Affenhirnforschung – Großes Leid für Affen, kein Nutzen für Menschen – Ärzte gegen Tierversuche

Hintergrund

Nichtmenschliche Primaten, zumeist Makaken, werden nach wie vor auch in Deutschland für qualvolle Hirnexperimente im Bereich der Grundlagenforschung verwendet. Eine Relevanz für die Erforschung und Behandlung von Erkrankungen des Menschen ist dabei nicht gegeben, zumal Erkrankungen wie Demenz, Alzheimer oder Parkinson bei den Tieren natürlicherweise gar nicht auftreten. Die in dem Bereich tätigen Forschenden rechtfertigen ihre Arbeit trotzdem in erster Linie mit der Angabe, dass ihre Erkenntnisse über bestimmte Vorgänge im Affenhirn in Zukunft unter Umständen dazu genutzt werden könnten, Krankheiten beim Menschen, die das Gehirn betreffen, zu verstehen. Gezielt darauf ausgerichtet ist sie jedoch nicht. Doch dies ist nicht der einzige Grund, der gegen die unfassbar grausame Affenhirnforschung spricht.

Im Folgenden wird exemplarisch auf einige zentrale Aspekte eingegangen, die die wissenschaftliche Irrelevanz der Primatenhirnforschung für die menschliche Gesundheit aufzeigen, sowie die verschiedenen Aspekte des schwersten Leids der Tiere und die fehlende Aussagekraft der Ergebnisse aus der Grundlagenforschung erläutert. Zudem zeigen wir moderne, humanrelevante und tierleidfreie Methoden der Hirnforschung auf. Im Fokus stehen hierbei Makakenaffen. Zu dieser Gattung zählen u.a. Rhesusaffen (Macaca mulatta) und Langschwanzmakaken, auch Javaneraffen genannt (Macaca fascicularis). In der Hirnforschung werden fast ausschließlich Rhesusaffen verwendet, während Langschwanzmakaken überwiegend im Bereich der Giftigkeitsprüfungen leiden und sterben. 

Deutliche Artunterschiede in den Gehirnstrukturen und -funktionen zwischen Affen und Menschen

Der Mensch zählt selbst zu den Primaten, so dass es auf den ersten Blick naheliegt, nicht-menschliche Primaten als möglichst ähnliche „Modellorganismen“, wie es in der lebensverachtenden Sprache der Experimentatoren heißt, im Sinne der Grundlagenforschung für Gehirnprozesse heranzuziehen. Was jedoch einerseits auf Grund der nahen Verwandtschaft und damit einhergehenden ähnlichen Empfindungsfähigkeit bereits ethisch völlig indiskutabel sein sollte, ist andererseits auch aufgrund der bereits heute bekannten Artunterschiede kein gangbarer Weg, um daraus Rückschlüsse auf das menschliche Gehirn zu erzielen – zumal es mittlerweile zahlreiche humanrelevante Methoden gibt, bei denen auch gezielt die menschlichen Erkrankungen untersucht werden können. 

Die Zahl der Studien mit Bildgebungsverfahren und schmerzfreien, nicht-invasiven Hirnableitungen am Menschen wächst und es zeigen sich zunehmend Diskrepanzen zwischen den an Menschen und Primaten gewonnenen Daten. Aus zahlreichen, in Fachzeitschriften erschienenen Publikationen, seien hier nur einige Unterschiede zwischen Mensch und nicht-menschlichen Primaten, mit dem Fokus auf Makaken, aufgeführt.

  • Primatengehirne unterscheiden sich bekannterweise „sowohl in Aspekten struktureller Details als auch in der generellen Größe“. Unterschiede in der Gehirngröße zeigen sich nicht nur in der unterschiedlichen Zellzahl, sondern auch in der Anordnung der Zellen und ihrer Verknüpfung (1).
  • Die menschliche Großhirnrinde (Kortex) weist eine zehnmal größere Oberfläche als der Makaken-Kortex auf und spielt in der menschlichen Wahrnehmung (Kognition) eine Schlüsselrolle (2).
  • Es gibt große Unterschiede in der Gyrifizierung (Herausbildung von Furchen und Windungen) zwischen den Gehirnen von Makaken und Menschen (3).
  • Die Entwicklungszeit der Gehirnzellen (Neuronen) unterscheidet sich je nach Art, da sie verschiedenen Prozessen unterliegt: So dauern diese Prozesse beim Menschen 100 Tage, bei Makaken nur 60 Tage (4).
  • Ein Vergleich der Zellverbindungen und –verknüpfungen im menschlichen Gehirn mit jenen im Gehirn von Makaken zeigt, dass sich fast die Hälfte (45 %) wesentlich unterscheiden (5).

Trotzdem werden Makaken und andere nicht-menschliche Primaten insbesondere auch für die Erforschung der Verarbeitung von visuellen, auditiven und akustischen Reizen im Gehirn als sogenanntes Modell für den Menschen weiterhin genutzt. Dies wird zunehmend auch aus der Wissenschaft in Frage gestellt:

Eine Übersichtsarbeit zahlreicher Studien zur menschlichen Gesichtserkennung (6) mahnt beispielsweise zur Vorsicht, direkte Schlussfolgerungen zwischen Arten ohne ausreichende Übereinstimmungen im Verhalten und anatomisch-funktionalen Orientierungspunkten zu ziehen, denn es gibt zahlreiche Unterschiede:

  • Im Gegensatz zu Menschen sind Makaken und andere Affen kaum in der Lage, einzelne Artgenossen anhand ihres Gesichts zu erkennen. Es gibt keine Hinweise darauf, dass sie auf qualitativ ähnliche Darstellungen wie Menschen angewiesen sind (z.B. feinkörnige ganzheitliche Darstellungen von Gesichtern, die eine Unterscheidung auf einen Blick ermöglichen) (6).
  • Zwar ist in der visuellen Hirnrinde (Sehrinde) sowohl bei Menschen als auch bei Makaken die primäre Sehrinde der größte Bereich, aber als Anteil der gesamten Großhirnrinde nimmt er beim Makaken einen deutlich größeren Bereich ein (10 Prozent vs. 3 Prozent) (6).
  • Der Bereich V2 (Gestalt- und Konturerkennung) ist beim Menschen verhältnismäßig deutlich kleiner als in der Hirnrinde von Makaken (2).
  • Der Schläfenlappen (beim Menschen wichtig für Hören, Sehen und Gedächtnis) hingegen ist bei Makaken, auch im Verhältnis zur Körpergröße, deutlich kleiner als beim Menschen (7).
  • Dem in der Hirnrinde angesiedelten Gesichtsverarbeitungssystem des Rhesusaffen fehlen entscheidende Aspekte für die menschliche Kompetenz bei der Erkennung einzelner Gesichter (6).
  • Der strukturelle Aufbau der Sehrinde unterscheidet sich erheblich zwischen Menschen und Makaken (8-11).

Zahlreiche Studien im Bereich der Affenhirnforschung arbeiten mit der Verarbeitung von Bewegungsreizen. Bewegungsreize sprechen zwar weitgehend ähnliche Regionen in der Hirnrinde bei Mensch und Makake an, es gibt aber auffällige funktionelle Unterschiede (Übersichtsartikel: 12):

  • Die Bewegungsverarbeitung ist im menschlichen Gehirn bezüglich Koordination von visueller Wahrnehmung und Motorik (z.B. die Koordination der Augenbewegung mit zielgerichtetem Greifen) viel stärker ausgeprägt als bei Affen (12).
  • Die Anzahl bewegungsempfindlicher Regionen ist beim Affen im Vergleich zum Menschen reduziert (13).
  • Mehrere Regionen im Schläfenlappen des Menschen reagieren deutlich empfindlicher auf Bewegungsreize als bei Affen (12).
  • Die Beteiligung des Scheitellappens an der Bewegungsverarbeitung ist bei Affen eingeschränkter (14).
  • Es wird vermutet, dass für den Menschen die Bewegungsverarbeitung besonders essentiell wurde, als dieser begann für die Suche nach Nahrung über weite offene Ebenen zu ziehen, während Affen sich in erster Linie in Bäumen aufhalten (12).

Das motorische Sprachzentrum im Gehirn von nicht-menschlichen Primaten (Areal 44 und 45) wurde als vergleichbar zur Broca-Region des Menschen (Sprachproduktion und Sprachwahrnehmung) beschrieben. Es gibt jedoch erhebliche Unterschiede, die als ursächlich für die beim Menschen deutlich komplexere und weitreichendere Bedeutung von Sprache gesehen werden:

  •  Das Zentrale Nervensystem des Menschen weist im Vergleich zu Menschenaffen und mit deutlichem Abstand zu Makaken das dichteste Nervengeflecht zwischen den Zellen auf. Somit sind die Nervenzellen der verschiedenen Gehirnregionen beim Menschen deutlich besser verknüpft als bei weiteren Arten (15).
  • Die Gewebearchitektur des Menschen unterscheidet sich in diesem Bereich erheblich von dem bei nicht-menschlichen Primaten, insbesondere Gibbons und Makaken (15).

Der Stirnlappen des Menschen spielt eine wichtige Rolle in Bezug auf Sprache (16) und kognitive Kontrolle von Verhalten (17-21). Schlüsselmerkmale seines Aufbaus scheinen bei Mensch und Makaken vergleichbar zu sein (22). Es gibt jedoch maßgebliche Artunterschiede, die verdeutlichen, dass eine scheinbare strukturelle Ähnlichkeit wenig Aussagekraft zum Verhalten und den kognitiven Leistungen der Arten hat (23):

  • Gehörte Informationen sind für Menschen von wesentlich höherer Bedeutung als für Makaken. Diese können sich gehörte Informationen schlechter merken als der Mensch (24), während sie leicht lernen können, visuelle Informationen zu nutzen (25).
  • Der vordere Teil der Hirnrinde des Menschen enthält eine Region, die beim Makaken nicht vorkommt (23).
  • Die Verknüpfung der verschiedenen Gehirnregionen, die für die Verarbeitung von gehörter Information zuständig sind, mit weiteren Gehirnregionen unterscheidet sich stark zwischen Mensch und Makake (23,26).

Schon aufgrund der hier dargestellten – nicht abschließenden – Unterschiede zwischen den Gehirnen von Menschen und nicht-menschlichen Primaten ist der Nutzen der Affenhirnforschung aus rein wissenschaftlicher Sicht mehr als fraglich. Viele dieser Vergleiche zwischen den Gehirnen von Affen und Menschen entstammen dabei aus der Affenhirnforschung selbst – umso unsinniger ist es, dass weiterhin an nicht-menschlichen Primaten als „Modellorganismus“ für den Menschen festgehalten wird. Die so gewonnenen „Erkenntnisse“ können aufgrund dieser Unterschiede schlichtweg nicht auf den Menschen übertragen werden, und so auch keine Hilfe für erkrankte Menschen erbringen.

Fehlende Aussagekraft der Ergebnisse der Affenhirnforschung

Forschung an Affenhirnen erlaubt bestenfalls Aussagen über spezifische Aspekte der Vorgänge in dem Gehirn der untersuchten Affenart. Eine Übertragung der Erkenntnisse auf den Menschen ist reine Spekulation. Dabei werden ja nicht einmal gesunde Tiere untersucht, sondern schwer geschädigte. Zahlreiche Stimmen – auch von Forschenden selbst – betonen, dass Ergebnisse, die man an so gestressten und kranken Tieren gewinnt, nicht repräsentativ sind.

Denn die Verwendung gestresster und leidender Tiere in der Forschung beeinträchtigt die Gültigkeit, Zuverlässigkeit und Reproduzierbarkeit (Wiederholbarkeit) der gewonnenen „Erkenntnisse“. Studien zeigen, dass eine suboptimale Unterbringung, die Entfernung aus der sozialen Gruppe, und der Wechsel zu einer anderen Unterkunft (selbst wenn sie sozial ist) bei den Affen auch mit mehreren physiologischen Veränderungen verbunden ist, die auf Stress hinweisen (27 – 30). Stress beeinflusst das Gehirn auf vielfältige Weise bis hin zu hochkognitiven Prozessen (31,32). Die Auswirkungen von Stress sind dabei nicht auf das Gehirn beschränkt, sondern erstrecken sich auf den ganzen Organismus sowie auf das Verhalten der Tiere (33). Diese Änderungen limitieren die Aussagekraft der Forschungsergebnisse – schließlich liegt dem beobachtbaren abnormalen Verhalten oft eine abnormale Physiologie zugrunde (34 – 39).


Die Aussagekraft von Forschungen an kranken und schwer gestresten Tieren ist mehr als fraglich.  

Doch auch das Fehlen von Verhaltensindikatoren für Stress muss nicht bedeuten, dass es keine physiologischen Änderungen gibt. Studien zur Fixierung der Tiere in Primatenstühlen (40, 41) kamen zu dem Ergebnis, dass Affen erst angstbezogene Verhaltensweisen zeigten, aber zeitnah einen ruhigen Eindruck machten – das Angstverhalten hörte mit wiederholter Exposition mit der Laborsituation auf und die Werte des Stresshormons Cortisol kehrten auf die Ausgangswerte zurück. Die Forschenden führen dies jedoch nicht auf eine Absenkung des Stresslevels, sondern auf eine Abschwächung der Cortisolreaktion, wie sie auch beim Menschen unter Dauerstress mit zahlreichen negativen gesundheitlichen Auswirkungen stattfindet.  

Die „normale“ Funktionalität der Gehirne der Affen kann dabei durch den anhaltenden (in der Hirnforschung unvermeidbaren) Stress und Schmerzen stark beeinflusst und dauerhaft verändert sein (42). Auch Veränderungen im Wasserhaushalt, der entsteht, wenn die Tiere während der Versuchsperioden Durst erleiden, können Auswirkungen auf die Zellfunktionen haben (43, 44). Die oft eingesetzte Betäubung für Untersuchungen mit nicht-invasiven bildgebenden Verfahren wie dem fMRT begrenzt die Aussagekraft nicht nur dadurch, dass die Affen dabei nicht wach sind, sondern auch, dass Betäubungsmittel Reaktionen verändern und Ergebnisse verfälschen können (42, 45).

Das Leiden der Affen für die Grundlagenforschung

An den Instituten, die Hirnforschung an Affen durchführen, werden zumeist Makaken „verwendet“. Das Leiden der Tiere ist dabei nicht auf den Versuch beschränkt. Die Tiere werden viel zu früh ihrer Mutter und Familie entrissen, sitzen allein in Quarantäne, um dann unter widrigen Umständen – oft aus Asien oder Mauritius stammend – tagelang in dunklen Kisten verpackt als Fracht versendet zu werden, um in europäischen oder US-Laboren zu enden. Teils stammen die Tiere aus Zuchten oder sogar aus freier Wildbahn (46- 48). Auf dem Weg zu den Laboren gibt es meist noch Zwischenstationen über Einrichtungen, die in den Ländern selbst auch züchten, aber den Bedarf nicht bedienen können und daher die Affen aus Asien zukaufen. Hier sind die traumatisierten Jungtiere wiederum eine zeitlang untergebracht, bevor sie weiterverkauft werden (49, 50). Und wieder werden sie dann oft ihrer Gruppe entrissen, um schlussendlich im Labor zu enden.

Affenbaby im Arm der Mutter
Affenbabys werden oft viel zu früh von ihrer Mutter und Familie getrennt.

In den Laboren werden die meist noch jungen Affen nach einiger Zeit der Eingewöhnung unter Wasserentzug „trainiert“, damit sie in den Primatenstuhl steigen, sich fixieren lassen und bestimmte Aufgaben am Bildschirm erfüllen. Durch den lebensbedrohlichen Durst haben sie gar keine andere Möglichkeit, als sich in ihr Schicksal zu ergeben. Dieses „Training“ allein kann viele Monate dauern. Verhalten sich die Tiere dem Forscherwunsch entsprechend, erfolgen die ersten Operationen.

Die durchgeführten Gehirnoperationen sind stark invasiv. Den Tieren werden Messgeräte und Kopfhalter auf und in die Schädeldecke implantiert. Der Schädelknochen und Knochenhäute werden dabei durchbohrt. Während der Messungen werden Elektroden in die für die Forschungsfragen relevanten Gehirnregionen eingelassen. Tiere werden meist mehrfach, oft über Jahre zu verschiedenen Fragestellungen untersucht, so dass auch die Messinstrumente umgesetzt werden müssen – es folgen daher weitere Durchbohrungen des Schädels an anderer Stelle. Hinzu kommen Löcher für die Schrauben, mit denen die Geräte am Schädel befestigt werden. Auch das jeweilige „Training“, damit die Tiere auf die richtigen Reize reagieren, wiederholt sich dadurch mehrfach.

Für die Datenaufnahme werden die Affen in einem Primatenstuhl eingesperrt, ihr Kopf an der Halterung festgeschraubt, damit dieser völlig bewegungslos ist, um die Messungen nicht zu gefährden. Sie sitzen täglich stundenlang in dieser Haltung vor dem Bildschirm und müssen Aufgaben lösen, während die Hirnströme gemessen werden. Damit die Tiere die Aufgaben lösen und kooperieren, erhalten sie nur Flüssigkeit während dieser Versuche, und wenn sie die Aufgabe richtig lösen. Dies ist ihre einzige Möglichkeit, ihren Durst zu stillen, denn abseits der Tests oder des Trainings erhalten die Tiere während ihrer „Arbeitswoche“ keinerlei Flüssigkeit. Die Tiere werden so in ein erhebliches Leid gezwungen (die Fixierung im Primatenstuhl) um einer potentiell lebensbedrohlichen Situation, dem Verdursten, zu entkommen. Die Tierexperimentatoren stellen diesen Umstand seit Jahrzehnten als harmlos dar, sprechen sogar von positiver Verstärkung – in diesem Fall wäre es jedoch nicht nötig, einen Mangel (Flüssigkeitsentzug) zu erzeugen. Denn in dem Fall würden die Affen für die erhaltene Belohnung – das könnte zum Beispiel ein begehrtes Nahrungsmittel sein – freiwillig, d.h. auch ohne Durst – an dem Versuch teilnehmen. Dass jedoch erst ein lebensbedrohlicher Mangel hergestellt werden muss, damit die Tiere kooperieren, verdeutlicht am besten, dass sie die Versuche als leidvoll empfinden.

Affen in der Hirnforschung
Affen mit implantierten Gerätschaften auf dem Kopf.

Ein 2009 erstellter veterinärpathologischer Bericht, der bei toten Affen aus der Hirnforschung des Max-Planck-Instituts für Biologische Kybernetik in Tübingen durchgeführt wurde, hat schwerstes Leid festgestellt. Dazu gehören mehrere Bohrlöcher im Schädelknochen, kreisförmig abgestorbene Haut und Entzündungen der Hirnhaut, ein durchtrennter Kaumuskel, Stichverletzungen im Gehirn und ein schweres Schädel-Hirntrauma des Makaken Jara. Die Sektion ergab als Todesursache: „chronisch schweres Schädel-Hirntrauma, neurogener Schock unter anzunehmenden schwersten Schmerzen“. Aus einem internen Schriftwechsel geht hervor, dass „die Operation dem normalen Vorgehen am Institut“ entsprach und „Der Operateur einer der kompetentesten für Neuroimplantate im MPI“ war (51). 

Leben die Affen in Gruppenhaltung mit Tieren, die sich gut verstehen, kann dies zumindest in der testfreien Zeit ihr Leid etwas abmildern. Doch die Tiere werden regelmäßig aus der Gruppe entnommen, um an den Testungen teilzunehmen – die Gruppenstrukturen geraten dadurch jedes Mal aufs Neue ins Wanken, und ein zurückkehrendes Tier muss immer um seinen Status fürchten. Auch hier ergibt sich ein erheblicher Stressfaktor. Verstehen sich die oft auch sozial frühgeschädigten Tiere nicht (mehr) mit anderen Gruppenmitgliedern, fristen sie oft den Rest ihres Lebens in Einzelhaltung – dies allein ist für die sozialen Tiere eine erhebliche Qual und schwerstes Leid. Mitunter werden „trainierte“ Affen auch an andere Labore abgegeben, wo das Leid weitergeht. Unter normalen Umständen werden die Makaken jedoch am Ende der Testreihen – dies kann nach vielen Jahren der Fall sein – getötet, da angegeben wird, Gehirnschnitte für eine Auswertung der vorab gesammelten Daten zu benötigen.

Möglichkeiten der tierversuchsfreien, humanbasierten Hirnforschung

Möchte man grundlegende Erkenntnisse über Funktionen des menschlichen Gehirns gewinnen, um den Menschen betreffende Krankheiten wie z.B. Alzheimer oder Parkinson verstehen und heilen zu können, bieten sich bereits heute zahlreiche nicht-invasive, tierversuchsfreie und humanbasierte Forschungsmethoden an. Studien von sogenannten Hirnläsionen (Funktionsausfälle einzelner Hirnregionen) bei Menschen haben schon früh einen erheblichen Beitrag zum Erkenntnisgewinn von Funktionen des Gehirns geleistet (52). Bereits seit den 1950er Jahren arbeitet die Hirnforschung zudem mit freiwilligen und umfassend aufgeklärten menschlichen Probanden (53). Sowohl invasive als auch nicht-invasive ethisch vertretbare Studien am Menschen haben seitdem erheblich zu den Erkenntnissen der Neurowissenschaften beigetragen. Studien, die menschliches Hirngewebe (gewonnen aus Hirnoperationen oder von Verstorbenen) untersuchen, sind bis heute wichtig, um Erkenntnisse über die Anatomie des Gehirns zu gewinnen.

Elektrische Stimulation und invasivere Ableitung von Hirnaktivität können auch während hirnchirurgischer Eingriffe durchgeführt werden. Hierbei handelt es sich um Fälle, bei denen die Patienten sich dieser Prozedur aus medizinischen Gründen unterziehen müssen, und vorab über den zusätzlichen Versuch, Implikationen und mögliche Risiken ausführlich aufgeklärt werden. Sie können sich im Gegensatz zu verwendeten Tieren also selbständig dafür entschieden, teilzunehmen. Diese Untersuchungen am Menschen bieten zudem auch den großen Vorteil, dass durch die direkte Kommunikation mit dem Patienten die Ergebnisse einfacher interpretiert werden können. Kopfelektroden, sowie verschiedene bildgebende Verfahren wie die fMRT (funktionelle Magnet-Resonanz-Tomografie) oder fNIRS (funktionelle Nah-Infrarot-Spektografie) finden Verwendung, um die Hirnaktivität wacher Freiwilliger zu untersuchen. Mathematische Modelle arbeiten mit Daten aus Bevölkerungsstudien und haben z.B. bereits wichtige Erkenntnisse für eine Therapieentwicklung für Multiple Sklerose geliefert (54). Mittels neueren Methoden wie dem 3D-Druck lassen sich Schäden in Gehirnen von Patienten exakt abbilden, was zu einem besseren Verständnis des Fortschreitens einer Krankheit und somit bei Verbesserungen von Therapien bei verschiedensten neurodegenerativen Krankheiten führt.

CT
Mit verschiedenen bildgebenden Verfahren lassen sich die Hirnaktivitäten von Freiwilligen untersuchen – was im Gegensatz zum Tierversuche sinnvolle Ergebnisse liefert.

Besonders vielversprechend sind auch die sogenannten Mini-Brains (Mini-Gehirne) – millimetergroße, dreidimensionale Strukturen aus menschlichen Zellen, die viele anatomische und funktionelle Eigenschaften des menschlichen Gehirns nachahmen. Im Vergleich zu den herkömmlichen 2D-Zellkulturen können die Mini Brains mehrere Schichten verschiedener, miteinander verbundener Zelltypen besitzen. So bieten sie Wissenschaftlern die Möglichkeit, Gehirnprozesse, -erkrankungen und -therapien in einem komplexen, menschenrelevanten und personenspezifischen System zu erforschen, ohne invasive Eingriffe an Patienten vorzunehmen (55).

Fazit

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Affenhirnforschung mit Sicherheit nur eins zeigt – wie das Gehirn des untersuchten, traumatisierten, kranken und stark gestressten und leidenden Affen eines bestimmten Geschlechts und einer bestimmten Affenart in einem spezifischen Moment auf gewisse Reize reagiert – ohne Implikationen für weitere Affen oder gar den Menschen. Denn sowohl Gehirnstruktur als auch die Funktionsweise verschiedener Gehirnbereiche unterscheiden sich zu sehr zwischen Affe und Menschen. Die Ergebnisse aus der Affenhirnforschung sind schlicht nicht auf den Menschen übertragbar.

Selbst, wenn die grausamen Affenhirnversuche einen Nutzen für den Menschen hätten – was ausdrücklich nicht der Fall ist -, dürften sie nicht durchgeführt werden, weil es ethisch unzulässig ist, andere Tiere und insbesondere unsere nächsten Verwandten derart zu quälen. Die Affen leiden bereits seit ihrer Kindheit, wenn sie ihren Familien entrissen werden, um dann die schrecklichen Torturen im Labor zu erleiden. Affen sind trotz der zahlreichen dargestellten Unterschiede in der Funktionalität des Gehirns dem Menschen nicht nur in Bezug auf ihre Intelligenz, sondern auch auf ihre Gefühlswelt sehr ähnlich. Affen haben ein reiches und komplexes Sozial – und Gefühlsleben, empfinden Freude, Trauer, Neid und Eifersucht und zeigen ein hohes Maß an Einfühlungsvermögen und auch Selbstlosigkeit – Eigenschaften, die bis vor wenigen Jahren lediglich Menschen zugeschrieben wurden. Doch die Erkenntnisse aus den grausamen Versuchen sind noch nicht einmal eine Hilfe für erkrankte menschliche Patienten.

Trotzdem werden hier Millionen an Forschungsgeldern für Forschung, die dem Menschen keinen Nutzen bringt, verwendet – Steuergelder, mit denen man durch am Menschen ausgerichteter Hirnforschung mit den zahlreichen humanbasierten, tierversuchsfreien Methoden tatsächlich anwendbare Erkenntnisse für menschliche Patienten gewinnen könnte.-

15. August 2023
Dr. Melanie Seiler

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