Au revoir, Deutschlands Atomkraftwerke – EURACTIV.de

Am 15. April wird Deutschland seine letzten verbliebenen Kernkraftwerke abschalten. Damit endet der über 60-jährige Vorstoß des Landes in die Kernenergie und eine langjährige Ära der deutsch-französischen Zusammenarbeit.

1961 ging das erste Kernkraftwerk Deutschlands, eine kleine Versuchsanlage namens Kahl, ans Netz. Es folgten Jahre der rasanten Expansion, aber es entwickelte sich eine umfassende Gegenkultur, die in der Gründung der Grünen gipfelte.

Die Atomkatastrophe von Fukushima im Jahr 2011 läutete den Todesstoß für die Atomkraft in Deutschland ein, als die größte Anti-Atomkraft-Demonstration aller Zeiten mit rund 250.000 Menschen zusammenkam. Am 30. Mai kündigte die Bundesregierung unter Führung der konservativen Bundeskanzlerin Angela Merkel einen Plan zur Abschaltung aller Kernreaktoren bis 2022 an.

Am 15. April werden die letzten drei Reaktoren abgeschaltet. „Die Atomkraftwerke werden jetzt über kurz oder lang abgebaut“, sagte Vizekanzler Robert Habeck am 9.

Die Kraftwerke arbeiteten monatelang im Notbetrieb, da die Brennstäbe für die verbleibende Energie ausgepresst wurden, und die Energiekrise in Europa hatte ihre geplante Abschaltung Ende 2022 um einige Monate verzögert.

Deutschlands letzte Kernreaktoren speisten täglich 70 Gigawattstunden ins Netz und deckten damit je nach Tageszeit etwa 3 bis 7 % des deutschen Strombedarfs.

Atomkraft ist in Deutschland längst ein Thema, das die öffentliche Debatte entzündet und sowohl von Liberalen als auch von Konservativen kritisiert wird, während grüne Politiker den Ausstieg eher begrüßen.

„Der Ausstieg ist vor allem ein endgültiger Einstieg: in eine sichere und risikoarme, bezahlbare und saubere Energieversorgung – ins Zeitalter der Erneuerbaren“, sagte Grünen-Chefin Ricarda Lang der dpa.

Die Liberalen bestehen darauf, dass Atomkraft benötigt wird, um eine ausreichende Energieversorgung zu gewährleisten.

„Der Weiterbetrieb der Kernkraftwerke ist aus meiner Sicht für die Energiesicherheit und den Kohleausstieg notwendig“, sagte Bijan Djir-Saraider Generalsekretär der wirtschaftsfreundlichen FDP.

Die Sozialdemokraten, die dritte Partei in der Bundesregierung, weisen dieses Argument zurück.

„Unsere Energieversorgung in Deutschland ist natürlich auch nach dem 15. April gesichert. Wer etwas anderes sagt, tut dies nur, um die öffentliche Meinung und Ängste in der Bevölkerung zu schüren“, sagte der energiepolitische Sprecher der SPD, Jakob Blankenburg Quaddel.

Konservative stellen die Klimafreundlichkeit des Shutdowns in Frage.

„Der Rückbau der Atomkraftwerke ist ein schwarzer Tag für den Klimaschutz in Deutschland“, sagte Jens Spahnenergiepolitischer Sprecher der oppositionellen CDU und ehemaliger Gesundheitsminister.

Beobachter weisen schnell darauf hin dass eine CDU-Regierung schließlich ihre Schließung verfügte und dass die Partei selbst in die Wahl 2021 bestand und darauf bestand, dass sie wie geplant geschlossen wurde.

Die deutsche Öffentlichkeit ist gespalten, obwohl die Atomkraft in den letzten Jahren aufgrund der Energiekrise an Boden gewonnen hat. Einer aktuellen Umfrage zufolge befürworten 52 % der Deutschen eine Verlängerung der Atomlaufzeiten, 37 % lehnen dies ab.

Doch die Abkehr Deutschlands von der Atomkraft hat auch Auswirkungen auf das Verhältnis im Herzen Europas, das deutsch-französische Duo.

In die gleiche Richtung ziehen

2021 speist der dritte Reaktor des finnischen Kernkraftwerks Olkiluoto Strom ins Netz ein – ähnlich wie vor 60 Jahren das deutsche Kahl.

Dies war das Ergebnis deutsch-französischer Bemühungen. Der Typ des Reaktors, Druckwasser und bekannt als EPR, war gemeinsam von französischen und deutschen Unternehmen entworfen worden.

Ihre Zusammenarbeit begann zu einer Zeit, als Atomkraft in Deutschland noch nicht zum absoluten No-Go der späteren Jahre geworden war. In den 1990er Jahren wurde das Forschungsministerium des frisch geeinten Landes durchweg von der atomfreundlichen liberalen FDP gehalten.

Damals begannen die beiden Länder mit der gemeinsamen Arbeit am Nuklearprojekt. 1991 schlossen sich Frankreichs Energieriese EDF und deutsche Unternehmen zusammen begann die gemeinsame Entwicklungsarbeit. Kurz darauf Paris und Berlin versucht, eine harmonisierte Definition zu schaffen für einen EPR-Reaktortyp, der die Auswirkungen eines möglichen Worst-Case-Szenarios verringern sollte, indem er viel sicherer war.

Diese gemeinsame Entwicklung gipfelte im Baubeginn im finnischen Olkiluoto. Von den 1.600 Unternehmen, die für die Reaktoren unter Vertrag genommen wurden, mehr als die Hälfte waren Deutsche.

Allerdings ist die kooperative Atmosphäre inzwischen verblasst, insbesondere aufgrund der von SPD und Grünen durchgesetzten Entscheidung Deutschlands, seine Atomausstiegspolitik nach der Fukushima-Katastrophe zu beschleunigen. Die Franzosen sind davon überzeugt, dass Brüssel, möglicherweise von Berlin beeinflusst, eine Anti-Atom-Politik vertritt.

Der französische Wirtschaftsminister Bruno Le Maire wies Kritik aus Deutschland zurück und betonte den Respekt vor der souveränen Entscheidung jedes Landes bei der Energiewahl. Er forderte auch gegenseitigen Respekt und erklärte, dass er erwarte, dass Deutschland die Entscheidungen Frankreichs in Bezug auf die Kernenergie nicht kritisieren werde, da Frankreich seine nuklearen Ambitionen verstärke.

In Deutschland bezeichnen einige französische Kernkraftwerke als „Müllreaktoren“, eine Bezeichnung, die der französische Minister ablehnt, da er erklärt, dass Reparaturen in der Vergangenheit technische Probleme behoben hätten.

Die unterschiedlichen Haltungen Frankreichs und Deutschlands zur Kernenergie haben zu Spannungen in ihren bilateralen Beziehungen geführt, wobei jedes Land für seine jeweilige Energiepolitik eintritt.

[Edited by Nathalie Weatherald and Frédéric Simon]


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