Pflanzenschutz-Toolbox bereichert durch modernste Technologien – EURACTIV.com

Eine Reihe neuer Technologien, von künstlicher Intelligenz bis hin zu RNA-basierten Innovationen, könnte den Einsatz chemischer Pestizide deutlich reduzieren und neue Pflanzenschutzmittel hervorbringen.

In einem Vorschlag zur Überarbeitung des EU-Rechtsrahmens für Pestizide schlägt die Europäische Kommission vor, den Einsatz und das Risiko von Pestiziden bis 2030 zu halbieren.

Die bestehende EU-Gesetzgebung sowie die nationalen Gesetze in vielen Mitgliedstaaten verlangen von den Landwirten bereits, die Regeln des integrierten Pflanzenschutzes (Integrated Pest Management, IPM) zu befolgen – ein Ansatz zum Pflanzenschutz, bei dem alle anderen Optionen, wie zum Beispiel organische oder physikalische Pflanzenschutzmethoden, gelten sollten ausgeschöpft sein, bevor auf synthetische Pestizide zurückgegriffen wird.

Während IPM bedeutet, einen systemischen Ansatz zur Reduzierung von Pestiziden zu verfolgen und sich nicht auf eine bestimmte einzelne Alternative oder Technologie zu konzentrieren, könnten in den kommenden Jahren eine Reihe neuer Technologien in einen solchen Ansatz integriert werden und dazu beitragen, ehrgeizige Reduktionsziele zu erreichen.

Dazu gehören einerseits Technologien, die eine Alternative zu synthetischen Produkten darstellen, indem sie Pflanzen auf eine Weise schützen, die weniger Risiken oder unbeabsichtigte Nebenwirkungen mit sich bringt.

Andererseits könnten andere Technologien dazu beitragen, synthetische Pestizide gezielter oder effektiver einzusetzen und so die benötigte Menge zu minimieren.

KI zur gezielten Bekämpfung des Pestizideinsatzes

Zu letzteren zählen KI-Technologien, die dabei helfen, Herbizide, Pestizide oder Fungizide gezielt genau auf die Pflanzen oder Bereiche eines Feldes anzuwenden, wo sie benötigt werden.

„Bei Unkräutern ist das recht einfach“, erklärt der deutsche Forscher Ralf Vögele, der sich in seiner Forschung auf neue Ansätze im Pflanzenschutz konzentriert.

„Wenn ich in einem normalen Ackerbau Unkraut beseitigen möchte, brauche ich nur eine hochauflösende Kamera und einen richtigen, schnellen Computer“, sagte er.

Eine landwirtschaftliche Maschine könnte dann erkennen, ob sich vor ihr eine Ernte oder ein Unkraut befindet, und entsprechend einen Grubber oder eine Hacke steuern, um nur das Unkraut zu vernichten.

Wenn es jedoch darum gehe, Pflanzen vor Schädlingen und Krankheiten zu schützen, sei der Einsatz von KI in ähnlicher Weise schwieriger, da sie weniger deutlich sichtbar seien, so der Forscher weiter.

„Wir arbeiten derzeit an großen Projekten mit dem Ziel, die Ernte durch andere bildgebende Verfahren zu erfassen und daraus Rückschlüsse darauf zu ziehen, ob sie gesund ist oder nicht“, erläuterte er.

„Das ist, gelinde gesagt, eine Herausforderung.“

Mittlerweile seien die dabei entstehenden Datenmengen so groß, dass Menschen sie nicht verarbeiten könnten, so Vögele.

„Das bedeutet, dass wir künstliche Intelligenz nutzen müssen, die wir trainieren können, um zu erkennen, welche Pflanzen gesund und welche krank sind“, fügte er hinzu.

Während solche Anwendungen derzeit noch unerschwinglich teuer sind, könnte sich dies laut dem Experten in den kommenden Jahren ändern.

Dennoch ist es für Vögele unwahrscheinlich, dass in Zukunft jeder Landwirt ein solches KI-basiertes System besitzen könnte. „Ich könnte mir vorstellen, dass letztlich auch Auftragnehmer diesen Service anbieten“, sagte er.

Entwerfen neuer Produkte

Neue Technologien können sich auch auf die Entwicklungsphase neuer Pflanzenschutzprodukte auswirken und diese an höhere Nachhaltigkeitsstandards und Wirksamkeitsniveaus anpassen.

In der Vergangenheit begann der Entdeckungsprozess neuer Pflanzenschutzmittel in der Regel mit dem Testen von Substanzen anhand einer führenden Bibliothek kleiner Moleküle.

Anschließend suchten die Forscher nach Erfahrungen, die ihrer Meinung nach Potenzial für den Pflanzenschutz haben könnten.

Nach diesen ersten Schritten wurden einige Stoffkandidaten für unterschiedliche Anwendungsfälle und verschiedene Kulturpflanzen in Betracht gezogen, bis schließlich der beste Stoff in Bezug auf Wirksamkeit und Sicherheit gefunden worden war.

Neue Produkte werden jetzt mithilfe von Computermodellen, proprietären Algorithmen und Multi-Omics-Techniken entwickelt, um durch maschinelles Lernen riesige Datenmengen zu nutzen.

„Diese Methoden gab es einfach nicht, als ich in die Pflanzenschutzchemie einstieg“, erklärte Axel Trautwein, Leiter der Regulierungswissenschaft bei Bayer.

Ihm zufolge können durch die in der Forschung angewandte neue Technologie völlig neuartige Pflanzenschutzlösungen entstehen.

RNA, neue genomische Techniken: der Weg nach vorne?

RNA-basierte Technologien wurden häufig in COVID-19-Impfstoffen und -Therapeutika eingesetzt, insbesondere die sogenannte Messenger-RNA, ein Molekül, das Anweisungen für Zellen enthält, die an der Proteinsynthese beteiligt sind.

Forscher und Privatunternehmen haben begonnen, das volle Potenzial RNA-basierter Technologien zu untersuchen, um Ziele zur Reduzierung chemischer Pestizide und zum Schutz von Bestäubern zu erreichen.

Laut dem jährlichen Nachhaltigkeitsbericht von GreenLight Biosciences, einem gemeinnützigen Unternehmen, das an RNA-basierten biologischen Alternativen arbeitet, könnten bis 2026 sieben Agrarprodukte dieser Art auf den Markt kommen, vorbehaltlich der geltenden behördlichen Genehmigung.

Die Akzeptanz RNA-basierter Alternativen durch die Regulierungsbehörden bleibt eine offene Frage, da sie beispielsweise in der EU immer noch mit einer auf chemische Substanzen zugeschnittenen Methodik bewertet werden, obwohl sie nicht chemisch sind.

Laut dem deutschen Forscher Vögele könnten neue genomische Techniken (NGTs) auch eine „klare Chance“ für die Reduzierung von Pestiziden bieten.

Durch NGTs können bestimmte Eigenschaften einer Kulturpflanze, beispielsweise ihre Widerstandsfähigkeit gegen Dürre oder Krankheiten, angepasst werden, indem sie gezielt auf bestimmte Teile ihres Genoms abzielen.

Das Argument des Forschers spiegelt auch die Kommentare mehrerer Kommissionsvertreter wider, darunter Vizepräsident Frans Timmermans, der vorschlug, dass die Vorschläge der EU-Exekutive zur Reduzierung von Pestiziden und zur Liberalisierung von NGTs ein Paket sein sollten, da sie eng miteinander verbunden seien.

Für den Forscher ergibt sich daraus die Chance, Pflanzen besser vor Krankheiten zu schützen und gleichzeitig Risiken zu minimieren.

„Wir können Dinge kontrolliert und ohne unbeabsichtigte Nebenwirkungen ändern. Ich denke, das ist eine große Chance“, schloss er.

[Edited by Alice Taylor]

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