Der Bundeswehr fehlen Bewerber: Gründe für den Fachkräftemangel – Politik

Angesichts deutlich sinkender Bewerberzahlen bei der Bundeswehr lässt Verteidigungsminister Boris Pistorius die geplante Zielmarke beim Personal von 203 000 Soldatinnen und Soldaten bis zum Jahr 2031 überprüfen. Derzeit dienen etwa 181 000 Frauen und Männer in der Bundeswehr. Bei einem Besuch eines Karrierecenters der Bundeswehr in Stuttgart erklärte der SPD-Politiker, er lasse derzeit ermitteln, wie sich diese Zahl zusammensetze und wie sie mit den sicherheitspolitischen Herausforderungen an die Bundeswehr zusammenpasse.

Die Zahl könne theoretisch höher, aber auch niedriger ausfallen. Pistorius machte jedoch klar, dass der angestrebte Aufwuchs “ambitioniert” erscheine angesichts geburtenschwacher Jahrgänge und hoher Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt. Man müsse sich darauf einstellen, dass das Ziel später oder gar nicht erreicht werden könne. “Ich will jetzt, am Anfang meiner Amtszeit wissen, auf welche Zahl ich aufsetzen kann.”

Von Januar bis Ende Mai 2023 bewarben sich deutlich weniger Männer und Frauen für den Soldatenberuf als im Vorjahreszeitraum, wie der Spiegel unter Berufung auf einen Bundeswehrsprecher zuvor berichtete. Laut einer internen Tabelle des Wehrressorts bewarben sich dem Magazin zufolge bis Ende Mai dieses Jahres 23 414 Frauen und Männer. Das ist im Vergleich zum entsprechenden Zeitraum 2022 ein Rückgang von sieben Prozent.

Der Minister will verstärkt um Frauen und Personen mit Migrationshintergrund werben

Die Zielmarke von 203 000 stammt aus der Zeit, als die CDU-Politikerin Ursula von der Leyen die Bundeswehr führte (2013 bis 2019). Unter dem Druck der Annexion der Krim durch Russland wollte sie die Bundeswehr vergrößern. Allerdings wollte sie dieses Ziel schon bis 2025 erreicht haben, was sich als unrealistisch herausstellte. Die Zielgröße war immer wieder Gegenstand politischer Debatten. Angesichts knapper Haushaltsmittel war vor dem Ukraine-Krieg erwogen worden, die Truppe in etwa in ihrer jetzigen Größe zu belassen, sie aber besser auszustatten.

Pistorius bekommt inzwischen die volle Wucht des Fachkräftemangels und geburtenschwacher Jahrgänge zu spüren. Als er Wehrdienst absolvierte, seien die Jahrgänge, auf die die Bundeswehr zugreifen konnte, doppelt so groß gewesen. Arbeitsgruppen im Ministerium schauten sich gerade an, wie man “schneller, besser und effektiver” werden könne.

Der Minister will verstärkt um Frauen und um Personen mit Migrationshintergrund werben. In beiden Gruppen gebe es viele, die die Bundeswehr derzeit nicht gewinnen könne. Sein Haus beschäftige die Frage: Woran liegt das? Fest steht für den SPD-Politiker, dass der Zeitraum zwischen erstem Kontakt und Dienstbeginn kürzer werden müsse. Bei den Einstellungsterminen müsse sich die Bundeswehr flexibler zeigen. Lösungen wolle er für diejenigen Soldatinnen und Soldaten finden, die altersbedingt aufhören müssen, aber nicht unbedingt wollten.

Keinesfalls dürften falsche Erwartungen geweckt werden. Kritisch äußerte er sich angesichts einer Abbrecherquote von 30 Prozent allein im Heer zu früheren Werbekampagnen, die teils Draufgängertum in den Mittelpunkt von Imagefilmen gestellt hatten. Pistorius nannte sie “Mission-Impossible-Filmchen”, die in Hollywood-Manier berichteten, “was bei der Bundeswehr passieren könnte”. Kern des Dienstes sei die Bereitschaft zur Landes- und Bündnisverteidigung und die Teilnahme an Auslandseinsätzen, und damit verbunden die Bereitschaft, “die eigene Gesundheit für die Sicherheit anderer aufs Spiel zu setzen”. Pistorius nannte die Bundeswehr einen “hochanspruchsvollen Arbeitgeber”, der aber auch viel zu bieten habe.

source site