Das polnische Gericht war nicht umstritten – EURACTIV.com

Trotz des Aufschreis der liberalen Eliten nach dem polnischen Gerichtsurteil von letzter Woche legen die EU-Verträge klar die Grenzen zwischen nationalen Verfassungen und EU-Recht fest. Es ist Zeit für eine Perspektive, schreibt Judit Varga.

Judit Varga ist ungarische Justizministerin.

Das Urteil des polnischen Verfassungsgerichts zur Frage des Vorrangs des EU-Rechts löste bei den linksliberalen Eliten in Westeuropa einen gewaltigen Aufschrei aus.

„Ein weiterer Nagel im Sarg der Demokratie in Polen“ – denken sie vielleicht, vergessen dabei aber nur, dass EU-Verträge den europäischen Institutionen eigentlich keine uneingeschränkte Macht einräumen. Außerdem legen sie klar die Grenzen zwischen nationalen Verfassungen und EU-Recht fest.

Am vergangenen Donnerstag entschied das Verfassungsgericht in Warschau, dass bestimmte Bestimmungen der EU-Verträge nicht mit dem polnischen Verfassungssystem vereinbar sind.

Nach der Mehrheitsmeinung des polnischen Verfassungsgerichts bedeutet die EU-Mitgliedschaft nicht, dass der Gerichtshof der Europäischen Union nationale Verfassungen außer Kraft setzen kann oder dass Polen seine Souveränität vollständig auf die Europäische Union übertragen hat.

Linksliberale Meinungsführer und Selfmade-Anwälte sprießen wie Pilze aus dem Boden, um zu schreien und die Rechtsstaatsverfechter zu alarmieren, obwohl sie den EU-Vertrag wohl noch nicht einmal gelesen haben.

Wenn sie dies getan hätten, hätten sie gewusst, dass es gemäß Artikel 1 des Vertrags über die Europäische Union die Mitgliedstaaten sind, die die Europäische Union untereinander gegründet haben, um gemeinsame Ziele zu erreichen.

Um diese gemeinsamen Ziele wirksam zu erreichen, haben die Mitgliedstaaten der Union bestimmte Zuständigkeiten übertragen, aber Zuständigkeiten, die der Union nicht in den Verträgen übertragen wurden, verbleiben bei den Mitgliedstaaten.

Daraus folgt, dass die EU und ihre Institutionen den Mitgliedstaaten keine Kompetenzen entziehen können, die ihnen nie von den Mitgliedstaaten übertragen wurden. Daraus folgt auch, dass die Europäische Union und ihre Institutionen ohne Zustimmung der Mitgliedstaaten einfach keine Kompetenzen für sich schaffen können.

Falls das nicht ausreichen würde, um linksliberale Politiker aus ihrer bequemen Blase zu befreien, vergessen wir nicht, dass das Urteil des polnischen Verfassungsgerichts kein Einzelfall ist.

Im vergangenen Jahr hat das Bundesverfassungsgericht (GCC) erklärt, dass die Grundlagen der Kompetenzverteilung in der Europäischen Union zur Wahrung des Demokratieprinzips unbedingt zu beachten sind.

Die Attribute der europäischen Integrationsagenda dürfen die Anwendung dieses Grundprinzips der Europäischen Union nicht untergraben. Darüber hinaus führte der GCC aus, dass die Aufgabe der Souveränität und verfassungsrechtlichen Identität nicht aus dem Vorrang des Unionsrechts folgt.

Sowohl die deutschen als auch die polnischen Entscheidungen wurden durch die schlechte Praxis der EU-Institutionen ausgelöst, die gegen den Grundsatz der Befugnisübertragung verstößt, obwohl die Grenzen zwischen nationalen Verfassungen und EU-Recht in den Verträgen klar festgelegt sind.

Eurokraten müssen daher akzeptieren, dass sie keine unbegrenzte Macht haben und niemals Regierungen erpressen und diskreditieren können, nur weil sie an ihrer eigenen nationalen Identität, Kultur und Werten festhalten wollen.

Der Vorrang des Unionsrechts kann nur in Bereichen bestehen, in denen Mitgliedstaaten ihre Zuständigkeit mit der Europäischen Union teilen (zB Binnenmarkt-, Umwelt- oder Wettbewerbsrecht), deren Rahmen in den Verträgen der Europäischen Union festgelegt ist.

Nach den jüngsten Ereignissen in der europäischen Arena, die von den beispiellosen Angriffen neomarxistischer Stimmen auf nationale Gesetze und Werte dominiert wurden, sind wir zu dem traurigen Schluss gekommen, dass diejenigen Mitgliedstaaten, die einer echten europäischen Agenda folgen und immer darauf bestehen, gemäß den Verträgen zu handeln, werden irgendwie als die Bösen dargestellt.

Auf der anderen Seite präsentieren sich diejenigen, die eine immer engere Union und eine heimliche Übertragung von EU-Kompetenzen fordern, als Verteidiger der europäischen Werte und der Gemeinschaft als Ganzes.

Eine letzte Frage dann: Wie will die linksliberale Elite heute, wenn unsere Gemeinschaft so vielen Herausforderungen von Pandemien bis hin zu digitaler Technologie gegenübersteht, europäische Werte schützen, wenn sie dies nur tun können, indem sie dieselben Werte und Vertragsregeln bricht?


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