Französische und deutsche Finanzminister betonen beim ersten Treffen gemeinsame Interessen – EURACTIV.com

Obwohl er als harter Gegner der Staatsverschuldung bekannt ist, zeigte der neue deutsche Finanzminister bei seiner ersten Reise nach Paris nur wenige Tage nach seinem Amtsantritt seine Kompromissbereitschaft.

„Wir teilen nicht immer die gleichen Ideen zu Beginn des Prozesses, aber der besondere Charakter unserer Beziehung wird durch unsere Fähigkeit bestimmt, am Ende einen Konsens zu finden“, sagte der wirtschaftsfreundliche Liberale Christian Lindner auf einer Pressekonferenz.

Der französische Wirtschafts- und Finanzminister Bruno Le Maire begrüßte den neuen deutschen Finanzminister in Paris zu einem ersten Austausch. Beide waren bestrebt, einen guten Geist zu zeigen, und betonten, dass sie Freunde sind und dass eine Zusammenarbeit unerlässlich ist.

Reform der Fiskalregeln

Eines der wichtigsten Themen für die EU-Finanzminister ist die Reform des Rahmens für die wirtschaftspolitische Steuerung und der Fiskalregeln in Europa, über die im kommenden Jahr debattiert wird.

Die französische Regierung hat die aktuellen Fiskalregeln wiederholt als obsolet bezeichnet. Die EU hat derzeit den Stabilitäts- und Wachstumspakt ausgesetzt, um den Regierungen haushaltspolitischen Spielraum zu geben, um auf die Pandemie zu reagieren. Die allgemeine Ausstiegsklausel soll jedoch nach 2022 auslaufen.

Im Jahr 2023 werden die EU-Regierungen entweder neue Haushaltsregeln in Kraft setzen oder sie müssen zu den alten zurückkehren, die eine Staatsverschuldung von höchstens 60 % des BIP und ein jährliches Haushaltsdefizit von höchstens 3 % des BIP vorschreiben.

FDP-Chef Christian Lindner war vor der Wahl dagegen, die Fiskalregeln flexibler zu gestalten. Auch nach der Unterzeichnung des neuen Koalitionsvertrags zwischen Sozialdemokraten, Grünen und Liberalen blieb seine Partei in der Frage der Haushaltsdisziplin strikt.

Deutschland lehnt Lockerung der EU-Haushaltsregeln ab

Unter einem liberal geführten Finanzministerium wird Deutschland eine harte Linie in der EU-Finanzpolitik verfolgen und Forderungen aus südlichen EU-Ländern nach Lockerung der Haushaltsregeln ablehnen. Allerdings ist die wirtschaftsfreundliche FDP kompromissbereit. EURACTIV Deutschland berichtet.

Wachstum als „Voraussetzung für stabile Staatsfinanzen“

Als Finanzminister der deutschen Ampelkoalition hat Christian Lindner jedoch einen versöhnlicheren Ton angeschlagen. In seiner Antrittsrede bezeichnete Lindner seine Verwaltung als „Ermöglichungsministerium“.

Am Montagmorgen (13. Dezember) kündigte Lindner an, Deutschland werde weitere 60 Milliarden Euro an bisher ungenutzten Kreditlimits aufnehmen, um den Wiederaufbau zu finanzieren und in den grünen Übergang zu investieren.

Nach seinem Treffen mit Bruno Le Maire später am Tag sprach der deutsche Finanzminister über die Notwendigkeit, neue Finanzmittel zu mobilisieren, um Wachstum zu ermöglichen.

„Eine wachsende Wirtschaft ist die beste Voraussetzung für stabile öffentliche Finanzen“, sagte Lindner auf einer Pressekonferenz und bekräftigte damit einen zentralen Punkt des Vorgehens der französischen Regierung im Hinblick auf die öffentlichen Finanzen.

„Wer seine Staatsverschuldung abbauen will, braucht vor allem Wachstum“, argumentierte Le Maire. Europa dürfe sich nicht mit dem geringen Wachstum der letzten Jahre zufrieden geben.

„Es gibt keinen Grund, warum wir nicht das gleiche Wachstum wie die USA oder Entwicklungsländer haben sollten“, sagte er.

Inflationsrisiken

Auch Bruno Le Maire sorgte dafür, dass Lindner nahestehende Themen ansprach. Inflation sei ein ernst zu nehmendes Problem.

Die jährliche Inflationsrate erreichte im Oktober 4,1 % und sollte im November 4,9 % erreichen, den höchsten Wert seit Jahrzehnten, hauptsächlich getrieben durch Energiepreise und Versorgungsengpässe.

„Das Risiko ist real“, sagte Lindner. Er wies darauf hin, dass die Kombination von Währungsstabilität mit mehr Investitionen zur Modernisierung der Volkswirtschaften hin zu klimafreundlichen Alternativen nicht einfach, aber möglich sei.

Lindner argumentierte, dass sich die Debatte in den kommenden Monaten nicht hauptsächlich auf fiskalische Regeln, sondern auf Politik konzentrieren sollte.

„Was ist die richtige Politik in einer Zeit, in der wir uns dem Inflationsrisiko und der Notwendigkeit von Investitionen des öffentlichen und privaten Sektors stellen müssen? .

Sowohl Le Maire als auch Lindner argumentierten, dass sich in den kommenden Monaten ein Zeitfenster öffnet, da die französische Regierung die rotierende EU-Ratspräsidentschaft und Deutschland die G7-Präsidentschaft übernimmt.

Christian Lindner nannte das Zusammentreffen der parallelen Präsidentschaften ein „Fenster der Chance für Fortschritte“. Die kommenden Monate werden zeigen, ob die versöhnliche Atmosphäre zwischen den französischen und deutschen Finanzministern hält und ob das Zeitfenster genutzt werden kann.

[Edited by Frédéric Simon]


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