3 Gründe, warum Deutschlands Migrationskrise diesmal anders ist – POLITICO

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Von künstlicher Intelligenz geäußert.

BERLIN – Die Zahl der Flüchtlinge, die in diesem Jahr nach Deutschland kommen, ist fast so hoch wie 2015 – als die Regierung daran fast gescheitert wäre.

Als in Syrien der Bürgerkrieg ausbrach, kamen Flüchtlinge in Massen nach Europa. Zwischen Ende 2015 und Anfang 2016 kamen Zehntausende nach Deutschland. Die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte: „Wir schaffen das” – “Wir haben das.” Merkels Regierung ließ Migranten nach Deutschland einreisen, obwohl im Rahmen der EU auch andere Staaten des Blocks für sie zuständig gewesen wären. Der massive Zustrom führte sowohl innerhalb Deutschlands als auch zwischen den europäischen Hauptstädten zu Spannungen.

In den Jahren 2015 und 2016 wurden in Deutschland fast 1,2 Millionen Asylanträge gestellt. Zunächst applaudierten viele Deutsche den Syrern, die an den Bahnhöfen ankamen, und boten Unterstützung an – prägend für den Begriff Willkommenskultur. Aber als die Städte und Gemeinden überfordert waren und Turnhallen und Containerdörfer errichtet wurden, um den Zustrom von Flüchtlingen unterzubringen, verschlechterte sich die politische Stimmung bald.

Spulen wir ins Jahr 2022 vor: Die Zahl der Flüchtlinge aus der Ukraine belief sich auf etwas mehr als 1 Million Menschen, die vorübergehend Schutz erhielten. Hinzu kommen nach Angaben des Bundesinnenministeriums rund 214.000 Asylbewerberanträge ohne Bezug zum russischen Einmarsch in die Ukraine. Damit haben in diesem Jahr mehr Menschen in Deutschland Zuflucht gesucht als in den Jahren 2015 und 2016 zusammen.

Doch diesmal ist alles anders. Während die Behörden vor Ort immer noch befürchten, überfordert zu werden, hat sich die Situation geändert, einschließlich des Umgangs der EU-Länder mit Flüchtlingen. Hier sind drei wichtige Punkte:

1. Flüchtlinge aus der Ukraine bilden eine eigene Kategorie

Zunächst einmal geht Deutschland jetzt keinen Alleingang, denn die EU hat die sogenannte Vorübergehende Schutzrichtlinie für Flüchtlinge aus der Ukraine aktiviert. Das bedeutet, dass sie automatisch einen vorübergehenden Asylstatus erhalten und Sozialleistungen in jedem EU-Land beantragen können, wodurch die Last auf die Länder des Blocks verteilt wird.

Innerhalb Deutschlands gilt seit Juli ein neues Vertriebssystem namens „FREE“, das familiäre Bindungen und andere Faktoren berücksichtigt. Dadurch entsteht eine Lenkungswirkung, da die Verteilung verknüpft und nachverfolgt werden kann. Darüber hinaus können Flüchtlinge aus der Ukraine wählen, wo sie sich niederlassen, wenn sie sich privat eine Unterkunft organisieren können. Nur wenn sie Sozialhilfe oder Wohnraum beantragen, können sie wie andere Flüchtlinge bundesweit verteilt werden.

Fast drei Viertel der Flüchtlinge aus der Ukraine leben laut der Studie „Flüchtlinge aus der Ukraine in Deutschland“ (durchgeführt zwischen August und Oktober dieses Jahres) in privaten Wohnungen und Häusern. Davon leben rund 25 Prozent bei Verwandten oder Freunden in Deutschland. Nur 9 Prozent leben in Wohngemeinschaften für Flüchtlinge.

Flüchtlinge, die nicht aus der Ukraine kommen, werden dagegen über das sogenannte „EASY“-System auf die deutschen Bundesländer verteilt. Nach einer Anfangsphase in regionalen Aufnahmezentren werden Migranten nach dem Zufallsprinzip auf Gemeinden im ganzen Land verteilt.

Dieses System berücksichtigt keine individuellen Präferenzen; Es gewährt nur dann eine höhere Wahrscheinlichkeit, Flüchtlinge Einrichtungen in der gleichen Region zuzuweisen, wenn Familienangehörige in der Region registriert sind – und Kapazitäten vorhanden sind.

2. Nicht alle Städte und Gemeinden sind überfordert – noch nicht

„Vielerorts sind die Aufnahmekapazitäten erschöpft, Zeltunterkünfte und Turnhallen müssen bereits genutzt werden“, sagte der Leipziger Oberbürgermeister und Vizepräsident des Deutschen Städtetages, Burkhard Jung, im November.

Viele Déjà-vus mit 2015 an dieser Front.

„Wir kennen keine konkrete Zahl, aber wir bekommen aus sehr vielen Bundesländern Rückmeldungen, dass die Kommunen an ihre Grenzen stoßen“, bestätigte Alexander Handschuh, Sprecher des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Anfang des Monats. Er wies darauf hin, dass Großstädte wie Berlin oder München bei Flüchtlingen aus der Ukraine beliebter seien – ein Trend, der anhalte.

„Mittlerweile werden aber aus ganz Deutschland hohe Belastungen gemeldet“, ergänzte Handschuh.

Während viele Flüchtlinge aus der Ukraine anfangs „mit überwältigender Hilfsbereitschaft“ in Privatunterkünften aufgenommen wurden, wird dies mit zunehmender Dauer des Krieges immer schwieriger. Deshalb fordern deutsche Kommunen jetzt Hilfe vom Bund, fordern die volle Erstattung der Kosten für die Flüchtlingsbetreuung und fordern mehr Aufnahmekapazitäten auf regionaler Ebene.

Der Migrationsforscher Hannes Schammann von der Universität Hildesheim sagt, er höre gemischte Signale von den lokalen Behörden. „Es gibt vereinzelte Brennpunkte, an denen wir diese Situation mit Turnhallen und dergleichen haben. Aber es gibt auch Kommunen, wo das noch ganz gut zu bewältigen ist“, sagte Schammann gegenüber POLITICO.

Die neu ankommenden Flüchtlinge seien nicht das Problem, glaubt er. Vielmehr gehe es um die deutsche Bürokratie, da das Vertriebssystem selbst für Verzögerungen und Unsicherheiten sorge.

3. Obwohl die Situation angespannt ist, ist es nicht überraschend

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) bestätigte, dass der Migrationsdruck derzeit nicht nur in Deutschland, sondern auch an den EU-Außengrenzen „deutlich zunehme“. „Obwohl die Zahlen jedes Jahr gestiegen sind … hat der aktuelle Zustrom von Ankünften eine höhere Dynamik im Vergleich zu den Vorjahren“, hieß es. Als Gründe nannte das BAMF einen Nachholeffekt nach der Aufhebung der pandemischen Reisebeschränkungen sowie wirtschaftliche und politische Situationen in Transitstaaten wie der Türkei, Tunesien und Libyen.

Die Zahl der Flüchtlinge, die jetzt aus anderen Ländern als der Ukraine ankommen, liegt jedoch im erwarteten Bereich, sagte Schammann. Dies wird jedoch zu einem Problem, wenn dieser Strom auf eine ungleiche Verteilung ukrainischer Flüchtlinge trifft.

Darüber hinaus hielten viele Kommunen sowohl an der physischen als auch an der politischen Infrastruktur fest, die während der Situation in den Jahren 2015 und 2016 aufgebaut wurden. „Diejenigen, die sie beibehalten haben, haben es ganz gut gemacht“, betonte Schammann.

Hauptherkunftsländer der Asylbewerber sind neben der Ukraine – wie in den Vorjahren – weiterhin Syrien, Afghanistan, die Türkei und der Irak. „Aktuell sind keine Entwicklungen in einzelnen Herkunftsländern erkennbar“, sagte ein Sprecher des Innenministeriums gegenüber POLITICO. Dennoch bestätigte er eine etwas angespannte Situation in Bezug auf die Aufnahmefähigkeit von Flüchtlingen.

Schammann erwartet, dass die Debatte wegen Engpässen, die durch die Verteilung von Flüchtlingen bereits in Deutschland entstehen könnten, aufgeheizt wird. Er beschrieb es als eine schwierige Situation und definitiv eine Belastungsquelle für das System. „Aber es bricht nicht zusammen. Es wird trotzdem weiter funktionieren“, sagte er.

Ohne eine magische Kristallkugel lehnte das Ministerium einen Ausblick auf die kommenden Monate ab.


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