Europas öffentliche EV-Infrastruktur braucht einen ernsthaften Schub – Euractiv

22.000 öffentliche Ladepunkte. So viele müssen wöchentlich installiert werden, um das CO2-Reduktionsziel von 55 % für Pkw und Transporter bis 2030 zu erreichen. Doch die EU-Länder bleiben hinter ihnen zurück und haben im vergangenen Jahr nur 150.000 installiert.

Sigrid de Vries ist Generaldirektorin der European Automobile Manufacturers’ Association (ACEA), die 15 große europäische Hersteller von Pkw, Transportern, Lkw und Bussen vertritt.

Die Entwicklung hin zu Elektrofahrzeugen (EVs) ist ein Eckpfeiler der EU-Strategie zur Dekarbonisierung des Straßenverkehrs. Angesichts der ehrgeizigen Ziele, die CO2-Emissionen von Pkw und Transportern bis 2030 um 55 % und bis 2035 um 100 % zu reduzieren, ist ein massiver Umstieg auf Elektrofahrzeuge keine Wahl – sondern ein Muss.

Allerdings ist es keine kluge Dekarbonisierungsstrategie, einfach nur Ziele zu setzen, ohne den Aufbau von Ladestationen zu priorisieren. Europa hinkt bei der Einführung öffentlicher Ladestationen deutlich hinterher. Heute sind es nur noch rund 630.000, weit weniger als die 3,5 Millionen, die die Europäische Kommission bis 2030 benötigt.

Diese Zahl liegt allerdings am unteren Ende, eine Tatsache, die von der Kommission anerkannt wird. Realistischere Schätzungen gehen davon aus, dass bis 2030 8,8 Millionen Ladepunkte benötigt werden.

Aber unabhängig von den verwendeten Zahlen ist die Botschaft klar: Die EU-Mitgliedstaaten haben weniger als ein Jahrzehnt Zeit, um ihre ehrgeizigen Dekarbonisierungsziele zu erreichen, und der Ausbau der Infrastruktur hält einfach nicht Schritt.

Ladeinfrastruktur hat eine soziale Dimension

Die derzeitige Ladeinfrastruktur in der EU ist nicht nur unzureichend, sondern auch unzureichend verteilt. Viele Länder, insbesondere in Mittel- und Osteuropa, sind drastisch unterversorgt, wodurch ein zweistufiges System entsteht, in dem wohlhabendere westeuropäische Länder die Nase vorn haben. Tatsächlich sind fast zwei Drittel der EU-Ladepunkte auf nur drei Mitgliedstaaten konzentriert – die Niederlande, Frankreich und Deutschland.

Dieses Ungleichgewicht bedroht das grundlegende EU-Prinzip des Zusammenhalts und birgt die Gefahr, dass Ungleichheiten in der Art und Weise entstehen, wie Bürger am grünen Wandel teilnehmen und davon profitieren können. Eine unverhältnismäßige Konzentration in städtischen und wohlhabenden Gebieten kann auch zu einem erheblichen Ungleichgewicht bei der Einführung von Elektrofahrzeugen in den verschiedenen Regionen führen und so die soziale und wirtschaftliche Kluft verschärfen.

Europa muss außerdem seine Strategien für den Ausbau der Infrastruktur besser an die örtlichen Gegebenheiten und Bedürfnisse anpassen. Die Installation neuer Ladestationen in überfüllten städtischen Gebieten (wo Staus ein Problem darstellen und Parkplätze knapp sind) erfordert einen anderen Ansatz als die Elektrifizierung ländlicher und abgelegener Gebiete.

Doch die aktuellen Daten zeigen eindeutig, dass die Regionen mit dem höchsten Anteil an batterieelektrischen Autos auf der Straße auch über die höchste Anzahl an Ladepunkten pro 1.000 Einwohner und pro 10 km Straße verfügen. Eine bessere Infrastruktur führt zu einer besseren Einführung von Elektrofahrzeugen. Das bedeutet, dass wir bessere Richtlinien brauchen, um Anreize für den Ausbau zu schaffen.

Dabei kommt es nicht nur auf die Anzahl der Stationen an

Jede Station erfordert nicht nur Platz und Ausrüstung, sondern auch die Integration in ein Stromnetz, das nie für die Bewältigung einer derart konzentrierten Last ausgelegt ist. Umständliche und langwierige Genehmigungs- und Baugenehmigungsvorschriften stellen ein großes Hindernis für eine schnellere Installation dar.

Dies gilt auch für die vorhandene Stromnetzkapazität. Um die Ladestationen für Elektrofahrzeuge zu erweitern und den Mix aus erneuerbaren Energien zu erhöhen, sind umfangreiche Netzausbauten unerlässlich, doch diese sind mit Kosten verbunden – einer Investition von satten 240 Milliarden Euro bis 2030. Auch die Energieversorger müssen bei der Umstellung mitmachen.

Auch die Ladebranche für Elektrofahrzeuge ist noch nicht ganz ausgereift, da die Zahl der Ladepunktbetreiber immer noch wächst. Auch der Lademarkt ist fragmentiert, mit einer hohen Anzahl kleiner nationaler Player, viele davon Start-ups.

Die Margen sind niedrig und die Kapitalrendite sogar noch niedriger. 80 Prozent der EU-Mitgliedsstaaten bieten keinerlei Anreize für die Entwicklung oder den Bau von Infrastruktur. Das muss sich dringend ändern, um die dringend benötigten Investitionen in diesen noch jungen Sektor zu lenken.

Glücklicherweise fangen wir nicht bei Null an: Der Ausbau der Ladepunktinfrastruktur in der EU hat sich seit 2017 versechsfacht. Und was noch wichtiger ist: Auch die Installation privater Ladepunkte zu Hause, in Logistikdepots und auf Büroparkplätzen nimmt zu – wo viel aufgeladen wird.

Angesichts des Ausmaßes der Herausforderung muss der Ausbau öffentlicher Ladestationen jedoch beschleunigt werden, wenn es der EU ernst damit ist, Elektrofahrzeuge innerhalb der nächsten fünf Jahre für alle Europäer zur praktischen Realität zu machen.

Die Erreichung unserer gemeinsamen Ziele bedeutet weit mehr als nur die Festlegung von Zielen für die Fahrzeughersteller. Es bedeutet intelligente Richtlinien und Anreize. Wenn es den politischen Entscheidungsträgern heute nicht gelingt, die richtigen Entscheidungen zu treffen, um in Zukunft eine breite und zugängliche Einführung von Elektrofahrzeugen zu ermöglichen, besteht die Gefahr, dass der Aufbau der Ladeinfrastruktur in Europa zur Neige geht.

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