Catcalling: “Deshalb hat der Tag einer Frau keine 24 Stunden”

Knapp 70.000 Menschen unterschrieben vor über einem Jahr eine Petition, “Catcalling” − verbale sexuelle Belästigung − strafbar zu machen. Was wurde aus dieser Forderung und ihrer Initiatorin Antonia Quell?

“Es ist 2020. Catcalling sollte strafbar sein”. Diesen Titel trug Antonia Quells Petition, die sie vor über einem Jahr, am 11. August 2020 online stellte. Binnen weniger Wochen unterschrieben 67.900 Menschen in Deutschland ihre Forderung, verbale sexuelle Belästigung strafrechtlich zu verfolgen. Die Zeitungen und Rundfunk-Sender stürzten sich auf die junge Studentin, feierten sie als ein weiteres Gesicht einer neuen ungeahnt politischen Generation und wollte wissen, was “Catcalling” eigentlich ist, ob sie selbst das schon einmal erlebt habe und vor allem, ob sie das Flirten verbieten wolle. Auch ich führte damals mit der jungen Würzburgerin mitten in einem riesigen Medientrubel ein kurzes Interview. Ein Jahr später treffe ich Antonia wieder und möchte wissen, wie sie heute über das Thema Catcalling denkt, ob sie resigniert ist, dass eine politische Reaktion auf ihre Petition bislang ausblieb und was seitdem in ihrem Leben passiert ist. “Ich habe mir beispielsweise meine Bänder gerissen”, erzählt sie mir lachend zur Begrüßung”. Ein Gespräch über gelöschte Instagram-Kommentare, Männer in Entscheidungspositionen und eine neue Generation, die sich nur noch reflektiert.

Vor genau einem Jahr hast du eine Petition eingereicht, dass Catcalling strafbar wird. Wie oft hast du seitdem Menschen den Begriff erklären müssen?
(Lacht) Sehr oft! Da es ein Anglizismus ist, verstehe ich, dass nicht jede:r sofort damit etwas anfangen kann. Im englischsprachigen Raum gibt es den Begriff schon seit vielen Jahren. Durch meine Petition ist Catcalling auch in Deutschland salonfähig geworden. Ich persönlich muss aber sagen, dass ich den Begriff eigentlich gar nicht besonders mag. Er ist mir zu euphemistisch und verniedlichend. “Verbale sexuelle Belästigung” beschreibt viel besser, was man meint, wenn man “Catcalling” sagt. 

Bleiben wir aber bei dem Begriff deiner Petition: Was genau soll in Zukunft unter Strafe gestellt werden?
Catcalling ist eine Form der aufgezwungenen Sexualität. Eine nicht tätliche sexuelle Belästigung, die in Deutschland derzeit nicht strafbar ist. Alles was mit Anfassen passiert, ist in Deutschland strafbar. In diesem Bereich sind wir bereits weiter – mal abgesehen davon, dass es auch bei tätlichen sexuellen Übergriffen früher wie heute sehr schwierig ist eine Tat vor Gericht nachzuweisen. Frauen oder andere gesellschaftlich marginalisierte Gruppen ziehen auch im Falle von handgreiflicher sexueller Belästigung juristisch häufig den Kürzeren. Doch sexuelle Belästigung beginnt bereits weitaus früher als erst beim Anfassen. Sprache, Gestik, Mimik, Nachlaufen – das kann schwerwiegende psychische Folgen haben und das alles ist bislang nicht strafbar. 

In einer Doku des Hessischen Rundfunks über deine Petition, sagt eine Opferanwalt des Weißen Rings, die Schwierigkeit, Catcalling juristisch zu verfolgen, bestehe darin, den Pfiff eines Bauerarbeiters nach einem jungen Mädchen von verletzenden Sprüchen juristisch zu trennen. Wie siehst du das?
Zunächst einmal muss festgehalten werden: Die Machbarkeit, Catcalling juristisch zu verfolgen, steht nicht zur Debatte! Unsere Nachbarländer Frankreich, Niederlande, Schweiz und Belgien schaffen das schließlich auch. Dass einzelne Fälle sich in ihrer Intensität unterscheiden, ist klar. Ein Pfiff ist weniger schlimm als verfolgt und bedrängt zu werden.

In deinem Petitionstext war damals nur von Catcalls wie “Ey Blondie” und “Pfeifgeräuschen” die Rede. War das ein Fehler?
Ja, vielleicht. Diese milden Beispiele zu nennen, war ein Fehler von mir. Das würde ich heute anders machen. Doch auch ein Pfeifen ist eine Form der Objektivierung und Herabwürdigung von Frauen. Manche Betroffene, die sich häufig Objektivierungen ausgesetzt sehen, beginnen in manchen Fällen ihre Körper chronisch zu überwachen. Das wiederum ruft nicht selten Anzeichen einer Depression oder eine Essstörung hervor. Für die Forderung nach juristischer Verfolgung dienen diese Beispiele nicht besonders gut. Es gibt aber weitaus schlimmere Beispiele für Catcalling, die ich ungerne in meinem Petitionstext schreiben wollte, um sie nicht zu reproduzieren.

Leben wir in einer Gesellschaft, die verbale Belästigung nicht als Belästigung wahrnimmt, nur weil es nicht strafbar ist?
Das ist eine gute Frage! Man muss das von zwei Seiten betrachten. Einmal aus der Sicht der Täter:innen. Es gibt immer und überall komische Menschen, die nicht verstehen wollen oder können, wie man sich richtig verhält und auf andere Acht gibt. Das ist auch ok – wir werden nie in einer perfekten Welt leben! Auf der anderen Seite gibt es aber noch die Perspektive der Betroffenen, die zum Teil noch gar nicht gemerkt haben, dass ihnen Unrecht geschieht, wenn sie Opfer von verbaler sexualisierter Gewalt werden, weil dies bislang in Deutschland nicht als Straftat verhandelt wird. Manche Frauen gehen sogar dazu über meiner Petition zu widersprechen, indem sie sagen: “Ey mach dich locker und stell dich mal nicht so an, ich freue mich wenn Männer mir hinterherpfeifen oder übergriffig mit mir reden!”. Dieses Phänomen nennt sich hermeneutische Ungerechtigkeit: Hast du kein Wort für die Ungerechtigkeit, die dir geschieht, dann kannst du sie auch nicht bekämpfen. Das wir verbaler sexueller Übergriffigkeit ein Wort gegeben haben und damit die Forderung nach Strafe verbunden haben, ist ein erster Schritt das Thema in unserer Gesellschaft sichtbar zu machen.

Fakt ist aber, dass auch ein Jahr nach deiner Petition Catcalling nicht strafbar ist in Deutschland. Was macht das mit dir?
Natürlich bin ich enttäuscht, dass unsere Justizministerin Christine Lambrecht, an die ich die Petition adressiert habe, sich nie bei mir gemeldet hat. Auch dass sie es nicht für nötig gehalten hat, sich dazu zu äußern, verwundert mich. Ich hätte gedacht, dass das Thema vielleicht auch für sie interessant ist – aber keine Ahnung, was sie alles so um die Ohren hat (lacht). Insgesamt sehe ich das aber eigentlich sehr entspannt. Um mich an dieser Stelle einmal weit aus dem Fenster zu lehnen: Verbale sexuelle Belästigung wird auf jeden Fall strafbar werden in Deutschland. Wenn nicht in den nächsten zwei Jahren, dann halt in den nächsten fünf. Auf dieses Thema werden wir einmal zurückblicken, wie auf den Straftatbestand der sexuellen Belästigung. Viele vergessen, dass es diesen auch erst seit der Silvesternacht in Köln gibt. Das war im Jahr 2016. Man muss sich mal vorstellen, dass tätliche sexuelle Belästigung seit gerade einmal vier Jahren strafbar ist. Heute kann sich unsere Gesellschaft kaum mehr vorstellen, dass es einmal eine Zeit gab, in der sexuelle Belästigung nicht strafbar war. Das Strafrecht hängt in vielen Punkten sehr weit hinterher. Auch beim Thema Catcalling.

Tut sich Deutschland bei diesem Thema schwerer als andere Länder?
Was der entscheidende Unterschied zu anderen Ländern ist, das lässt sich nur schwer sagen. Das Hauptproblem, welches ich in Deutschland ausmache, ist aber, dass ich größtenteils mit Männern über dieses Thema sprechen muss, um etwas zu verändern. Die führenden Positionen in unserem Land sind mehrheitlich mit Männern besetzt. Bei Themen die überwiegend Frauen betreffen, braucht die Umsetzung meistens länger. Dass unser Strafrecht nicht zugeschnitten ist auf eine diverse Gesellschaft, ist kein Zufall , sondern Produkt dessen, dass es einmal von Männern verfasst wurde.

Unfreiwillig bist du das Gesicht einer Bewegung geworden. Wie hat sich das für dich angefühlt?
Ich habe das Gefühl, dass das Thema etwas in den Hintergrund geraten ist, weil wir aufgrund von Corona in den letzten Monaten weniger nachts unterwegs waren, Alkohol getrunken haben oder tanzen gegangen sind. Dadurch gab es sehr viel weniger Möglichkeiten der verbalen sexuellen Belästigung. Dennoch sieht man eine Entwicklung in der öffentlichen Wahrnehmung. Kurz nach meiner Petition gab es eine Trotzphase mit einem ablehnenden Grundton – nach dem Motto: “Hä was wollt ihr denn jetzt noch? Warum drängt ihr euch immer in eine Opferrolle? Könnt ihr Frauen euch nicht mal zufriedengeben?!”. Diese Diskussionen erlebe ich in den letzten Monaten immer weniger. Stattdessen führe ich sehr viel mehr ernsthafte Gespräche über mögliche Lösungsansätze, die mir zeigen, dass in der Gesellschaft ein Bewusstsein für das Thema entstanden ist. Alles in allem bin ich zufrieden mit dem vergangenen Jahr.

Machen dir Gespräche wie dieses Interview auch nach einem Jahr noch Spaß?
Ich nehme aus vielen Gesprächen auch etwas für mich mit. Letztens habe ich mit zwei Bundestagsabgeordneten von der SPD und der CDU gesprochen. Während des Gesprächs habe ich gemerkt, dass sie in einer völlig anderen Lebensrealität leben. Ohne dass ich sie an dieser Stelle angreifen will, liegt das sehr wahrscheinlich daran, dass sie Catcalling als Männer einfach nie erlebt haben. Ich habe den beiden dennoch hoch angerechnet, dass sie sich Zeit für mein Thema genommen, mir zugehört und mit mir diskutiert haben. Am Ende verstanden sie meinen Punkt, mussten sich aber eingestehen, dass sie das Thema nicht auf dem Schirm hatten. Solche Situationen freuen mich noch immer sehr.

Der Tag eines Mannes hat 24 Stunden, der einer Frau solange es hell ist.

Neben den zahlreichen Gesprächen und Interviews herrschte um dich als Person vor einem Jahr ein sehr großer Medientrubel.
Ja, das habe ich sehr gehasst. Ich mag es nicht besonders in der Öffentlichkeit zu stehen. Es ging zwar in vielen Beiträgen in den Medien um Catcalling, aber auch um mich. Es waren immer dieselben Fragen: Bist du selbst betroffen? Wie wurdest du bislang sexuell belästigt? Und dann wollten die Leute meine Verletzungen hören. Dazu kam eine gewisse Boulevard-Brisanz, die der Begriff Catcalling mitbringt. Dann hieß es wieder: “Diese Studentin will in Deutschland das Flirten verbieten”. Was für ein Quatsch. Nur, damit die Leute draufklicken. Und dann waren da natürlich noch die Instagram-Kommentare, die schnell persönlich wurden und unter die Gürtellinie gingen. An dieser Stelle war für mich ein Punkt erreicht, an dem es mir zu viel wurde. Über das Thema lasse ich gerne verhandeln – über mich als Person aber nicht. Die Möglichkeiten des Internets haben mir bei meiner Petition sehr geholfen, aber ich bekam auch seine Schattenseiten zu spüren, als die Trolle aus ihren Höhlen gekrochen kamen. Manchmal fragte ich mich abends, warum ich das überhaupt gemacht habe.

 Hast du dir Hilfe geholt, als es zu viel wurde?
(lacht) Nein, ich habe die Kommentarfunktion bei Instagram deaktiviert. Unter manchen meiner Beiträge, auf denen ich im Sommerurlaub in Bikini zu sehen war, haben plötzlich Leute anzügliche Dinge kommentiert. Das war sehr unangenehm für mich.

Insgesamt 133 Abgeordnete haben deiner Petition seit vergangenem Jahr zugestimmt, darunter Spitzenpolitiker:innen wie Sarah Wagenknecht, Jürgen Trittin, Katja Kipping und Renate Künast und viele mehr. Alle von ihnen gehören der Linken, den Grünen und der SPD an. Ist Catcaling ein mitte-links Thema?
Nein, überhaupt nicht! Es erscheint nur wie kein liberales oder konservatives Thema, weil wir in Deutschland strafgesetzlich alle so frei wie möglich sein wollen. Das will ich übrigens auch. Konservative und Liberale finden meinen Vorschlag strafgesetzlich zu ungenau und argumentieren, man müsse verbale sexuelle Belästigung in den Bereichen Erziehung und Bildung bekämpfen. Das ist gleichfalls eine meiner Forderungen. Doch bis das in der Gesellschaft Früchte trägt, bin ich bereits tot. Jemand der sagt, Catcalling reiche juristisch nicht als Tatbestand, der hat die Tragweite des Problems nicht verstanden.

Ein FDP-Politiker entgegnete deiner Forderung: “Beim sogenannten ‘Catcalling’ handelt es sich zweifellos um unangemessene Verhaltensweisen, von denen zumeist junge Frauen betroffen sind. Der Vorschlag zur Schaffung eines neuen Straftatbestandes ist jedoch kritisch zu bewerten. Derartige Äußerungen sind bereits nach der aktuellen Rechtslage als Beleidigung strafbar. Für unterhalb dieser Schwelle angesiedelte Äußerungen ohne ehrverletzenden Charakter (beispielsweise die in der Petition genannte Äußerung ‘Ey Blondie’) ist eine strafrechtliche Sanktionierung, die in unserer Rechtsordnung stets nur das letzte Mittel darstellt, nicht angemessen. Derartige Forderungen halte ich für schlicht überzogen.” Was würden sie ihm antworten?
Jemand der von Catcalling noch nie betroffen war, kann das Leid und die psychischen Erkrankungen, die daraus entstehen nicht einschätzen. Viele vermeintliche Kleinigkeiten, wie ein Pfiff oder ein anzüglicher Spruch, tragen maßgeblich zu einem Unsicherheitsgefühl bei, das viele Frauen vor allem nachts auf der Straße haben. Ich sage immer: Der Tag eines Mannes hat 24 Stunden, der einer Frau solange es hell draußen ist. Sexuelle Übergriffigkeiten – egal welcher Art – müssen strafbar sein.

Weniger zurückhaltend war das Argument eines AFD-Politikers, der deiner Petition mit dem Argument widersprach: “Die sprichwörtliche ‘dumme Anmache’ soll straffrei bleiben. Junge Männer müssen die Kontaktanbahnung mit jungen Frauen erst erlernen.” 
(lacht) Das ist nicht mal ein Argument. Bei Catcalling geht es nicht um Flirten. Das soll jede:r machen, wie er es für richtig hält.

Gibt es eine Grenze, wann Flirten zur sexuellen Übergriffigkeit wird?
Die Grenze, wann etwas zum Catcall wird, ist immer die Übergriffigkeit selbst. Alles, was keinen sexuellen Bezug hat, kann auch keine sexuelle Belästigung sein. Und alles was in Einvernehmlichkeit geschieht, kann auch keine sexuelle Belästigung sein.


NEON auf dem Weltfrauentag in Berlin

Sind diese Grenzen immer eindeutig oder findest du heute Dinge übergriffig, die für dich früher ok waren?
(Überlegt) Ja doch, die gibt es. Mir haben Frauen geschrieben, ich solle mich nicht wundern, dass mit so etwas passiert, wenn ich mich im Internet auf eine freizügige Art präsentiere. Das ist typisches Victim-Blaming. Mir ist aber aufgefallen, dass ich früher einmal genauso gedacht habe. Um männlichen Standards gerecht zu werden, wollte ich auch immer cool sein und mit einem lockeren Spruch antworten, wenn ich einen übergriffigen Spruch abbekam. Ich wollte einfach nicht wie die verklemmte feministische Emanze wirken, die Männer gerne als Hassbild beschwören. Heute ist mir egal was Männer denken und ich kann erkenne wo für mich Übergriffigkeiten beginnen.

Flirtversuche ja, verbale sexuelle Belästigung nein. Stichwort Flirt-Coaches für schüchterne Männer oder Dating-Shows um 20:15 Uhr im Privatfernsehen, in denen braun gebrannte muskulöse Männer Frauen dumm anmachen: Hat die Art und Weise, wie in unserer Gesellschaft das Thema Flirten dargestellt wird, nicht doch einen Einfluss auf das Thema Catcalling?
Wenn du dein Gegenüber kurz fragst “Entschuldigung, darf ich dich kurz ansprechen?” und du unter Einvernehmlichkeit mit demjenigen oder derjenigen flirtest, ist mir egal ob du einen sexistischen Flirt-Coach oder eine Dating-Show mit fragwürdiger Rollenverteilung geguckt hast. Darauf will und werde ich nie Einfluss haben.

Geht es bei der Forderung Catcalling strafbar zu machen am Ende nicht auch darum, gewachsene Machtstrukturen zu durchbrechen?
Ja, es geht auch darum zu klären, wie viel Raum bestimmte Menschen auf öffentlichen Plätzen einnehmen. Dieses Ungleichgewicht zu durchbrechen, das gehört dazu.

Nach einigen Monaten trat plötzlich eine Stille um dich und das Thema Catcalling ein. Vermisst du die Aufmerksamkeit auf das Thema nicht auch.
Das Thema ist angekommen und die Stille um meine Person fühlt sich ehrlich gesagt gut an. Ich habe nur jetzt schon Angst vor den ganzen Interviewanfragen, die ich bekommen werden, wenn Catcalling strafbar wird.

Keine Frau darf anderen Frauen ihre traumatisierenden Erfahrungen absprechen.

Ist es so sicher, dass Catcalling bald strafbar wird?
Mir gibt Mut, dass viele schlaue Menschen meiner Meinung sind − wie beispielsweise der Deutsche Bund der Juristinnen. Auch das viele Menschen ihr Verhalten in Bezug auf Catcalling beginnen zu reflektieren, ist ein erstes Anzeichen der Veränderung.

Ich habe neulich in einem Podcast gehört, dass die Lieblingsbeschäftigung unserer jungen Generation das “Reflektieren” ist.
(lacht) Ja dem stimme ich zu. Ich glaube das ist in unserer Gesellschaft für junge Menschen ein wichtiger Charakterzug geworden.

In Deutschland gibt es viele lokale Gruppen, die mit Aktionen auf das Thema Catcalling aufmerksam machen. Man gewinnt dabei den Eindruck, dass Catcalling ein Thema für woke Gespräche in der Mensa, auf linken Soli-Partys und in WG-Küche ist.
Ja das stimmt. Das Thema bewegt junge Menschen und vor allem Frauen mehr als ältere Menschen und Männer. Das liegt zum einen daran, dass die junge Generation am Campus derzeit eine sehr politische Generation ist, die sich über viele Dinge Gedanken macht und zum anderen daran, dass mehrheitlich Frauen von Catcalling betroffen sind. Ich möchte aber betonen, dass es sich bei meiner Petition nicht um meine persönliche Meinung oder die einer bestimmten Person handelt, sondern um ein Leiden vieler Menschen. Ich dränge niemandem irgendwelche Moralvorstellungen auf. Eine Frau kam einmal zu mir, die meinte, sie habe kein Problem mit Catcalling und finde das ganz im Gegenteil sogar gut. Das ist schön für sie und jede:r darf in unserer Gesellschaft tun und lassen was er möchte, solange es in Einvernehmlichkeit geschieht. Aber keine Frau darf anderen Frauen ihre traumatisierenden Erfahrungen absprechen.

Werden auch ältere Menschen den neuen Trend des Reflektierens in Bezug auf das Thema Catcalling irgendwann für sich entdecken?
Die Frage ist ja, hat das etwas mit dem Alter oder der Generation zu tun? Manchmal habe ich Angst, dass ich mit 70 Jahren auch alles nur noch so mache, wie ich es eben gewohnt bin. In Bezug auf Catcalling würde ich diese Haltung einem alten Menschen nicht mal übelnehmen − Alte Menschen sind nicht im Internet und auf Social Media unterwegs und kennen die Begriffe nicht mit denen heute Debatten im Netz geführt werden. Aber wenn Catcalling strafbar wird, werden vielleicht auch sie den Begriff kennenlernen.

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