Merkels grünes Erbe auf dem Prüfstand, als sie sich von Macron verabschiedet – EURACTIV.de

Frankreichs Präsident Macron begrüßte am Mittwoch (3. November) die amtierende Bundeskanzlerin Angela Merkel zu ihrem Abschiedsbesuch. Doch hochrangige Kritiker werfen der scheidenden Bundesregierung vor, ein dorniges Erbe zu hinterlassen.

Merkel und Macron trafen sich in der Kleinstadt Beaune, um „aktuelle internationale und europäische Angelegenheiten zu diskutieren“, und Deutschlands langjähriger Kanzler wurde bei ihrem Besuch mit dem Großkreuz der Ehrenlegion ausgezeichnet – dem höchsten französischen Verdienstorden.

Allerdings sind sich nicht alle einig, dass Merkel in den deutsch-französischen Beziehungen Lob verdient.

„Dass Merkel ihren Widerstand gegen Frankreichs nukleare Linie in der EU-Taxonomie praktisch aufgegeben hat, ist eine große Enttäuschung“, sagte der grüne Europaabgeordnete Sven Giegold.

Die Green Finance Taxonomie der EU dient als Leitfaden für klimafreundliche Investitionen, indem sie detaillierte Kriterien aufstellt, um zu bestimmen, ob eine Technologie als „grüne“ Investition angesehen werden kann.

Eine Entscheidung über den Status von Gas- und Kernenergie als Teil der Green-Finance-Regeln der EU wird im Dezember erwartet, wobei die Kommission einen sogenannten „delegierten Rechtsakt“ im Rahmen der Taxonomie vorschlagen wird.

Laut Giegold, einem der Chefunterhändler der Grünen bei den laufenden Koalitionsgesprächen, habe Merkel ihre Rolle als kommissarische Kanzlerin überschritten, indem sie zugestimmt habe, dass die Kommission ihren Vorschlag für den delegierten Rechtsakt zügig fertigstellen solle.

Er forderte, den Vorschlag bis zur Bildung einer neuen deutschen Regierung auf Eis zu legen, die mit Frankreich einen Kompromiss in dieser Angelegenheit aushandeln solle.

The Green Brief: Merkels klima-realpolitisches Erbe

Als sie an die Macht kam, wurde Angela Merkel schnell als „Klima-Kanzlerin“ bezeichnet, nachdem sie während der deutschen G8- und EU-Präsidentschaft 2007 der globalen Erwärmung Priorität eingeräumt hatte. Sechzehn Jahre später spricht ihre fragwürdige Erfolgsbilanz stattdessen eher von Klimarealpolitik.

Der deutsche Koalitionsbildungsprozess steht vor der im Januar beginnenden sechsmonatigen EU-Ratspräsidentschaft Frankreichs sowie den Präsidentschaftswahlen des Landes im April.

Auch Merkels ehemaliger Vizekanzler und Außenminister Sigmar Gabriel bemängelte die Erfolgsbilanz der scheidenden Regierung in der deutsch-französischen Zusammenarbeit in der EU.

„Ich glaube nicht, dass wir zwischen Deutschland und Frankreich ein gemeinsames Verständnis dafür haben, wohin wir in Europa gehen“, sagte er am Dienstag auf einer Konferenz der Universität Bonn.

Wann immer Macron Reformen vorschlug, um auf die europäische Souveränität hinzuarbeiten, seien diese von deutscher Seite missachtet worden, erklärte Gabriel, dies sei ein „großer Fehler“ gewesen.

Gabriel äußerte auch Zweifel, dass sein sozialdemokratischer Parteikollege Olaf Scholz, der weithin als wahrscheinlichster Anwärter auf das Kanzleramt gilt, diesbezüglich eine deutliche Wende einleiten würde.

Eine gemeinsame europäische Garantie für die Gemeinschaftswährung wäre laut Gabriel der Schlüssel zur Unabhängigkeit vom US-Dollar, indem der Euro zur Reservewährung gemacht wird. Scholz sei jedoch einer der „schärfsten Kritiker“ von Vorschlägen wie Eurobonds, als sie nach der Finanzkrise diskutiert wurden, fügte er hinzu.

Sparpolitik, Rechtsextreme, Uiguren: Merkels ambivalentes Erbe

Krisen haben ein Händchen dafür, Führer zu fällen. Nicht Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Während 16 Jahren an der Macht navigierte der Veteran Deutschland durch die Finanzturbulenzen von 2008 und die darauf folgende Schuldenkrise der Eurozone, den Flüchtlingsnotstand 2015 und jetzt die Coronavirus-Pandemie.

„Merkel hat erlebt …

[Edited by Frédéric Simon]


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