Donald Trump als Motivator: Konservative Frauen in den USA auf Vormarsch

Nie zuvor gingen bei den Midterms in den USA so viele Frauen für die Republikaner ins Rennen. Was treibt sie an? Ein Gespräch mit US-Korrespondentin Juliane Schäuble über konservativen Feminismus, extreme Trump-Kandidatinnen – und die erste US-Präsidentin.

Ende September ist das Buch “Guns n’ Rosé: Konservative Frauen erobern die USA” von Ihnen und Ihrer Kollegin Annett Meiritz erschienen. Was war der Auslöser, Frau Schäuble?

Juliane Schäuble: Nach dem Amtsantritt von Donald Trump gab es im Januar 2017 den Women’s March, wo Frauen gegen den neuen Präsidenten von Amerika auf die Straße gegangen sind. Da waren viele Frauen, aber es waren auch viele Frauen nicht da. Ein Impuls war im Grunde herauszufinden, wer diese Frauen sind und warum sie Trump wählen würden.

Zudem gibt es jede Menge interessante Spitzenpolitikerinnen der Republikaner, die unheimlich selbstbewusst auftreten und sich als Feministinnen verstehen. Sie sagen: Wir sind Feministinnen, wir setzen uns für Frauenrechte ein und fühlen uns von den Linken nicht vertreten. Diesen Spannungsbogen wollten wir aufbrechen.

Wie definieren diese konservativen Frauen ihren Feminismus?

Wir haben das in den letzten Monaten ganz stark beim Thema Abtreibung gesehen. Vor dem Urteil des Supreme Courts waren die Abtreibungsgegner auf den Demonstrationen oft in der Mehrheit. Sie argumentierten: Wir wollen die Frauen nicht dazu drängen, eine Abtreibung zu haben, wir wollen sie beschützen. Sie argumentieren, dass Frauen früher immer gesagt wurde, du kannst nicht Kinder haben und Karriere machen. Diese konservativen Frauen sagen jetzt, doch, wir kriegen das alles hin, und sind dabei sehr selbstbewusst in ihrem Auftreten.

Hinzukommt, dass viele der Frauen sehr machtbewusst sind. Sie wollen selber regieren und nicht mehr das Heimchen am Herd sein – ein Bild, das so gerne von konservativen Frauen gezeichnet wird.

Apropos Bild, wie sieht die typische konservative Frau in den USA im Jahr 2022 aus?

Ein bezeichnendes Beispiel ist für mich Kristi Noem, Gouverneurin von South Dakota, die auf einer Farm aufgewachsen ist. Ich habe sie mal bei einer Veranstaltung erlebt und da sagte sie: “Mein Vater hat keinen Unterschied gemacht, ob wir Jungen oder Mädchen sind. Wir mussten alle um fünf Uhr morgens aufstehen, runterkommen und arbeiten.” Sie argumentiert also mit ihrer eigenen Geschichte, dass Gleichberechtigung schon längst umgesetzt sei.

Ähnlich wird von konservativen Frauen gerne angeführt, dass die erste Abgeordnete im Kongress eine Republikanerin war und keine Demokratin. Die meisten der Anti-Abtreibungsverbände werden von Frauen geleitet, an der Spitze der NRA steht eine Frau. Sie sind ambitioniert, erstaunlich gut vernetzt und sie sind laut. Sie wollen ihr Stück vom Kuchen genauso wie die Männer – und sagen dann, wir haben unsere Erfolge selbst möglich gemacht. Auch wenn sie dabei natürlich oft unter den Tisch fallen lassen, dass ja auch sie selbst Profiteure der linken Gleichberechtigungs-Bewegung sind…

Sie widmen in Ihrem Buch zwei ganze Kapitel dem “Schlachtfeld” Bildung. Warum hat das Thema gerade für konservative Frauen ein so großes Mobilisierungspotenzial?

Zunächst ist es ein Thema, das jeden betrifft, der Kinder hat. Und auch die Corona-Pandemie war dafür ein Brandbeschleuniger. Da gab es im liberalen Kalifornien Schulen, die nach den Lockdowns darüber diskutiert haben, ob sie ihre Namen ändern sollen, die historisch belastet sind. Da sind die Eltern Sturm gelaufen und haben kritisiert, dass man zuerst darüber reden sollte, wie man die Kinder wieder zurück ins Klassenzimmer bekommt. Diesen Backlash gab es interessanterweise auch gerade von vielen Asian Americans, die sagten, wir wollen nicht in der Vergangenheit verweilen, wir wollen in die Zukunft schauen.

Die Ausbildung ist in diesem kapitalistischen Land einfach so wahnsinnig wichtig, weil sie die Grundlage für den späteren Erfolg legt. Hinzukommt, dass es immer noch so ist, dass Mütter mehr in die Erziehung involviert sind als Väter. Wenn der Staat dann sagt, ihr habt in den Schulen nichts mitzureden, triggert das bei vielen Konservativen etwas, weil es um dieses wichtige Feld Erziehung geht. Das hat viele Frauen mobilisiert.

Noch Anfang des Jahres war der Kampf um die Schulen eines der Top-Wahlkampfthemen der Republikaner. Dann kam der 24. Juni und “Roe v Wade” wurde gekippt. Was bedeutet das Urteil für die konservative Frauenbewegung?

Das Urteil hat beide Seiten mobilisiert, vor allem aber die Demokraten. Eine Mehrheit der Amerikaner ist für ein Recht auf Abtreibung und hält die Entscheidung des Supreme Courts für falsch. Für die Konservativen bedeutet das im Umkehrschluss, dass ihnen ihr Erfolg am Ende sogar schaden kann.

Den ganz extremen, überzeugten Frauen und Männern ist das vermutlich egal. Sie haben jetzt deutlich mehr Handlungsmöglichkeiten, Abtreibungen zu verbieten und damit ihr Ziel erreicht. Für viele spielt dabei auch Religion eine wichtige Rolle. Nicht nur die katholische Kirche hat ein Problem mit Abtreibungen.

Das Buchcover von "Guns n' Rosé: Konservative Frauen erobern die USA"

Das Buchcover von “Guns n’ Rosé: Konservative Frauen erobern die USA”

© Dermot Tatlow

Je näher die Midterms rücken, desto auffälliger wird, dass viele republikanische Kandidaten das Thema am liebsten ausklammern…

Das stimmt. Viele Republikaner reden längst nicht mehr so viel über das Thema wie noch vor einem halben Jahr. Sie haben Angst, dass es ihnen bei den Midterms auf die Füße fällt, weil es viele Wähler der Mitte verschreckt. Selbst Trump soll intern gewarnt haben, dass, wenn Roe gekippt wird, sie die nächsten Wahlen verlieren werden. Man kann denken über ihn, was man will. Aber oft hat er einen guten Riecher, wenn es um Wahlerfolge geht.

Die konservative Frauenbewegung in den USA ist mehrheitlich weiß. Und doch gibt es einige prominente Beispiele von schwarzen Frauen, Latinas und Asian Americans, die überzeugte Republikanerinnen sind. Sind diese Vorboten für einen Wandel oder doch eher die Ausnahmen?

Es gibt diese Fälle, wie die schwarze Republikanerin Winsome Sears, stellvertretende Gouverneurin von Virginia. Interessant ist dabei, dass viele von ihnen sagen: Uns dürfte es gar nicht geben. Auch Kay C. James, Ministerin in der gleichen Regierung, erzählte uns, dass ihr vorgeworfen werde, sie könne als schwarze Frau doch gar nicht republikanisch sein. Sie betont aber, dass sie ihre Wahlentscheidung aus vielerlei Gründen treffe. Sie teile das Anliegen von Black Lives Matter, doch wenn es um die Wirtschaft geht, um Selbstbestimmung und um Freiheit sei sie nunmal konservativ. Trotzdem muss man festhalten, dass Schwarze in den USA immer noch die treueste Wählergruppe der Demokraten sind und es auf absehbare Zeit bleiben werden. Dagegen gibt es bei den Asian Americans größere Verschiebungen. Und offensichtlich auch im Lager der Latinos.

Nach einer aktuellen Analyse der “New York Times” könnten Latinos in vielen Staaten am Ende die ausschlaggebende Wählergruppe sein. Was bewegt gerade Latinas dazu, die Republikaner zu wählen?

Vor allem Einwanderer, die aus den sozialistischen Regimen ihrer Heimatländer entflohen sind – Venezolaner, Kubaner –, lehnen einen allzu starken Staat ab, der sich in ihr Leben einmischt. Sie setzen das mit Sozialismus gleich. Viele haben sich in den USA ihre Existenz mit Familienunternehmen aufgebaut. Für sie sind die steigende Inflation, hohe Steuern und wirtschaftliche Fragen enorm wichtige Themen. Und die Wirtschaftskompetenz wird eher den Republikanern zugerechnet.

Ein gutes Beispiel dafür ist Ron DeSantis, Gouverneur von Florida. Viele Latinos waren in der Pandemie ganz angetan von ihm, weil er gegen Shutdowns war und den Menschen dadurch ermöglicht hat, weiter zu arbeiten, im Gegensatz zu vielen anderen Staaten. Das kam gut an – genau wie seine harte Migrationslinie. Wer über den legalen Weg in die USA gekommen ist, der hat nicht viel Verständnis für illegale Grenzübertritte. Die Demokraten denken, dass Latinos sie automatisch wählen müssen, weil Trump Mexikaner als Vergewaltiger bezeichnet hat. Damit machen sie es sich zu einfach.

In den vier Jahren unter Präsident Trump hat sich die Zahl der weiblichen republikanischen Abgeordneten im Repräsentantenhaus verdoppelt. Hat Trump der konservativen Frauenbewegung neuen Auftrieb gegeben?

Ich denke schon, zumindest eine großen Motivationsschub. Viele konservative Frauen haben Hillary Clinton abgelehnt, sei es, weil sie Verschwörungstheorien glaubten oder die Clintons generell ablehnten. Dass nach Bill Hillary ins Weiße Haus wollte, führte zu einem richtigen Aufschrei in der konservativen Welt. Und viele hat das viele motiviert, selbst anzutreten.

Trump hat sie dann an die Macht gebracht. Aber sein radikales Auftreten gefällt offensichtlich auch vielen erzkonservativen Frauen, was man nicht unbedingt erwarten würde.

Kurz vor den Midterms stehen alle republikanischen Kandidaten vor der Entscheidung, ob sie sich an Trump hängen oder sich doch dezent distanzieren. Sie schreiben den schönen Satz: “Moderat sein gilt als Makel, gerade für Frauen.” Das würde im Umkehrschluss bedeuten, dass Hardlinerinnen wie Marjorie Taylor Greene die erfolgreicheren Frauen sind.

Für viele Kandidatinnen ist “Extremsein” zum Erfolgsfaktor geworden. Gerade in der Pandemie haben sie sich als Widerstandskämpfer gegen die Regierung in Washington inszeniert. Und Taylor Greene ist das beste Beispiel dafür, wie weit man es als Hardcore-Trump-Fan in der republikanischen Partei bringen kann. Vielleicht auch, weil es als Frau einfacher ist, mit Provokationen aufzufallen. Das Gegenbeispiel wäre dann Liz Cheney, die sich offen gegen Trump gestellt hat und dafür abgestraft wurde – wobei sie politisch noch nicht aus dem Spiel ist. Doch sie bleibt eine Einzelkämpferin.

Kandidatinnen, die extrem sind, fallen auf. Frauen wie Kari Lake, die Gouverneurin in Arizona werden will, ist in der Art, wie sie auftritt, fast extremer als Trump selbst. Sie provoziert, sie schockiert und platzt so immer wieder in die öffentliche Aufmerksamkeit. So wird man dann vielleicht auch gewählt.

Mit Blick auf 2024: Ist die republikanische Partei tatsächlich bereit für eine Frau an der Spitze?

Generell ja, das glaube ich schon. Vielleicht noch nicht 2024, weil Trump für das Rennen noch zu bedeutend ist. Aber dann könnte es zumindest eine republikanische Vizepräsidentin geben. Die Republikaner wären in dieser Hinsicht womöglich unbefangener als die Demokraten nach Clintons dramatischer Niederlage und einer eher enttäuschenden Vizepräsidentin Kamala Harris.

Deswegen teilen wir die These von John Kornblum. Der ehemalige US-Botschafter in Deutschland sagt, es könne gut sein, dass die erste US-Präsidentin eine Republikanerin sein wird. Aber wir haben auch alle gelernt, wie schnell man mit Vorhersagen daneben liegen kann…

In Ihrem Buch heißt es: “Konservative Frauen spielen eine entscheidende Rolle dabei, wie sich die USA in den kommenden Jahrzehnten entwickeln werden.” Nehmen Sie uns mit in die Glaskugel…

Die Hoffnung, dass westliche Gesellschaften im 21. Jahrhundert immer liberaler werden, hat spätestens das Abtreibungsurteil widerlegt. Diese Kämpfe sind längst nicht zu Ende ausgetragen. In den USA hat jener Teil der Bevölkerung, der diese Fragen nicht als ausgekämpft ansieht, jetzt Aufwind bekommen. Möglich gemacht hat das ein ein mehrheitlich konservativ besetztes Oberstes Gericht. Diese auf Lebenszeit gewählten konservativen Richter, wie Amy Coney Barrett, werden die USA mit ihren Entscheidungen über Jahrzehnte prägen – solange sie die Mehrheit haben.

In der Mehrheit wählen Frauen in den USA noch immer demokratisch. Im Kongress sitzen mehr Demokratinnen als Republikanerinnen. Wie viel Raum nehmen konservative Frauen wirklich ein? Und wie viel Platz sollten wir als Medien ihnen geben?

Ichglaube, wir haben sie vernachlässigt. Viele tun sich immer noch schwer zu verstehen, wie Frauen Trump wählen können. Deswegen müssen wir als Medien uns intensiver damit beschäftigen, was diese immer wichtiger werdende Wählergruppe antreibt. Ja, sie sind nicht in der Mehrheit, aber sie sind fundamental an Mehrheitsentscheidungen beteiligt und treten zunehmend für Ämter an. Und die Republikaner können die Wahlen 2024 nicht gewinnen, wenn sie alle Frauen verprellen. Das wissen sie genau und handeln entsprechend.

Da aber nicht alle Frauen von dem Abtreibungsurteil verprellt sind, müssen sich sowohl Demokraten als auch Republikaner fragen: Was sind die Themen, mit denen man Frauen für die eigene Partei und die eigenen Positionen begeistern kann?

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