COP26 in Glasgow: Merkel spricht auf der Klimakonferenz – Politik

Indiens Premierminister Narendra Modi hat beim Weltklimagipfel in Glasgow erstmals ein Ziel für die Klimaneutralität seines Landes genannt: Bis 2070 will das bevölkerungsreiche Land nur noch so viel klimaschädliche Emissionen ausstoßen, wie etwa in Senken wie Ozeanen und Wäldern aufgenommen werden können. Das ist das obere Limit, das der Weltklimarat (IPCC) für weltweite Klimaneutralität angegeben hat, damit das Leben auf dem Planeten Erde noch lebenswert bleibt. Erneuerbare Energien, so Modi außerdem, sollten bis 2030 etwa 50 Prozent des Energiebedarfs stellen. Im vergangenen Jahr waren es 38 Prozent.

Viele Länder streben – so wie die EU – Klimaneutralität bis 2050 an, China hat 2060 ins Auge gefasst. Modi wies in seiner Rede allerdings auch darauf hin, dass in Indien 17 Prozent der Weltbevölkerung lebten, die aber nur für fünf Prozent der weltweiten Emissionen verantwortlich seien.

Merkel wirbt für weltweiten CO₂-Preis

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat für einen weltweiten Preis auf den Klimagas-Ausstoß als zentrales Instrument für den Wandel von Industrie und Gesellschaft geworben. “Wir werden mit staatlichen Aktivitäten allein nicht vorankommen”, sagte sie am Montag zum Auftakt der Weltklimakonferenz in Glasgow. Es gehe um eine umfassende Transformation des Lebens und Wirtschaftens. “Deshalb will ich hier ein klares Plädoyer einlegen für die Bepreisung von Kohlenstoff-Emissionen.” Diese gebe es bereits innerhalb der EU und beispielsweise auch in China. Mit einem CO₂-Preis könne man die Industrie dazu bringen, die technologisch besten Wege zur Klimaneutralität zu finden. Dies gelte etwa auch für den CO₂-Ausstoß im Verkehrsektor. “In der Dekade des Handelns, in der wir jetzt leben, national ambitionierter zu sein, aber global Instrumente zu finden, die nicht nur Steuergelder einsetzen, sondern die wirtschaftlich vernünftig sind. Und das ist für mich die CO₂-Bepreisung.”

Deutschland hat neben dem EU-Emissionshandel für Kraftwerke und Industrie auch einen allgemeinen Preis-Aufschlag etwa für Sprit, Gas und Heizöl eingeführt. Mit den Einnahmen sollen der Wandel gefördert und soziale Härten abgefedert werden. Als Industrie- und Exportland hat Deutschland großes Interesse, dass solche Preise auch in anderen Staaten eingeführt werden. Nur so sei ein fairer Wettbewerb möglich. Die EU plant andernfalls bereits mit einer Steuer auf Importe aus Ländern mit lascheren CO₂-Vorgaben.

Merkel erinnerte auch daran, dass sie als Umweltministerin 1995 “die Ehre hatte”, die erste UN-Klimakonferenz in Bonn zu leiten. Glasgow sei ihr letzter Gipfel, und es stelle sich nun die Frage, wie weit die Welt vorangekommen sei. “Wir sind noch nicht da, wo wir hinmüssen”, räumte sie ein. So seien die vorgelegten nationalen CO2-Minderungsziele nicht ausreichend, um das Pariser Klimaabkommen umzusetzen, das die Erderwärmung auf möglichst 1,5 Grad beschränken soll. Zugleich zeigte Merkel sich zuversichtlich, dass in Glasgow Fortschritte erzielt werden können: “Wir müssen und wir können das Pariser Klimaabkommen umsetzen.”

Auch US-Präsident Joe Biden verwies im Kampf gegen die Erderwärmung auf eine kurze Zeit, die zum Handeln noch da sei. Er fragte, ob die internationale Gemeinschaft jetzt das Notwendige tun oder “die künftigen Generationen zum Leiden verurteilen” werde. Es sei möglich, die Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, wenn alle zusammenkämen und sich verpflichteten, ihren Anteil ehrgeizig und entschlossen umzusetzen.

Zugleich sprach sich Biden dafür aus, Entwicklungsländer bei ihren Anstrengungen zu unterstützen. Es gebe hier eine Verpflichtung, zu helfen. Der US-Präsident räumte ein, dass noch nicht genug geschehe. Er schloss die Rede mit den Worten: “Möge Gott den Planeten retten.” (01.11.2021)

“Wir müssen handeln, weil es sonst um unser Aussterben geht”

Im Rahmen des Klimagipfels in Glasgow hat der Präsident des Inselstaats Palau eindringlich vor dem Untergang seines Landes und dessen Kultur gewarnt. “Wir müssen handeln, und zwar sofort, weil es sonst um unser Aussterben geht”, sagte Staatschef Surangel Whipps Jr. am Montag dem Sender BBC Radio 4. Palau hat nur etwa 19 000 Einwohner, die auf mehr als 500 Inseln im Pazifik verteilt sind, rund 1000 Kilometer östlich der Philippinen. “Wir wollen, dass die Leute auf dieser Konferenz verstehen, dass wir nicht länger nur reden und Mini-Schritte unternehmen oder die Sache vertagen können”, sagte Whipps. Nötig seien radikale Änderungen, die tatsächlich Folgen hätten. “Wenn diese Inseln untergehen, haben wir die Kultur, die Sprache, die Identität der Menschen verloren”, sagte er weiter. “Natürlich kann man die Leute in ein Gebäude nach Shanghai umziehen oder auf ein Feld in Arkansas oder sonstwohin.” Aber das hätte schwere Folgen, mahnte Whipps. “Sie sind nicht mehr länger eine Nation, nicht mehr länger ein Volk. Wir sollten nicht wegen des Handelns der größten CO₂-Emittenten aussterben.”

Einer seiner Adressaten dürfte Chinas Präsident Xi Jinping sein. Schließlich produziert kein Land eine so große Menge klimaschädlicher Treibhausgase wie China. Doch Xi wird auf dem UN-Klimagipfel voraussichtlich weder persönlich sprechen noch sich zumindest per Video zuschalten. Wie aus der offiziellen Rednerliste vom Montag hervorgeht, soll lediglich ein schriftliches Statement auf der Website des Gipfels veröffentlicht werden. Ein Sprecher des chinesischen Außenministeriums wollte dies zunächst nicht bestätigten.

Zuvor hatten die USA Peking unter Druck gesetzt. China habe eine Verpflichtung, seine Ziele zu verschärfen, sagte US-Sicherheitsberater Jake Sullivan auf dem Flug mit Präsident Joe Biden nach Glasgow. China als weltgrößter Treibhausgas-Emittent sei dazu absolut in der Lage. Der Stand der Beziehungen zu Washington sei kein Grund, beim Klimaschutz nicht zu handeln. Der britische Premierminister Boris Johnson als Gastgeber nahm die Staats- und Regierungschefs bereits in die Pflicht: “Für die Menschheit ist die Uhr beim Klimawandel schon lange abgelaufen. Es ist eine Minute vor Mitternacht und wir müssen jetzt handeln”, heißt es in seiner vorab veröffentlichten Rede.

Auch der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan hat seine Teilnahme an der Konferenz Regierungskreisen zufolge kurzfristig abgesagt. Das türkische Parlament hatte im vergangenen Monat als letztes G20-Land das Pariser Klimaabkommen ratifiziert. Doch der Gipfel läuft auch ohne einige der großen Länder. Neben Johnson, Biden und dem französischen Staatschef Emmanuel Macron wird auch die scheidende Kanzlerin Angela Merkel das Wort an die Delegierten richten. Anschließend wird die CDU-Politikerin bei einer Veranstaltung eine kurze Ansprache zu den drängendsten Fragen des Klimaschutzes in diesem Jahrzehnt halten.

Beim zweiwöchigen Klimagipfel COP26 in Glasgow beraten Vertreter von mehr als 190 Staaten über die weitere Umsetzung des Pariser Klimaabkommens, das die Erderwärmung auf möglichst 1,5 Grad begrenzen soll. Zum Auftakt am Sonntag hatte der britische Konferenzpräsident Alok Sharma mehr Anstrengungen im Kampf gegen die Erderwärmung gefordert. (01.11.2021)

Start mit Appellen und einem Dämpfer

Die Klimachefin der Vereinten Nationen, Patricia Espinosa, sagte am Sonntag vor dem Plenum, ein Weiter-so beim Ausstoß klimaschädlicher Treibhausgase komme einer “Investition in unsere eigene Auslöschung” gleich. “Entweder wir setzen auf eine schnelle und großangelegte Reduzierung der Emissionen, um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen. Oder wir akzeptieren, dass die Menschheit einer düsteren Zukunft auf diesem Planeten entgegenblickt.”

Ein herber Dämpfer kam jedoch bereits zu Beginn der Klimakonferenz vom G20-Gipfel aus Rom: Die großen Wirtschaftsmächte scheiterten daran, ein starkes Signal für mehr Klimaschutz nach Glasgow zu senden. Es gibt weiter kein klares Zieldatum für die wichtige Kohlendioxidneutralität und den Ausstieg aus der Kohleverstromung.

Der britische Präsident der COP26, Alok Sharma, sagte vor dem Plenum, das Fenster, das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen, schließe sich. Glasgow müsse halten, was Paris versprochen hat. “Diese COP ist unsere letzte große Hoffnung, 1,5 Grad im Rahmen des Möglichen zu halten. Diese internationale Konferenz muss liefern.”

Auch der Papst ermutigte die Staaten zu mehr Klimaschutz. “Beten wir, dass der Schrei der Erde und der Schrei der Armen gehört werden”, sagte Franziskus vor zahlreichen Menschen auf dem Petersplatz in Rom. Die geschäftsführende Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) äußerte die Hoffnung, dass die Konferenz “eine neue Phase der internationalen Klima-Zusammenarbeit” einläuten wird.

Unter den rund 25 000 Menschen, die in Glasgow erwartet werden, sind auch zahlreiche Aktivistinnen und Aktivisten, die auf den Straßen für eine ehrgeizigere Klimapolitik protestieren wollen. Die deutsche Fridays-for-Future-Aktivistin Luisa Neubauer kritisierte, keiner der reichen Industriestaaten halte bisher seine Klima-Zusagen ein. Seit dem als historisch gefeierten Abkommen von Paris seien sechs Jahre vergangen – und die Emissionen heute höher denn je. “Diese Konferenz muss der Moment sein, in dem dieser Trend umgekehrt wird”, sagte die 25-Jährige der Deutschen Presse-Agentur. (31.10.2021)

Johnson knüpft Klima-Investitionen an Wirtschaftswachstum

Der britische Premierminister Boris Johnson macht angekündigte Investitionen in den Klimaschutz davon abhängig, dass die Wirtschaft seines Landes wächst wie erwartet. Großbritannien wolle bis 2025 eine Milliarde Pfund (rund 1,18 Mrd Euro) mehr in die Finanzierung von Klimamaßnahmen stecken, kündigte Johnson zum Auftakt des Weltklimagipfels COP26 in Glasgow an. Das gilt aber nur für den Fall, dass die Konjunktur wie prognostiziert zulegt. Bislang hatte Großbritannien vorgesehen, zwischen 2021 und 2026 insgesamt 11,6 Milliarden Pfund für ärmere Länder im Kampf gegen die Klimakrise locker zu machen.

Die nun angekündigte zusätzliche Milliarde soll aus dem Topf für internationale Entwicklungshilfe kommen, für den im Haushaltsjahr 2024/25 – im Fall einer sich entsprechend erholenden Wirtschaft – wieder 0,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes vorgesehen sind.

Die britische Regierung hatte diesen Topf wegen der wirtschaftlichen Belastungen durch die Corona-Pandemie für die nächsten Jahre auf 0,5 Prozent der Wirtschaftsleistung gekürzt und dafür massive Kritik von humanitären Organisationen, aber auch von Abgeordneten aus den eigenen Reihen erhalten.

Die Klimafinanzierung ist ein besonders strittiges Thema bei den Verhandlungen in Glasgow: Bereits einige Tage vor Beginn der COP26 hatten die Industriestaaten eingeräumt, das Ziel von 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr für weniger entwickelte Staaten erst 2023 erstmalig zu erreichen – und damit drei Jahre später als geplant.

Greta Thunberg verteidigt radikale Proteste

Zum Auftakt der Weltklimakonferenz wurden die verheerenden Überschwemmungen im Juli in Deutschland prominent als Beispiel für die Folgen des Klimawandels erwähnt. “Die Überschwemmungen in Deutschland und Belgien, die wären ohne den Einfluss des Klimawandels nicht möglich gewesen”, sagte der Generalsekretär der Weltwetterorganisation (WMO), Petteri Taalas, am Sonntag bei einer Pressekonferenz. Das gelte ebenfalls für die Hitzewellen im Sommer im Westen Kanadas und der USA.

Umweltaktivistin Greta Thunberg hat radikale Protestformen im Kampf für mehr Klimaschutz verteidigt. Manchmal sei es eben notwendig, einige Menschen zu verärgern, um auf Themen aufmerksam zu machen, sagte die Schwedin am Sonntag der BBC zum Auftakt des UN-Klimagipfels COP26 in Glasgow. “Die Schulstreik-Bewegung wäre nie so bekannt geworden, wenn es keine Reibungen gegeben hätte, wenn einige Leute nicht angepisst gewesen wären”, sagte Thunberg. Wichtig sei aber natürlich, dass niemand bei den Demonstrationen verletzt werde.

In Großbritannien hatten zuletzt Klimaaktivisten, die eine flächendeckende Isolierung von Häusern fordern, mehrfach wichtige Autobahnen blockiert und so Staus ausgelöst. Die Regierung erwirkte einstweilige Verfügungen gegen die Gruppe und kritisierte deren Vorgehen scharf.

Thunberg war am Samstag in Glasgow angekommen. Zahlreiche Klimaaktivisten, die ebenfalls mit dem Zug in die schottische Großstadt reisten, empfingen die 18-Jährige begeistert. Polizisten mussten Thunberg abschirmen. Nach eigenen Angaben wurde sie nicht offiziell zur COP26 eingeladen. In Glasgow will sie deshalb einen Klimaprotest anführen.

Thunberg warf COP-Gastgeber Großbritannien vor, Klimaschutz nicht ernst genug zu nehmen. “Wenn man ein Muster politischer Entscheidungen sieht, die stets vermeiden, echte Maßnahmen zu ergreifen, kann man aus diesem Muster Schlussfolgerungen ziehen. Nämlich, dass Klimaschutz derzeit wirklich nicht die höchste Priorität hat”, sagte sie. Kürzlich hatte die britische Regierung angekündigt, Abgaben auf Inlandsflüge zu senken. Außerdem hält die Regierung von Boris Johnson trotz Protesten am Ausbau eines neuen Ölfelds in der Nordsee fest. (31.10.2021)

.
source site