Deutschlands Habeck fordert eine „Zeitenwende“ bei Industriesubventionen – EURACTIV.com

In einem Appell an die Koalitionspartner und die Europäische Kommission forderte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) mehr Subventionen zur Sicherung von Industrieproduktion und Arbeitsplätzen.

Angesichts der Angst vor einer Deindustrialisierung Deutschlands unterstrich Habeck am Dienstag (24. Oktober) die Notwendigkeit von Subventionen und forderte eine breite Debatte über die Rolle des Staates bei der industriellen Transformation.

Die deutsche Wirtschaft, einst eine Industriemacht, stehe aufgrund geopolitischer Spannungen, der Notwendigkeit zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes und vernachlässigter Rahmenbedingungen wie schlechter Infrastruktur und bürokratischer Abläufe unter enormem Druck, betonte er bei der Vorstellung der neuen Industriestrategie.

„Wir befinden uns in einer ‚Zeitenwende‘“, sagte Habeck und bezog sich dabei auf die „Wende“, die Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD/S&D) nach Beginn des Krieges in der Ukraine ausgerufen hatte.

„Aus meiner Sicht bedeutet das nicht nur den konkreten, schrecklichen, immer noch wütenden Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine, sondern auch die damit einhergehenden geo- und gesellschaftspolitischen Herausforderungen und Veränderungen, die in unserem Ordnungsrahmen einfach nicht eingepreist sind“, sagte Habeck sagte.

Angesichts der neuen Situation müsse der Staat eine aktivere Rolle bei der Sicherung von Industrieproduktion und Arbeitsplätzen übernehmen, auch durch die Aufnahme weiterer Schulden, sagte Habeck, räumte jedoch ein, dass dies innerhalb seiner eigenen Regierungskoalition umstritten sei.

„Wir müssen darüber nachdenken, ob die Regeln, die wir uns in einer anderen Zeit der ewig lächelnden Globalisierung, des freundschaftlichen Miteinanders, des billigen russischen Gases gegeben haben, für die neue Zeit passen“, sagte Habeck.

Wirtschaftskrise schlimmer als erwartet, sagt die Bundesregierung

Laut ihrer am Mittwoch veröffentlichten überarbeiteten Herbstprognose hat die Regierung ihre Wirtschaftswachstumsprognosen für das laufende Jahr herabgestuft, was auf eine tiefer als erwartete Wirtschaftskrise und eine langsamere Erholung hinweist.

Während die Frühjahrsprognose der Regierung ein leichtes Wachstum von 0,4 % vorhersagte, …

Verdoppelung der Stromsubventionen

Der Ausstieg aus russischem Gas hat dazu geführt, dass viele deutsche Industrien mit höheren Energiepreisen konfrontiert sind als vor Kriegsbeginn, eine Situation, die voraussichtlich auch in den kommenden Jahren anhalten wird.

Ebenso seien die Strompreise in Deutschland höher als in anderen Ländern wie den USA oder China, aber auch Frankreich, heißt es in dem Strategiepapier.

Habeck wiederholte damit seine Forderung nach einem subventionierten Strompreis für bestimmte energieintensive Industrien, den er als „Brücke“ sieht, bis mit neu gebauten Wind- und Solarkraftwerken billiger Strom bereitgestellt werden kann.

Dagegen lehnen bislang sowohl der liberale Finanzminister Christian Lindner (FDP/Renew Europe) als auch Bundeskanzler Olaf Scholz ab, dass angesichts der aktuellen Inflation die Staatsausgaben nicht erhöht werden sollten, um den Preisdruck nicht weiter zu verstärken.

Auch viele Ökonomen stellen diese Pläne infrage und verweisen darauf, dass die Strompreise in Deutschland aufgrund der ungünstigen Rahmenbedingungen für erneuerbare Energien auf lange Sicht ohnehin höher bleiben dürften als in anderen Ländern.

In einer solchen Situation wäre es besser, einige Industrien ins Ausland verlagern zu lassen, insbesondere für Primärprodukte wie Stahl und bestimmte Chemikalien. Das Argument geht.

Die Denkfabrik Dezernat Zukunft hat unter anderem argumentiert, dass energieintensive Industrien zwar 76 % des Energiebedarfs in der Gesamtproduktion ausmachen, aber nur 15 % der Arbeitsplätze.

Für Habeck war jedoch die Präsenz der gesamten Wertschöpfungskette in Deutschland einer der Schlüsselfaktoren für den Erfolg der deutschen Industrie in der Vergangenheit, weshalb „wir die Grundstoffindustrien möglichst hier halten wollen“, sagte er.

Hinterfragen der EU-Förderregeln

Habecks Äußerungen sind auch ein Appell an die Europäische Kommission, die Genehmigung nationaler Subventionen zu lockern, die bisher oft durch die Angst vor Wettbewerbsverzerrungen innerhalb Europas erschwert werden.

„Wir haben uns dort ein Wirrwarr von Verfahren ausgedacht, alle aus der internen Sicht auf die innere Verfassung des europäischen Binnenmarkts“, sagte er.

Angesichts der Konkurrenz mit China und den USA „schlagen wir jedoch vor, bestimmte Verfahren stärker auf europäischer Ebene zu bündeln und zu konzentrieren, damit der Notifizierungsprozess schneller abgeschlossen werden kann“, fügte er hinzu.

Nach Ansicht von Habeck erfordert die neue Situation generell, die von Finanzminister Lindner vertretene Politik der fiskalischen Zurückhaltung in Frage zu stellen. Spätestens im nächsten Wahlzyklus, der 2025 beginnt, sollte die Politik Möglichkeiten prüfen, den „fiskalischen Spielraum“ der Regierung zu erweitern, sagte Habeck und plädierte für mehr öffentliche Ausgaben und Investitionen.

Seine Forderung nach einem aktiveren Staat wurde jedoch schnell von der konservativen Opposition CDU/CSU (EVP) kritisiert, die mehr private Initiative statt staatlicher Unterstützung forderte.

Der Strategie liege „das Missverständnis zugrunde, dass eine Politik der Rahmenbedingungen einen Staat braucht, der in die Wirtschaft eingreift, der sie im eigenen Interesse gestaltet und umwandelt“, sagte CDU-Wirtschaftssprecherin Julia Klöckner in einer Stellungnahme.

„Das Land sieht sich laut Herrn Habeck als wohlmeinender Dressurherr über die Wirtschaft“, sagte sie und fügte hinzu: „Das ist der falsche Weg.“

Statt Subventionen an einzelne Unternehmen zu verteilen, forderte sie eine „Entlastungs- und Vereinfachungspolitik, um die Wettbewerbsfähigkeit der gesamten Wirtschaft zu stärken“.

[Edited by János Allenbach-Ammann/Nathalie Weatherald]

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