Die Nonnen der Fiktion: Experten für Leiden und Ehrfurcht


Eine Gruppe von Krähen ist ein Mord; Pandas, eine Verlegenheit; Nonnen, ein Überfluss – ein Begriff, der bis ins Mittelalter zurückreicht, als Nonnenklöster überfüllt, verlaust und mittellos waren. Heutzutage gibt es nicht zu viele Nonnen, da nur wenige Frauen Gelübde ablegen. Aber die Nonnen, die unter uns sind, bleiben kirchliche Arbeitspferde. Ordinierte Männer können stehen in persona Christi, was ihnen zum Beispiel die Supermacht der Transsubstantiation ermöglicht. Stehen aber Priester als Mittler zwischen Gott und den Gläubigen an vorderster Front der Kirche, stehen Nonnen an vorderster Front des Leidens: Sie bringen Gott zu den Sanftmütigen, Armen, Kranken, Gefangenen – also denen, die die Gesellschaft als überflüssig und wegwerfbar.

„Die Nonnen sind es, die die Dinge am Laufen halten“, schreibt Alice McDermott in ihrem exzellenten Nonnenroman „Die neunte Stunde“. Ihre Little Sisters of the Sick Poor sind, wie der Name schon sagt, Paradebeispiele: Sie füttern Zahnlose, trösten Trauernde, schrubben Böden, reinigen Wunden, wechseln Windeln, leeren Bettpfannen. Die Knochenarbeit ist unangenehm, aber sie sind unerschrocken; Sie sind bestrebt, ein „reines, sauberes Gegenmittel gegen Schmutz und Schmerzen“ bereitzustellen.

Natürlich sind Nonnen nicht immer in Geschichten als Vorbilder der Güte zu sehen: Chaucers Nonne war eine Schwindlerin. Und das Keuschheitsgelübde hat Nonnen längst zur Zielscheibe der Erotik gemacht. Boccaccios Nonnen sind fleischlich unersättlich; Isabellas Tugend steht in Shakespeares „Maß für Maß“ auf dem Spiel; Versuchung und Besessenheit treiben Rumer Goddens „Black Narcissus“ an. Zu anderen Zeiten sind Nonnen Ziel der Politisierung: Anti-katholische Autoren von Gothic-Romanen – Matthew Lewis, Ann Radcliffe, Charlotte Brontë – waren brutal zu ihren Schwestern, schlugen sie blutig oder machten sie zu bösen, rachsüchtigen Geistern. In diesen Geschichten werden Nonnen zu Objekten der Fantasie, Lust und Abscheu.

Aber in neueren Romanen sorgt das Ausmaß der Andersartigkeit der Nonnen für Spannung und reiche Charakterisierung. Nonnen halten sich physisch und kulturell beschränkt, vorgeblich besorgt um das Heil und das Himmlische, aber mehr als jede andere Gruppe in der Kirchenhierarchie stoßen sie auf die Welt und all ihr hässliches Leiden. In dieser Reibung liegt viel erzählerisches Potenzial.



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