Bücher-Sommer: Bei Christine Westermann ist Entspannung garantiert

Bücher
Christine Westermann hat ein paar simple Regeln für die Urlaubslektüre – Entspannung garantiert

Fast wie Yoga: Moderator Marco Schreyl im Naturschutzgebiet auf Rügen. Für den Fototermin im streng geschützten Areal hatte der stern eine Sondererlaubnis

© Martin Pauer

Unsere Kolumnistin Christine Westermann verrät, warum es mit der Sommerlektüre ist wie mit dem Eisessen. Mit ihren Buchtipps wird’s am Strand oder auf der Almwiese auf jeden Fall erholsam. 

Ganz Deutschland macht Urlaub. Nur in einer Stadt im Westen sitzt eine Frau am Schreibtisch und soll einen launigen Text über den Sommer und die Bücher schreiben. Das Kölner Wetter passt perfekt dazu, 24 Grad. Nur das Meer fehlt. Aber wenn der Wind falsch steht, rauscht die Autobahn. Kann man als Meerersatz gerade noch durchgehen lassen. Eine Freundin stört mit einer SMS die Konzentration. Sie plant Urlaub in Dänemark, fragt nach Buchtipps. “Fünf Viertelstunden bis zum Meer” schlage ich ihr vor.

Vier Tage später kommt eine zweite Nachricht: “Wir sind vor zweieinhalb Stunden Richtung Lübeck aufgebrochen, habe schon 70 Seiten gelesen, ich kann nicht aufhören.” In diesem Fall schade, denn die Geschichte von Ernest van der Kwast hat nur fast 100 Seiten. Ohnehin gilt für Urlaubsbücher eine simple Regel: Gelesen wird erst, wenn man am Meer sitzt oder auf der Almwiese liegt.

Mit Sommerbüchern ist es wie mit Eisessen. Bloß nicht alles auf einmal. Sonst Völlegefühl, was aber unwahrscheinlich ist, weil der Deutsche im Urlaub eher wenig liest. An dieser Stelle komme ich ums Gendern leider nicht herum. Die Deutsche liest nämlich schon. Mindestens zwei Romane packt sie für den Urlaub ein. Nicht nur deutsche Leserinnen sind heiß auf Bücher. Marilyn Monroe hatte mehr als 400 Exemplare in ihrem Besitz, Madonna ist auch nicht ohne. “Jeder denkt, ich sei total verrückt nach Sex. In Wahrheit lese ich lieber ein Buch”, hat sie einmal gesagt.

Blaue Buchtipps für den Sommer

Die Buchempfehlungen der Prominenten könnten unterschiedlicher nicht sein. Es sind Romane dabei, die es nur im Doppelpack, im Schuber, gibt. Heißt im Klartext: Übergepäck. Vielleicht sollten wir Sommerbücher deshalb am besten nach ihrem Gewicht beurteilen. Kategorie 1: leicht; die nächste Stufe: mittelschwer. Was mir als Orientierungshilfe noch helfen würde: schwer bis unlesbar.

Wer mit einem Schuber am Strand liegt, gibt auf jeden Fall ein gutes Bild ab. Ich erinnere mich an einen Urlaub in Italien, wo ein Freund, der später keiner mehr war, mit einem Buch knietief im Mittelmeer stand. Sah schön aus, das Buch, ein Gedichtband von Jean Racine, war antiquarisch erworben. Hätte mich damals auch gern mit etwas Außergewöhnlichem geschmückt, das aber wäre intellektuell eine Überforderung gewesen. Ich habe es im Urlaub mal mit dem “Zauberberg” von Thomas Mann versucht. Um Vorbeigehenden eine Welt vorzugaukeln, die gar nicht meine war oder die ich zumindest nicht gänzlich ausfüllte. Andere lesen Krimis von Fitzek, die Westermann liest den Roman eines Literaturnobelpreisträgers. Die hat es wohl drauf. Das Buch hat übrigens rund 1000 Seiten, in der Mitte aufgeschlagen und breitgedrückt schützt es besser als jede Sonnenbrille. Ist ja ohnehin die Frage, wie lange das mit Urlaubsbüchern noch funktionieren kann. Wer will bei 40 Grad am Strand noch lesen?

Handtuch oder Sommerbuch?

Sommerbücher haben gefühlt immer etwas Himmelblaues an sich, man erkennt sie schnell am Äußeren. In diesem Jahr zeigt fast ein Dutzend der aktuellen Romane, die geschmeidig als Urlaubsbücher durchgehen, auf dem Cover Poolwasser in seinen schönsten Blaufarben, mittendrin Frauen im bunten Badeanzug. Was auf eindrucksvolle Weise beweist, mit wie viel Fantasie die Marketingexperten unterwegs sind. Kluge Frauen schwimmen gern, und wer klug ist, kauft Bücher.

Der britische Autor Julian Barnes hat beschlossen, zeitlebens nur Bücher zu lesen, die sich gut auf dem Nachttisch machen. Falls man unerwartet stirbt. Wenn man sich noch des Lebens freut und im Urlaub liegen will, muss man sich ranhalten. Was also lege ich morgens um fünf Uhr am Hotelpool auf die Liege: ein Handtuch oder ein Sommerbuch? Und was wohl ist zuerst weg?

Erschienen in stern 31/2023

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