Deutschland strebt eine Diversifizierung der Wirtschaftsbeziehungen an, um das „durchsetzungsfähigere“ China anzusprechen – EURACTIV.com

Deutschland wolle seine Wirtschaftsbeziehungen diversifizieren, aber nicht auf Kosten Chinas, sagte die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock am Donnerstag (13. Juli), als sie die erste Strategie des Landes für den Umgang mit Peking vorstellte.

„Wir wollen weder die wirtschaftliche Entwicklung Chinas noch unsere eigene behindern“, sagte Baerbock auf einer Veranstaltung des Mercator Institute for China Studies (MERICS), kurz nachdem die Bundesregierung ihre lang erwartete neue Strategie vorgestellt hatte.

Auch Bundeskanzler Olaf Scholz twitterte kurz darauf: „Unser Ziel ist nicht die Entkopplung [from Beijing]. Aber wir wollen kritische Abhängigkeiten künftig reduzieren“, fügte er hinzu, die Politik „reagierte auf ein verändertes und durchsetzungsstärkeres China“.

Die Strategie, die das Ergebnis monatelanger Auseinandersetzungen innerhalb der Bundesregierung zwischen restriktiveren Grünen und handelsfreundlicheren Sozialdemokraten ist, soll „realistisch, aber nicht naiv“ sein, so Baerbock sagte Reportern in Berlin.

Das 61-seitige Dokument, von dem Berlin sagte, dass es in den Ansatz der EU gegenüber Peking eingebettet sein würde, spiegelt die Formel des Blocks wider, dass Peking ein „Partner, Konkurrent und systemischer Rivale“ sei.

Der Aspekt der systemischen Rivalität sei jedoch „im Laufe der Jahre stärker in den Vordergrund gerückt“, heißt es in der Strategie.

„China hat sich schneller verändert als jedes andere Land der Welt […] Daher ist es notwendig, den Umgang mit China zu ändern“, sagte Baerbock.

Risikominimierung

Die Strategieveröffentlichung erfolgt zu einem Zeitpunkt, an dem die EU nach einem gemeinsamen Vorgehen gegenüber Peking sucht. Die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, hat eine Strategie der diplomatischen und wirtschaftlichen „Risikoreduzierung“, aber nicht der Entkopplung dargelegt.

In der Strategie Deutschlands wird dargelegt, wie die Regierung das Ziel einer „Risikominderung“ der Beziehungen zu China interpretiert, um einseitige Abhängigkeiten von der chinesischen Wirtschaft und den Lieferketten zu vermeiden.

Die Regierung schlägt hinsichtlich der chinesisch-deutschen wirtschaftlichen Abhängigkeiten einen härteren Ton an, da cUnternehmensriesen wie Volkswagen und Siemens haben in den letzten Monaten Wachstumsstrategien skizziert, die stark auf dem chinesischen Markt basieren.

Die neue Richtlinie besagt nun, dass Berlin versuchen wird, Anreize für Unternehmen zu schaffen, ihr Unternehmensrisiko und ihre Abhängigkeit von Peking zu verringern.

„Unternehmen, die sich in hohem Maße vom chinesischen Markt abhängig machen, müssen das finanzielle Risiko zunehmend selbst tragen“, kündigte Baerbock an.

Während der Staat deutsche Investitionen in China weiterhin schützen wird, deutet die Strategie darauf hin, dass Garantien in Ausnahmefällen zurückgezogen werden könnten, und kündigt fortgeschrittene Überprüfungen an, um sicherzustellen, dass Projekte den Umwelt- und Menschenrechtsstandards entsprechen.

Die Versicherung deutscher Exporte soll auf unerwünschte Technologietransfers und die Förderung von Abhängigkeiten von China überprüft werden, heißt es in der Strategie.

EU-Kohärenz

Die EU ist von ihrer Abhängigkeit von russischem Gas erschöpft und leidet unter den Unterbrechungen der Lieferkette während der Pandemie. Sie hat ihre Bemühungen zur Diversifizierung weg von China intensiviert.

Es wird erwartet, dass die europäischen Staats- und Regierungschefs später in diesem Jahr kurz vor einem bahnbrechenden EU-China-Gipfel über die Beziehungen der Union zu Peking diskutieren.

Ein Schlüsselfaktor der Strategie ist explizit einem gemeinsamen europäischen Vorgehen gewidmet.

„Eine deutsche China-Strategie kann es nur geben, wenn sie in einer europäischen verankert ist, und eine europäische China-Strategie wird ohne eine synchronisierte deutsche nicht funktionieren – das sind zwei Seiten derselben Medaille“, betonte Baerbock.

Sie kündigte an, dass Deutschland in Abstimmung mit den EU-Partnern die Macht des Binnenmarktes als Verhandlungsbasis zur Wahrung seiner Interessen nutzen wolle. Bilaterale Austausche wie die deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen würden nun stärker mit anderen europäischen Ländern koordiniert.

Im Wettbewerb um Schlüsselressourcen und kritische Rohstoffe, die für den globalen grünen Wandel erforderlich sind, schlägt die Regierung vor, sich stärker auf europäische Handelsabkommen zu verlassen und sich stärker auf den Aufbau von Beziehungen zu Ländern in Afrika, Lateinamerika und im Indopazifik zu konzentrieren.

Umfangreicher als die im Juni veröffentlichte Nationale Sicherheitsstrategie weist die China-Strategie auf Sicherheitsrisiken im Zusammenhang mit chinesischen Aktivitäten in Deutschland hin.

Peking wird für seine stillschweigende Unterstützung des russischen Krieges in der Ukraine und für sein aggressives Verhalten im Südchinesischen Meer angepriesen.

Am wichtigsten ist, dass die Regierung zwar erneut das Engagement Deutschlands für die „Ein-China-Politik“ betont, China jedoch vor Versuchen warnt, den Status quo in Bezug auf Taiwan zu ändern, und Deutschland im Falle einer Invasion fest in das amerikanische Lager einordnet.

„Eine militärische Eskalation [in the Taiwan strait] „Das würde deutsche und europäische Interessen beeinträchtigen“, heißt es in der Strategie.

Erleichterung und Sorgen

In ersten Reaktionen zeigten sich die deutschen Behörden erleichtert über die Vorstellung der Strategie.

Die Veröffentlichung der Strategie war ein zentrales Versprechen der deutschen Koalitionsregierung gewesen, doch die Veröffentlichung der endgültigen Fassung verzögerte sich aufgrund interner Meinungsverschiedenheiten immer wieder.

„Ursprünglich im Februar erwartet, schien die erste deutsche China-Strategie seit Monaten verloren zu sein, doch jetzt ist sie endlich ans Licht gekommen“, sagte Reinhard Bütikofer, außenpolitischer Sprecher der Grünen/EFA-Fraktion im Europäischen Parlament.

Auch der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) begrüßte das Mantra der Strategie „Risiko abbauen, aber nicht entkoppeln“ und lobte den Schwerpunkt auf Diversifizierung und Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit.

Ihr Präsident Siegfried Russwurm äußerte jedoch Bedenken, dass die Maßnahmen zur Einschränkung der Geschäftstätigkeit in China zu radikal sein könnten.

„Bezüglich der konkreten Ausgestaltung bestimmter Maßnahmen besteht noch Diskussionsbedarf, beispielsweise zu Instrumenten zur Steuerung deutscher Investitionen im Ausland.“ … Es besteht die Gefahr, die unternehmerische Dynamik zu sehr einzuschränken und so die Schaffung von Wohlstand und Innovation zu behindern“, sagte Russwurm.

[Edited by Alexandra Brzozowski/Nathalie Weatherald]

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