 Millionen Euro in der laufenden Saison. 

 

Für die Neu-Eigentümer hätte es somit nicht besser laufen können. Zumal sie gerade einmal ein Multiple von 1,7 auf den damaligen Umsatz zahlten, um den Verein zu übernehmen. Zum Vergleich: Sollte Manchester United tatsächlich für 5,5 Milliarden. Euro an einen der beiden Superreichen gehen, wäre das Multiple von 8,0 auf den Umsatz. Es zeigt, so Pitchbook, wie viel irrationaler Superreiche bei Übernahmen seien. PEs würden durchschnittlich nur einen Multiple von 2,4 auf den Umsatz zahlen und später deutlich mehr aus den Vereinen holen. Von Nachteil sei das sicher nicht. 

Dieser Artikel erschien zuerst an dieser Stelle beim Wirtschaftsmagazin “Capital”, das wie der stern zu RTL Deutschland gehört.

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