Afghanistan: Taliban erobern Kandahar – Politik


Mit dem Abzug der internationalen Truppen aus Afghanistan rücken die islamistischen Taliban immer weiter vor und erobern zahlreiche Gebiete. Die Meldungen im Überblick:

Die militant-islamistischen Taliban setzen ihre dramatischen Gebietsgewinne weiter fort. In der Nacht zum Freitag eroberten sie mit Kandahar im Süden des Landes die zweitgrößte Stadt Afghanistans. Das bestätigten zwei Parlamentarier und ein Provinzrat der Deutschen Presse-Agentur. Außerdem haben sie die wichtige Stadt Laschkar Gah in der Provinz Helmand im Süden Afghanistans eingenommen und auch Firozkoh (auch Tschaghtscharan) in der Provinz Ghor im Westen des Landes ist von den Islamisten übernommen worden. Das bestätigten ein Provinzrat und eine Parlamentarierin der Deutschen Presse-Agentur am Freitag.

Damit fiel die 15. Provinzhauptstadt innerhalb einer Woche an die Taliban. Von den wichtigen Städten hält die Regierung nur noch die Hauptstadt Kabul, Masar-i-Scharif im Norden und Dschalalabad im Osten.

Die Stadt Firozkoh mit geschätzt 130 000 Einwohnern sei ohne jeglichen Widerstand von den Islamisten übernommen worden, sagte der Provinzrat Fasel-ul Hak Ehsan. Die Sicherheitskräfte und mehrere Regierungsvertreter hätten sich in eine Militärbasis in der Stadt zurückgezogen.

Die Abgeordnete Fatima Kohistani, die die Provinz im Parlament vertritt, machte dem Gouverneur von Ghor Vorwürfe. Dieser habe fliehen wollen, aber als ihm das nicht gelungen sei, habe er die Stadt an die Islamisten praktisch übergeben. Die Sicherheitskräfte und Offiziellen in der Militärbasis würden nun darauf warten, dass die Taliban ihnen Autos geben würden, damit sie die Stadt verlassen könnten. Es seien praktisch keine Menschen geflohen, sagte die Parlamentarierin weiter. Viele hätten die gleichen Einstellungen wie die Taliban. (13.08.2021)

USA verlegen Tausende Soldaten nach Afghanistan

Angesichts der dramatischen Gebietsgewinne der Taliban verlegen die US-Streitkräfte sofort rund 3000 zusätzliche Soldaten an den Flughafen in Kabul. Es gehe darum, eine geordnete Reduzierung des US-Botschaftspersonals zu unterstützen, erklärte der Sprecher des Verteidigungsministeriums, John Kirby. Zudem verlegen die USA demnach bis zu 4000 weitere Soldatinnen und Soldaten nach Kuwait und 1000 nach Katar – falls Verstärkung gebraucht würde. Der Abzug der US-Soldaten aus Afghanistan solle aber weiter bis 31. August abgeschlossen werden, so Kirby am Donnerstag (Ortszeit). Auch Großbritannien will rund 600 zusätzliche Soldaten schicken, um bei der Rückführung von Briten aus Afghanistan zu helfen.

Die militant-islamistischen Taliban übernahmen unterdessen in drei weiteren Provinzhauptstädten die Kontrolle, davon zwei mit großer Bedeutung. Zunächst eroberten sie das nur 150 Kilometer von der Hauptstadt Kabul entfernte Gasni im Südosten. Gasni hat etwa 180 000 Einwohner und liegt an der wichtigen Ringstraße, die die größten Städte des Landes verbindet. Dann übernahmen die Taliban im Westen des Landes mit Herat die drittgrößte Stadt, von der es nur rund 130 Kilometer bis zur iranischen Grenze sind. Dort leben geschätzt 600 000 Menschen. Letztlich übernahmen die Islamisten noch die kleine Provinzhauptstadt Kala-e Nau in der Provinz Badghis im Nordwesten.

Die Kämpfer der Taliban brachten damit in weniger als einer Woche 12 der 34 Provinzhauptstädte unter ihre Kontrolle. Auch aus den südlichen Städten Kandahar und Laschkargah im Süden wurden weitere Taliban-Angriffe gemeldet. In Kandahar sollen sie bereits das Gefängnis erobert haben, in Laschkargah die Zentrale der Polizei. Nach zunächst unbestätigten Berichten soll Kandahar bereits weitgehend unter Taliban-Kontrolle stehen.

Angesichts der dramatischen Ereignisse entschied die US-Regierung, das Personal der Botschaft in Kabul auf das Nötigste zu reduzieren. Die rund 3000 Soldaten, die aus dem Nahen Osten innerhalb von ein bis zwei Tagen nach Kabul verlegt werden sollen, sollen die Abreise des Personals sichern. Dies könne auch die Sicherung von Konvois von und zum Flughafen umfassen, hieß es. Zudem sollen die Soldaten beim Ausfliegen früherer afghanischer Mitarbeiter der US-Behörden und des Militärs helfen, die sich vor den Taliban in Sicherheit bringen wollen. Sie sollen in die USA gebracht werden, wo ihnen nach der Erteilung eines Visums ein Neustart ermöglich werden soll.

“Das ist eine zeitlich begrenzte Mission mit eng begrenztem Auftrag”, sagte Pentagon-Sprecher Kirby. Die Verstärkung sei angesichts des jüngsten Vormarsches der Taliban eine Vorsichtsmaßnahme, sagte Kirby. Gleiches gelte auch für die Positionierung der übrigen Soldaten in der Region. Die bis zu 4000 Soldaten, die in der kommenden Woche in Kuwait ankommen sollen, gehören demnach einem Kampfverband einer Luftlandedivision aus dem US-Bundesstaat North Carolina an. (13.08.2021)

Herat fällt an die Taliban

Die drittgrößte Stadt Afghanistans ist an die militant-islamistischen Taliban gefallen. Die wichtigsten Regierungseinrichtungen von Herat im Westen des Landes seien in den Händen der Islamisten, bestätigten drei lokale Behördenvertreter der Deutschen Presse-Agentur. Erst am Donnerstagmorgen (Ortszeit) war die strategische Stadt Gasni im Südosten gefallen. Auch die zweitgrößte Stadt Kandahar ist schwer umkämpft.

Dem Fall der historischen Stadt Herat mit geschätzt 600 000 Einwohnern waren wochenlange Angriffe vorausgegangen. Die Taliban konnten zunächst von den Sicherheitskräften und Milizen des dort heimischen Politikers und ehemaligen Kriegsfürsten Ismail Chan in Schach gehalten und teils auch wieder zurückgedrängt werden.

Provinzräte berichteten seit Donnerstagnachmittag von zunehmenden Gefechten in Herat. Die Taliban seien aus dem Osten in die Stadt vorgedrungen und bis zu 200 Meter an den Gouverneurssitz gelangt. Die Milizen von Ismail Chan seien im Westen der Stadt damit beschäftigt gewesen, einen anderen Angriff der Islamisten abzuwehren. Auch vom Norden seien sie vorgerückt, sagte ein weiterer Provinzrat.

Am Donnerstagabend seien schließlich der Gouverneurspalast, das Polizeihauptquartier und das Gefängnis unter Kontrolle der Taliban gewesen. Die Islamisten hätten, wie schon in anderen von ihnen eroberten Städten, die Gefangenen freigelassen. Die Sicherheitskräfte hätten nicht gekämpft, erklärte der Provinzrat Ghulam Habib Haschimi.

Nur die kürzlich von Ismail Chan zusammengesammelten Kräfte des Volksaufstandes hätten sich gegen die Übernahme der Stadt gewehrt. Der Gouverneur und andere Offizielle hätten sich in eine Militärbasis in der Nähe des Flughafens zurückgezogen. Es war unmittelbar nicht klar, wo sich Ismail Chan befand, der als einer der Führer der Nordallianz 2001 den USA geholfen hatte, die Taliban zu vertreiben.

In den vergangenen Wochen waren die Taliban laut lokalen Behördenvertretern immer wieder für Kurzangriffe in die Stadt eingedrungen und hätten sich dann sofort wieder zurückgezogen. Damit und mit in sozialen Medien verbreiteten Selfies von sich in der Stadt hätten sie Schrecken unter den Bürgern verbreitet, sagte der Sprecher des Gouverneurs der Provinz von Herat.

Auch eine weitere Provinzhauptstadt haben die Taliban eingenommen. Kala-e Nau in der Provinz Badghis im Nordwesten des Landes sei von den Islamisten übernommen worden, bestätigten ein Provinzrat und eine Parlamentarierin der Deutschen Presse-Agentur. Damit fiel die zwölfte Provinzhauptstadt innerhalb weniger als einer Woche an die Taliban.

Einem Bericht der New York Times zufolge geht die US-Regierung mittlerweile von einem Fall der Hauptstadt Kabul und damit der afghanischen Regierung binnen der nächsten 30 Tage aus. Das Pentagon setze Tausende Soldaten in Alarmbereitschaft, um eine Evakuierung der US-Botschaft zu ermöglichen und amerikanische Staatsangehörige in Sicherheit zu bringen. Zudem versuchen die USA dem Bericht nach die Taliban dazu zu bringen, die US-Botschaft im Falle einer Einnahme Kabuls nicht zu stürmen. Kabul könne gehalten werden, wenn die afghanischen Sicherheitskräfte mehr Widerstand leisten würden, zitiert die Zeitung US-Militär- und Regierungsquellen. Im Weißen Haus herrsche eine Mischung aus Sorge und Resignation.

Die USA werden nach Angaben des Außenministeriums zudem zusätzliche 3000 Soldaten an den Flughafen Kabul verlegen, um den geordneten Abzug von Teilen des Botschaftspersonals zu unterstützen. Zunächst soll das zivile Personal wie geplant weiter reduziert werden. Das US-Militär will das Land eigentlich bis Ende August verlassen. Dies sei auch weiter der Plan, betonte ein Sprecher. Auch Großbritannien will mehrere Hundert weitere Streitkräfte nach Afghanistan schicken, die bei der Rückführung von Briten aus dem Land helfen sollen. Die 600 zusätzlichen militärischen Kräfte würden in den kommenden Tagen in Kabul ankommen, teilte das britische Verteidigungsministerium mit.

Ein Sprecher des US-Außenministeriums sagte, die internationale Gemeinschaft werde keine neue afghanische Regierung anerkennen, falls diese die Macht mit Gewalt an sich gerissen haben sollte. Diese “Botschaft an die Taliban” werde später auch in einer gemeinsamen Stellungnahme mit mehreren internationalen Partnern, darunter auch Deutschland, ausgedrückt werden. (12.08.2021)

Erdoğan erwägt Treffen mit Taliban-Führung

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan hat ein Treffen mit der Führung der Taliban ins Spiel gebracht, um über die sich verschlechternde Sicherheitslage in Afghanistan zu sprechen. Erdoğan sagte in einem Interview mit dem Fernsehsender CNN Türk, er habe am Mittwoch mit Regierungsverantwortlichen aus Katar darüber beraten, wie der Vormarsch der Taliban gestoppt werden und ein Schritt in Richtung “Frieden” gelingen könnte.

“Unsere zuständigen Institutionen arbeiten daran, auch in Gesprächen mit den Taliban”, sagte Erdoğan – allerdings ohne nähere Erläuterung. Er schlug vor, jemanden von der Taliban-Führung in der Türkei zu empfangen. Unklar blieb, auf wen er sich dabei genau bezog und wann ein solches Treffen stattfinden könnte.

Taliban-Kämpfer haben in den vergangenen Tagen die Kontrolle über eine Reihe von Provinzhauptstädten übernommen, während die USA ihren Plan zum Abzug der verbleibenden Truppen bis Ende des Monats vorantreiben. Er soll noch vor dem Jahrestag der Terroranschläge vom 11. September 2001 abgeschlossen sein. (12.08.2021)

Deutschland fordert Bürger zu schneller Ausreise aus Afghanistan auf

Angesichts des rasanten Eroberungszugs der islamistischen Talibankämpfer in Afghanistan fordert Deutschland seine Bürger dringend zur zügigen Ausreise aus dem Krisenland auf. Vor dem Hintergrund der deutlich verschlechterten Sicherheitslage im gesamten Staatsgebiet, inklusive der Hauptstadt Kabul, rate die Botschaft allen deutschen Staatsangehörigen dringend zur schnellstmöglichen Ausreise per Linienflug, heißt es in einer vom Auswärtigen Amt versandten Nachricht.

Sollte sich die Lage noch weiter zuspitzen, könnte das möglicherweise auch die Einstellung des kommerziellen Flugverkehrs nach sich ziehen. Die deutsche Botschaft in Kabul wies ausdrücklich darauf hin, dass sie aufgrund ihrer eingeschränkten Arbeitsmöglichkeiten und begrenzten Kapazitäten keine Garantie auf eine konsularische Betreuung gewährleisten könne, wenn sich Sicherheitslage weiter verschärft.

Eine Reisewarnung für Afghanistan besteht schon seit langem. Ende März wurde bereits eine Ausreiseaufforderung ausgesprochen, die mit der nun versandten Aufforderung noch einmal unterstrichen wird, wie es in der Nachricht heißt. Auch die USA, Großbritannien und andere Länder haben ihre Bürger in den vergangenen Wochen zur schnellstmöglichen Ausreise aufgerufen. Frankreich oder Indien haben bereits Repatriierungsflüge eingesetzt.

Wegen der Lage in Afghanistan erwartet der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Niels Annen, eine steigende Zahl an Flüchtlingen aus der Region auch in Deutschland. “Es ist naiv zu glauben, dass der Vormarsch der Taliban und die Gewalt in der Kriegsregion keine migrationspolitischen Folgen hat. Menschen aus Afghanistan werden noch stärker fliehen müssen als in den vergangenen Jahren”, sagte der SPD-Politiker den Zeitungen der Funke Mediengruppe. “Die Auswirkungen werden wir auch in Deutschland spüren, wenn auch noch nicht in den kommenden Wochen.” Deutschland sei für Afghanen “ein attraktives Zielland”, hob der Staatsminister hervor. (12.08.2021)

Maas droht mit Entzug von Afghanistan-Hilfe bei Errichtung von Kalifat

Bundesaußenminister Heiko Maas droht mit einem Stopp der finanziellen Unterstützung für Afghanistan, sollten die radikal-islamischen Taliban dort ein Kalifat errichten. “Wir geben jedes Jahr 430 Millionen Euro. Wir werden keinen Cent mehr nach Afghanistan geben, wenn die Taliban dieses Land komplett übernommen haben, die Scharia einführen und dieses Land ein Kalifat wird”, sagte Maas im ZDF. Ohne internationale Hilfe sei Afghanistan aber nicht lebensfähig. Den Taliban sei klar, dass sie darauf angewiesen seien.

“Es wird nicht so sein, dass die Taliban dieses Land alleine übernehmen, sondern sie wollen ein Teil der Regierung sein, sie wollen der mächtigere Teil der Regierung sein”, sagte Maas. Es werde darum gehen, wie die Verfassung aussehen und welche Rechte es geben werde. “Soll das ein Kalifat werden? Das ist etwas, was wir nicht mittragen werden.” (12.08.2021)

Kramp-Karrenbauer: Afghanische Behörden verzögern Ausreise von Ortskräften

Die afghanische Bürokratie verzögert nach Darstellung von Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer derzeit die Ausreise ehemaliger Ortskräfte, die wegen ihres Engagements für die Bundeswehr in ihrer Heimat um Leib und Leben fürchten müssen. “Es gibt im Moment einen Engpass. Das ist die Tatsache, dass die afghanische Seite selbst die Leute nur aus dem Land lässt, wenn sie einen afghanischen Reisepass haben”, sagte die CDU-Politikerin im Deutschlandfunk. Das sei im Moment “der größte Flaschenhals”.

Das Auswärtige Amt versuche, die afghanische Regierung von dieser Praxis abzubringen. Auf die Frage, ob sie eine Rückkehr der Bundeswehr nach Afghanistan ablehne, um die Betroffenen aus dem Land herauszuholen, sagte Kramp-Karrenbauer: “Wir sehen im Moment die andere Möglichkeit.” Daran werde “Tag und Nacht” gearbeitet, weil man sich in der Pflicht sehe, “dass die Leute rauskommen”.

Mehrere Tausend ehemalige afghanische Mitarbeiter, die für die Bundeswehr oder in der Entwicklungshilfe gearbeitet haben, und deren Familienmitglieder sind noch vor Ort. Sie sind bedroht durch die radikal-islamischen Taliban, die seit Beginn des internationalen Truppenabzugs rasant immer mehr Gebiete in Afghanistan unter ihre Kontrolle bringen. Bundesaußenminister Heiko Maas sagte im ZDF, es seien bislang Visa für 2500 Personen ausgestellt worden. 1500 von ihnen seien bereits in Deutschland.

Taliban erobern wichtige Großstadt

Die wichtige Provinzhauptstadt Gasni im Südosten Afghanistans ist an die militant-islamistischen Taliban gefallen. Das bestätigten drei Provinzräte der Deutschen Presse-Agentur. Die strategisch wichtige Stadt mit 180 000 Einwohnern liegt an der wichtigen Ringstraße, die die größten Städte des Landes verbindet und ist weniger als 150 Kilometer von der Hauptstadt Kabul entfernt.

Die Taliban seien überall in der Stadt, sagten die Provinzräte. Sie hätten das Gefängnis übernommen, den Sitz des Gouverneurs und das Polizeihauptquartier. Nur der Geheimdienst kämpfe noch gegen die Extremisten um sein Gebäude. Zwei Provinzräte machten dem Gouverneur der gleichnamigen Provinz Vorwürfe. Er habe ein geheimes Abkommen mit den Taliban geschlossen und so die Stadt praktisch an die Islamisten ausgeliefert. Der Gouverneur und der Polizeichef hätten Gasni-Stadt in Richtung Kabul verlassen.

Mit der Stadt Gasni sind in nicht einmal einer Woche zehn Provinzhauptstädte an die Islamisten gefallen. Der überwiegende Teil davon liegt im Norden des Landes. Gasni liegt von allen gefallenen Städten Kabul am nächsten. (12.08.2021)

Deutschland setzt Abschiebungen nach Afghanistan aus

Deutschland schiebt vorerst keine Menschen mehr nach Afghanistan ab. “Der Bundesinnenminister hat aufgrund der aktuellen Entwicklungen der Sicherheitslage entschieden, Abschiebungen nach Afghanistan zunächst auszusetzen”, sagte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums der Deutschen Presse-Agentur.

Eine in der vergangenen Woche verschobene Abschiebung von sechs Afghanen wird zunächst nicht mehr nachgeholt. Die Sicherheitslage in Afghanistan hat sich seit der Entscheidung über den Abzug der internationalen Truppen aus Afghanistan Mitte April dramatisch verschlechtert. Die militant-islamistischen Taliban haben inzwischen wieder neun Provinzhauptstädte unter ihre Kontrolle gebracht.

Der Schritt ist eine Kehrtwende Seehofers. Der deutsche Innenminister hatte sich erst kürzlich zusammen mit seinen Amtskollegen aus Österreich, Dänemark, den Niederlanden, Belgien und Griechenland mit einem einen Brief an die EU-Kommission gewandt. Darin warnten die Minister davor, Abschiebungen auszusetzen. Denn das würde “das falsche Signal senden und wahrscheinlich noch mehr Afghanen motivieren, ihre Heimat in Richtung EU zu verlassen”, heißt es in dem dreiseitigen Schreiben.

Die in Kabul vertretenen EU-Botschafter hatten sich erst am Dienstag für einen Abschiebestopp ausgesprochen. Darunter war auch der deutsche Vertreter, der damit eine andere Position als Innenminister Seehofer einnahm. Auch 26 Organisationen, darunter Amnesty International, Pro Asyl, Caritas und die Diakonie plädierten in einer gemeinsamen Erklärung für einen Stopp. “Deutschland darf die Augen vor der sich immer weiter verschlechternden Lage in Afghanistan nicht verschließen und muss alle Abschiebungen einstellen”, steht in dem Appell. “Rechtsstaat heißt, dass menschenrechtliche Prinzipien eingehalten werden.” Das völkerrechtliche Nichtzurückweisungsgebot, das aus dem absoluten Folterverbot abgeleitet werde und das Abschiebungen bei zu erwartenden schwersten Menschenrechtsverletzungen verbiete, gehöre dazu: “Dieses Abschiebungsverbot gilt unabhängig von individuellem Verhalten.”

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