Corona: Trotz Omikron wohl keine verschärften Maßnahmen – Politik

Bund und Länder erwarten bei den Inzidenzen Spitzenwerte von mehreren Tausend. Das steht in einer Beschlussvorlage zu einer am Montag geplanten Videoschaltkonferenz von Scholz mit den Ministerpräsidenten und Ministerpräsidentinnen der Länder, die der SZ vorliegt.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und Vertreter aus den Ländern machten vor den Beratungen, dass die im Moment geltenden Regelungen beibehalten werden sollten. Unterstützt wird das vom Corona-Expertenrat der Bundesregierung. Das Gremium forderte in einer neuen Stellungnahme wegen der rasanten Ausbreitung der Omikron-Variante aber auch Vorbereitungen für mögliche weitere Schritte.

Bundeskanzler Scholz sagte in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung: “Die strengen Regeln, die wir seit November eingeführt haben, haben dazu geführt, dass die Omikron-Welle Deutschland später erreicht hat als unsere europäischen Nachbarn und wir erst jetzt Infektionszahlen von mehr als 100 000 Neuinfektionen pro Tag zu verzeichnen haben”.

Entscheidungen werden in der Bund-Länder-Runde unter anderem beim Thema PCR-Tests erwartet. Minister Lauterbach und die Gesundheitsminister der Länder hatten sich für eine sogenannte Priorisierung ausgesprochen: Bestimmte Bevölkerungsgruppen sollen angesichts knapper Laborkapazitäten bevorzugt Anspruch auf die besonders genauen Tests bekommen. Bei roten Warnmeldungen der Corona-App soll auf eine PCR-Testung verzichtet werden.

Auch die ab Mitte März greifende einrichtungsbezogene Impfpflicht dürfte Thema sein. Die Gesundheitsminister der Länder forderten am Samstag in Vorbereitung der Bund-Länder-Beratungen bei einer Schaltkonferenz, dass noch ungeimpften Beschäftigten etwa in Kliniken oder Pflegeeinrichtungen, die ab März der Impfpflicht unterliegen, bevorzugt der neue Impfstoff Novavax angeboten wird. (23.01.2022)

Bundesweite Inzidenz auf Höchstwert von über 800

Die vom Robert Koch-Institut (RKI) gemeldete bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz hat erstmals die Schwelle von 800 überschritten. Das RKI gab den Wert der Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner und Woche am Sonntagmorgen mit 806,8 an. Zum Vergleich: Am Vortag hatte der Wert bei 772,7 gelegen. Vor einer Woche lag die bundesweite Inzidenz noch bei 515,7 (Vormonat: 220,7).

Die Gesundheitsämter in Deutschland meldeten dem RKI binnen eines Tages 85 440 Corona-Neuinfektionen. Vor einer Woche waren es 52 504 Ansteckungen. Experten rechnen mit immer mehr Fällen, die nicht erfasst werden können, unter anderem, weil Testkapazitäten und Gesundheitsämter zunehmend am Limit sind.

Deutschlandweit wurden nach den neuen Angaben binnen 24 Stunden 54 Todesfälle verzeichnet. Vor einer Woche waren es 47 Todesfälle. Das RKI zählte seit Beginn der Pandemie 8 681 447 nachgewiesene Infektionen mit Sars-CoV-2 und 116 718 Todesfälle in Zusammenhang mit dem Virus in Deutschland. Die tatsächliche Gesamtzahl dürfte deutlich höher liegen, da viele Infektionen nicht erkannt werden. Die Zahl der Genesenen gab das Institut mit 7 230 000 an. (23.01.2022)

Ökonomen: Pandemie kostet Deutschland 350 Milliarden Euro

Die Corona-Krise hat in den vergangenen beiden Jahren zu riesigen wirtschaftlichen Schäden geführt. Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln kommt in einer Analyse zum Ergebnis, dass der Wertschöpfungsausfall bei etwa 350 Milliarden Euro liegt. Ein Großteil davon gehe auf Ausfälle beim privaten Konsum zurück, unter anderem wegen Lockdown-Maßnahmen.

Der Modellrechnung zufolge dürften über die vergangenen acht Quartale hinweg Ausfälle beim privaten Konsum in Deutschland von insgesamt 270 Milliarden Euro eingetreten sein. Es sei auch zu “Verhaltensänderungen” gekommen, erläuterte der Autor der Analyse, Michael Grömling. Das bedeutet: Auch wenn Kinos, Theater und Restaurants wieder offen waren, hätten sich viele aus Vorsichtsgründen zurückgehalten und auf einen Besuch verzichtet. Zugleich hat sich die Sparquote der privaten Haushalte in der Pandemie deutlich erhöht – sprich: die Verbraucher legten Geld auf die hohe Kante.

Selbst wenn zum Jahresende 2022 beim Bruttoinlandsprodukt das Vorkrisenniveau wieder erreicht werden sollte, bestehe noch eine “markante Lücke” zur Wirtschaftsleistung im Vergleich dazu, wenn es die Pandemie nicht gegeben hätte, heißt es in einem IW-Kurzbericht. Dieser lag der Deutschen Presse-Agentur vor. “Erst mit einem kräftigen Wirtschaftswachstum in den nächsten Jahren können Stück für Stück die Wertschöpfungs- und Einkommenslücken infolge der Pandemie wieder geschlossen werden.” (23.01.2022)

Einzelheiten über Impfpflicht-Pläne bekannt

Wenige Tage vor den ersten Beratungen über eine Corona-Impfpflicht im Bundestag nehmen die Pläne der Befürworter Konturen an. Der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Dirk Wiese, der diese zusammen mit anderen Abgeordneten der Ampel-Koalition vorbereitet, nennt jetzt Einzelheiten: Die Pflicht sollte auf ein bis zwei Jahre befristet sein, für nicht mehr als drei Impfungen gelten und über Bußgelder durchgesetzt werden, sagte der Innen- und Rechtspolitiker der Deutschen Presse-Agentur. Wiese hatte am Freitag zusammen mit sechs Politikern von Grünen und FDP in einem Brief an alle Bundestagsabgeordneten außer denen der AfD einen Gruppenantrag für eine Impfpflicht ab 18 angekündigt.

Demnach sind derzeit drei Impfungen für die Erfüllung der Impfpflicht vorgesehen. “Auf der Grundlage der aktuellen Studien kann man sagen, dass man mit drei Impfungen eine gute Grundimmunisierung gegen einen schweren Verlauf erreicht hat”, sagt Wiese. Womöglich könne eine freiwillige weitere Boosterimpfung etwa für Vorerkrankte oder Ältere später sinnvoll sein. Zudem soll die Impfpficht vermutlich auf ein bis zwei Jahre befristet werden. “Es kann sein, dass wir irgendwann eine so hohe Grundimmunität haben, dass man die Impfpflicht nicht mehr braucht”, sagte Wiese. Für Impfverweigerer sind nach dem Gesetz Bußgelder in Höhe von fünf bis 1000 Euro möglich, bei Nichtzahlung Zwangsgelder von bis 25 000 Euro.

Die Virologin Melanie Brinkmann befürwortet eine Impfpflicht – allerdings erst für Menschen ab 50. “Ich bin kein Fan der Impfpflicht, aber ich bin skeptisch, ob wir mit anderen Maßnahmen wie Impfkampagnen und Aufklärung allein die Impflücke so schließen können, dass wir in ruhige Fahrwasser kommen”, sagte Brinkmann der Rheinischen Post. “Wenn alle Menschen über 50 bis zum Herbst geimpft wären, könnten wir beruhigter in den nächsten Winter gehen.” Bislang sei es überwiegend diese Altersgruppe, die die meisten Corona-Krankenhausbehandlungen notwendig mache. (23.01.2022)

Expertenrat warnt vor Gefährung des Gesundheitssystems

Der Corona-Expertenrat der Bundesregierung warnt vor einer Gefährdung des Gesundheitssystems durch die rasante Ausbreitung der Omikron-Virus-Variante. “Unter den aktuell geltenden Kontaktbeschränkungen steigen die Inzidenzen weiter, und es ist anzunehmen, dass die medizinische Versorgung zumindest regional eingeschränkt sein wird”, heißt es in einer am Samstagabend veröffentlichten dritten Stellungnahme des Expertenrates. “Dies kann relevante Gefährdungen, zum Beispiel bei der Versorgung von Patientinnen mit anderen Krankheiten, zur Folge haben.” Auch in anderen Bereichen drohten durch einen hohen Krankenstand und Quarantäne erhebliche Personalausfälle – diese seien schon teilweise bereits eingetreten.

Der Expertenrat fordert nicht nur die Beibehaltung und strikte Umsetzung der bisherigen Corona-Maßnahmen. Wenn in Folge eines weiteren Anstiegs der Inzidenzen etwa eine zu hohe Hospitalisierungsrate erreicht werde, könnten weitergehende Maßnahmen zur Infektionskontrolle zukünftig notwendig werden. “Diese sollten daher jetzt so vorbereitet werden, dass sie ohne Verzögerung umgesetzt werden können.” (22.01.2022)

Gesundheitsminister: In vielen Fällen keine PCR-Tests mehr

Angesichts der steigenden Zahl von Corona-Infektionen in Deutschland sollen nicht mehr alle per Schnelltest positiv Getesteten einen PCR-Test bekommen. Die Gesundheitsminister der Länder sprachen sich am Samstag einstimmig dafür aus. Sie begrüßten entsprechende Vorschläge von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) für eine Priorisierung von PCR-Tests. Die Laborkapazitäten seien endlich, sagte Sachsen-Anhalts Gesundheitsministerin Petra Grimm-Benne (SPD) in Magdeburg nach einer Schaltkonferenz mit ihren Kolleginnen und Kollegen aus den Ländern. Unbedingt eine PCR-Testung erhalten sollten Personal in Krankenhäusern, Arztpraxen und Pflegeeinrichtungen sowie Hochrisikopatienten und Personen mit dem Risiko schwerer Krankheitsverläufe.

“Für alle anderen Personen, die keine Symptome haben und ein positives Antigentest-Ergebnis vorweisen können, soll auf eine Bestätigung per PCR verzichtet werden.” Befürwortet wird stattdessen eine Nachtestung mit einem zweiten überwachten Antigentest. Die Ressortchefs sprachen sich auch dafür aus, bei einer roten Anzeige in der Corona-Warn-App auf einen PCR-Test zu verzichten und stattdessen auf “qualitativ hochwertige Antigentests” zurückzugreifen

Wegen der stark steigenden Infektionszahlen soll außerdem die Kontaktnachverfolgung auf gefährdete Gruppen reduziert werden. Demnach sollen sich die Gesundheitsämter künftig auf den Klinik- und Pflegebereich und in Einrichtungen der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung konzentrieren. Neben der Kontaktaufnahme zu infizierten Personen und deren Haushaltsangehörigen solle die Nachverfolgung in diesen Bereichen “mit höchster Priorität” zum Schutz sogenannter vulnerabler Gruppen erfolgen, hieß es in einem einstimmig gefassten Beschluss.

Neben den von Bund und Ländern beschlossenen Anpassungen der Quarantäne und Isolierungsregeln sollte deshalb auch die Kontaktpersonennachverfolgung “strategisch bundeseinheitlich neu ausgerichtet werden”, heißt es weiter. Notwendig sei eine “länderübergreifend einheitliche Ausrichtung der Kontaktpersonennachverfolgung auf vulnerable Gruppen”https://www.sueddeutsche.de/politik/.”Weitere Kontaktpersonen” müssen demnach damit rechnen, dass sie “in der Regel mit deutlichem Zeitverzug oder nicht mehr durch die zuständigen Behörden kontaktiert werden können.” Auch Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte sich für eine Neuausrichtung der Kontaktnachverfolgung ausgesprochen. (22.01.2022)

Untervariante von Omikron wird in Großbritannien stärker beobachtet

Eine möglicherweise noch leichter übertragbare Untervariante von Omikron wird in Großbritannien künftig aufmerksamer beobachtet. Die britische Gesundheitsbehörde stufte die Variante namens BA.2, eine spezielle Ausprägung der Omikron-Mutante, als “Variante unter Beobachtung” ein. Üblicherweise werden Varianten, die gegebenenfalls irgendwann “besorgniserregende Varianten” genannt werden, zunächst beobachtet und weiter analysiert. Grund ist der Verdacht, dass BA.2 noch leichter übertragbar sein könnte als die Urform der Omikron-Variante, die auch BA.1 heißt.

Bislang seien in Großbritannien 426 Fälle von BA.2 bekannt, hieß es von der Behörde. Erste Analysten legten die Vermutung nahe, dass die Untervariante noch leichter übertragbar sein könnte als BA.1 – aber es seien noch weitere Analysen notwendig. Unklar ist außerdem, wo die Variante als erstes aufgetaucht sein könnte. Es seien auch Fälle aus Dänemark, Indien, Schweden und Singapur bekannt – der Großteil davon in Dänemark mit mehr als 6400 Fällen. (22.01.2022)

Hälfte der Deutschen ist geboostert

Mindestens die Hälfte der Bevölkerung hat eine Auffrischungsimpfung gegen das Coronavirus erhalten. Knapp 41,7 Millionen Menschen (50,1 Prozent) seien inzwischen geboostert, teilte das Robert Koch-Institut am Samstag mit. Die Auffrischungsimpfung gilt als wirksamer Schutz vor der besonders ansteckenden Virusvariante Omikron.

Bislang sind mindestens 75,4 Prozent der Bevölkerung (62,7 Millionen Menschen) einmal geimpft. Die Bundesregierung strebt 80 Prozent Erstgeimpfte bis Ende Januar an. Mindestens 73,3 Prozent der Bevölkerung (60,9 Millionen) haben nach RKI-Angaben einen vollständigen Grundschutz, in der Regel zwei Impfdosen, erhalten. Noch zählt das RKI auch Menschen, die nur eine Dosis des Johnson-&-Johnson-Präparats erhalten haben, mit – allerdings wird das gerade umgestellt. Künftig sollen Johnson-&-Johnson-Geimpfte nur noch nach einer zweiten Impfdosis – möglichst mit einem mRNA-Impfstoff wie dem von Biontech/Pfizer oder Moderna – von den 2G-Regeln profitieren.

Nicht geimpft sind derzeit 24,6 Prozent der Bevölkerung (20,5 Millionen Menschen). Für 4,8 Prozent (vier Millionen) dieser Menschen im Alter von 0 bis 4 Jahren steht bisher kein zugelassener Impfstoff zur Verfügung (22.01.2022).

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