Der Fleck auf Merkels Erbe – POLITICO

Daniel Hegedüs ist Transatlantic Fellow beim German Marshall Fund of the United States

BERLIN – Die 16-jährige deutsche Kanzlerschaft von Angela Merkel hat alle drei großen Krisen der Europäischen Union des 21.

Und während sie mit dem ersten bewundernswert war und das zweite erfolgreich überlebte, ist es das letzte, das ihr Vermächtnis definieren wird. Merkel lässt das Rechtsstaatsproblem der EU – langfristig die transformativste Herausforderung für die europäische Integration – nicht einfach für ihren Nachfolger ungelöst. Vor allem unter ihrer Aufsicht konnten die autoritären Ambitionen des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán und des starken Polens Jarosław Kaczyński zu einer systemischen Herausforderung für die EU werden.

Merkel wird ständig dafür kritisiert, dass sie Orbán gegenüber weich ist und den Interessen der deutschen Automobil- und Fertigungsindustrie Vorrang vor der demokratischen Integrität der EU einräumt. Ihr wird auch vorgeworfen, sich nicht gegen die autoritäre Dynamik des Landes ausgesprochen zu haben, um das schwarze Schaf der Europäischen Volkspartei (EVP), Orbáns Fidesz-Partei, in der konservativen politischen Familie zu halten.

Hätte Merkel anders handeln und harte rote Linien für Ungarn und Polen ziehen können? Keine Frage.

Aber kann Europa von seinem Nachfolger in Berlin einen radikal anderen, kritischen Umgang mit den Möchtegern-Autokraten der EU erwarten? Nicht unbedingt.

Merkels strategische Entscheidungen waren nicht ihre allein; sie sind tief in den grundlegenden Traditionen deutscher Politik und Diplomatie verwurzelt. Damit teilen sie nicht nur die Christdemokraten (CDU), sondern auch die deutsche Sozialdemokraten (SPD), die liberalen Freien Demokraten (FDP) und in geringerem Maße auch die Grünen.

Was die deutsche Haltung gegenüber Ungarn und Polen prägte, geht darüber hinaus, dass diese Länder organische Teile oder der deutsch-mitteleuropäische Produktionskern sind und daher über umfangreiche und ständig wachsende Bestände an deutschen ausländischen Direktinvestitionen (ADI) verfügen.

Es geht auch über die Wahrheit hinaus, dass die deutsche Politik von der historischen Verantwortung des Landes gegenüber den mittel- und osteuropäischen Ländern geprägt ist und der Fidesz ein wichtiges Mitglied der EVP war.

Unter der Oberfläche liegen zwei strategische Treiber, die Berlins Umgang mit der zunehmenden Autokratisierung in seiner mitteleuropäischen Nachbarschaft geprägt haben.

Erstens die traditionelle Unfähigkeit der deutschen Eliten, die nationalen Interessen des Landes seit der Wiedervereinigung anders als wirtschaftlich zu definieren. In dieser Denkweise überwiegen geoökonomische Überlegungen alles andere, ein Trend, der sich auch in Deutschlands Umgang mit Russland und China gut widerspiegelt.

Zweitens ist die deutsche politische und außenpolitische Kultur stark konsens- und dialogorientiert. Mit und nicht über die mitteleuropäischen Autokraten zu sprechen, ist seit einem Jahrzehnt ein Mantra deutscher Diplomatie.

Diese außenpolitische Tradition ist jedoch praktisch machtlos gegenüber Gesprächspartnern, die den Dialog vortäuschen, wie die ungarische Regierung, oder nicht bereit sind, auch nur einen Schritt weiter zu gehen, als nur Kommunikationskanäle aufrechtzuerhalten, wie Polen.

Zusammengefasst sind Demokratie und Rechtsstaat im Berliner Verständnis einfach Werte, die nichts mit ihren Interessen zu tun haben. Sie sind nett zu haben, aber nicht unbedingt erforderlich, um Gewinne zu erzielen. Sie verdienen Lippenbekenntnisse, hinken jedoch in Bezug auf den Marktzugang und die Aufrechterhaltung des Dialogs hinterher.

SPD, Grüne und FDP mögen diesen beiden Werten stärker verpflichtet sein als ihre konservativen Pendants, aber sie repräsentieren keine andere Denkrichtung, wenn es um Interessenformulierung und -strategie geht. Sie teilen die gleichen Traditionen und strukturellen Zwänge, die die deutsche Politik unter Merkel prägten.

Dieser Makel im Erbe der Kanzlerin ist das gemeinsame Erbe der deutschen politischen Klasse. Es ist auch das Vermächtnis der SPD, die 12 ihrer 16 Amtsjahre mit Merkel regiert und in dieser Zeit das Auswärtige Amt kontrolliert hat.

Nicht bereit oder in der Lage, glaubwürdig mit Sanktionen zu drohen, steckt die deutsche Diplomatie in einer leeren Dialogfalle. Merkels Nachfolgerin hat die Chance, den von ihr eingeschlagenen Weg zu verlassen und zu zeigen, dass Deutschlands Weg zur Autokratisierung in der EU anders sein kann.

Es gibt gute Gründe, daran zu zweifeln. Aber wenn die nächste Kanzlerin Deutschlands Haltung nicht ändert, wird der Fleck auf Merkels Erbe zu ihrem eigenen.

WAHLUMFRAGE DES DEUTSCHEN NATIONALPARLAMENTS

Weitere Umfragedaten aus ganz Europa finden Sie unter POLITIK Umfrage von Umfragen.

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