Wladimir Putin: Das geheime königliche Leben seiner Alina Kabajewa

Um nichts macht Wladimir Putin ein größeres Geheimnis als um sein Privatleben. Seine Auserwählte Alina Kabajewa versteckt er vor der ganzen Welt. Doch die Spur des Geldes führt direkt hinter die Mauern ihres königlichen Lebens.

114.000 Euro Jahresgehalt, drei Autos, ein Pkw-Anhänger und eine 77 Quadratmeter große Wohnung: Das ist alles, was Wladimir Putin in seiner offiziellen Steuererklärung 2021 an Einkommen und Besitz angegeben hat. Auf dem Papier ist Russland also mit einem bescheidenen Herrscher gesegnet worden. Doch die Realität sieht in Putins Reich wie so oft anders aus. Zahlreiche investigative Untersuchungen haben bereits aufgezeigt, wie Putin über ein verzweigtes Netzwerk von Offshore-Firmen und treuen Strohmännern überdimensionale Paläste erbauen lässt, extravagante Jachten in Auftrag gibt und seine Familie mit königlichen Geschenken beglückt. 

Die Dimensionen des Reichtums, den Putin in seiner 23-jährigen Herrschaft angehäuft hat, lassen sich nur erahnen. Sein Vermögen und sein Privatleben sind die am strengsten gehüteten Geheimnisse Russlands. Eine neue Recherche bringt nun etwas Licht in dieses Dunkel. Das investigative Medium “Projekt” hat das Konstrukt einer weiteren Firma aufgedeckt, die als persönliche “Geldbörse” des russischen Staatsoberhaupts dient: ein Unternehmen mit dem Namen Ermira Consultants mit Sitz auf Zypern.

Die Informationen einer Quelle, die mit dem Konstrukt der Offshore-Firma vertraut ist, löste die Recherche aus. Kurz nach dem Beginn des Krieges in der Ukraine meldete sich der Mann bei den russischen Journalisten, die aus dem Ausland operieren müssen. Er wollte auspacken. “Sie haben jegliche Grenzen verloren. Sie müssen gestoppt werden”, sagte der Informant über die russische Führung. Der Krieg wurde zum Stein, der die Lawine ins Rollen brachte. 

Zentrum des Finanzimperiums Putins 

Die Überprüfung des Informanten habe gezeigt, dass er viele Jahre für eine der Firmen gearbeitet hat, welche die persönliche “Geldbörse” Putins verwalten. “Die von ihm dargelegten Fakten, die vorgelegten Dokumente und der Status dieses Menschen haben gezeigt, dass er das System des finanziellen Imperiums Putins genauestens kennt”, sagt nun Roman Bodanin, der Gründer und Leiter von “Projekt”. 

Im Zentrum dieses Systems steht demnach die Firma Ermira. “Der echte Besitzer von Ermira ist Präsident Putin”, berichtete der Informant bei einem geheimen Treffen mit den Journalisten. Aus Sorge um seine Sicherheit wird seine Identität nicht aufgedeckt. “Von Ermira bezahlen” – dieser Ausdruck bedeute nichts anders, als das Geld Putins für einen weiteren Deal zu seinem persönlichen Nutzen auszugeben. 

Als nomineller Besitzer von Ermira tritt jedoch ein gewisser Wladislaw Kopylow auf. “Kopylow ist ein Niemand”, sagte der Mann, der in der Vergangenheit das Geschäftsimperium eines der engsten Freunde Putins verwaltet hat. Zu dem geheimen Finanznetzwerk gehörte auch die zypriotische Firma Ermira. 

Millionen dank Wodka 

Kopylow ist ein Jurist aus Sankt Petersburg, der Heimatstadt Putins. Er selbst sei keine wichtige Figur, ein Platzhalter. Entscheidender seien die Männer, mit denen er zusammenarbeite, so der Chef der investigativen Ermittler Bodanin. Durch verschiedene Firmen sei er mit solchen Personen wie Juri Kowaltschuk, Arkadij Rotenberg oder Andrei Fursenko verbandelt – Putins engsten Vertrauten. 

Sie alle zahlen auf verschiedensten Wegen in die Kasse Putins ein: mittels Ermira. Zu dem Firmenkonstrukt gehört etwa die hundertprozentige Tochtergesellschaft Real Invest Company. Das Unternehmen besitzt die Rechte an der Wodka-Marke Putinka. “Alle, die diesen Wodka produzieren oder damit handeln wollen, müssen Real Invest bezahlen”, erklärt Bodanin das Prinzip. Auch wenn Putin einst beteuert hat, dass er den Namen Putinka nicht befürwortet, hat sich daran seit 2002 nichts geändert.

Wodka-Flaschen der Marke Putinka. Seit 2002 ist sie auf dem Markt und Wladimir Putin verdient an dem Verkauf einer jeden Flasche. 

Wodka-Flaschen der Marke Putinka. Seit 2002 ist sie auf dem Markt und Wladimir Putin verdient an dem Verkauf einer jeden Flasche. 

© ZUMA Wire / Imago Images

Nach nur drei Jahren wurde Putinka mit 40 Millionen verkauften Litern pro Jahr Marktführer in Russland. Immer wieder sollen die Markenrechte und die Firma verkauft worden sein. Sie blieben aber stets in den Händen von Putins engsten Vertrauten. Auch der wichtigste Hersteller und der größte Vertreiber von Putinka gehören Männern aus dem Kreis von Rotenberg – dem Mann, der als Putins Portemonnaie gilt.

Und sie entrichteten an Putin immense Gelder. Zwischen 2004 und 2019 sollen es 400 bis 500 Millionen US‑Dollar gewesen sein. Der Informant berichtet von “Säcken voller Bargeld”. 

Propaganda füllt Wladimir Putins Börse 

Auch die großen russischen Medienhäuser dienen Putin nicht nur dazu, die Köpfe der Russen zu beherrschen, sondern auch seine Taschen zu füllen. Durch Ermira besitzt er einen Anteil an der National Media Group (NMG). Die Holding ist die größte Mediengesellschaft Russlands. Zu dem Imperium gehört auch der größte Sender Perwyj Kanal, einer der zentralsten Kanäle für die Propaganda des Kremls. Oder auch die Zeitung “Izewestija”, die der Regierung als Verlautbarungsorgan dient. Wie viele Anteile genau Ermira an der NMG hält, ist unbekannt. Die Daten werden nicht offengelegt. Bezeichnenderweise ist aber keine andere als Alina Kabajewa seit 2014 die Vorstandsvorsitzende des Medienkonzerns. 

Ein Geheimnis namens Alina Kabajewa 

Wer Alina Kabajewa ist, weiß in Russland jeder. Seit Jahren gilt die ehemalige Gymnastin als Russlands First Lady. 2008 berichtete die Moskauer Zeitung “Moskowski Korrespondent” erstmals über die Verbindung. Zwei Tage später wurde die Zeitung dichtgemacht. Aus den Berichten der Staatsmedien verschwand der Name von Kabajewa. Eine Anweisung “von oben”, bestätigten damals die Redaktionen. Seitdem ist die Verbindung ein Geheimnis, das allen bekannt ist, aber über das niemand spricht. (Mehr dazu lesen Sie hier.) 

Seit 23 Jahren regiert Putin Russland. Über sein Privatleben wissen die Russen aber so gut wie nichts: weder über den Status von Kabajewa noch über die Anzahl der gemeinsamen Kinder. Auch das US-Justizministerium, das gegen die ehemalige Leistungssportlerin Sanktionen verhängte – wegen ihrer Verbindung zu Putin, kennt offiziell keine weiteren Details. Seit der Scheidung von seiner Frau Ljudmila will Putin die Legende erschaffen, er sei mit Russland verheiratet. Doch inzwischen ist allen bewusst, dass Kabajewa seine Auserwählte ist.

Dass die 39-Jährige im Leben des Kreml-Chefs einen besonderen Stellenwert genießt, belegen die Besitztümer, die sie ihr Eigen nennen darf. In der Vergangenheit wurden bereits mehrere Immobilien identifiziert, die für die Olympia-Medaillistin erworben worden sind. Darunter auch eine Villa am Genfersee in der Schweiz. (Einzelheiten dazu erfahren Sie hier.) 

Den Journalisten von “Projekt” ist es nun gelungen, eine ganze Reihe weiterer Residenzen zu finden, die Putin für seine Kabajewa finanzieren ließ – über Ermira.  

Geschenke für eine Zarin

Die Dokumente, die der Informant den Journalisten zur Verfügung stellte, führten sie nach Sotschi. Die Stadt am Schwarzen Meer und ihre Umgebung gehören zu Putins Lieblingsorten. In den russischen Subtropen verbringt er einen Großteil des Jahres. Hier ist seine offizielle Residenz. Hier steht auch sein geheimer Palast, der allerdings dank Alexej Nawalny und Leaks aus dem Kreise Putins, gar nicht mehr geheim ist. Hier hat auch Kabajewa einen herrschaftlichen Sitz bekommen – einer Zarin würdig.

Im Sommer 2011 registrieren die russischen Behörden auf dem Wohnungsmarkt in Sotschi bemerkenswerte Transaktionen. In den neu erbauten Häusern am Kurortny Prospekt, im vornehmsten Teil der Stadt, fanden vier riesige Wohnungen einen neuen Besitzer. Darunter auch der sogenannte Diamant dieses Immobilienkomplexes: Ein Penthouse in der Wohnanlage “Korolewskiy Park”, was nichts anderes heißt als “Königlicher Park”. Der Diamant ist eine zweigeschossige Wohnung von 2600 Quadratmetern mit einem Swimmingpool, einem Kino, einer Terrasse und einem privaten Hubschrauberlandeplatz auf dem Dach. Damit ist das Objekt, den Informationen der größten russischen Immobilien-Datenbank “Cian” zufolge, die größte Wohnung Russlands. 

Die königliche Größenordnung des Immobilie sowie der königliche Name der Wohnanlage scheinen auf die besondere Stellung jener Person hinzuweisen, die in diesem Luxus leben sollte: Alina Kabajewa.

Januar 2008: Alina Kabajewa und der von Putin geliebte Sänger Iossif Kobson betrachten während einer Sitzung der Duma Souvenirs. 2007 wurde Kabajewa Abgeordnete der Regierungspartei "Einiges Russland". 

Januar 2008: Alina Kabajewa und der von Putin geliebte Sänger Iossif Kobson betrachten während einer Sitzung der Duma Souvenirs. 2007 wurde Kabajewa Abgeordnete der Regierungspartei “Einiges Russland”. 

© MISHA JAPARIDZE / Picture Alliance

Alina Kabajewa kam persönlich 

“Die ‘Gymnastin’ kam persönlich und gab an, welche Wohnungen sie brauchte und bei wem sie angemeldet werden sollten”, verriet die Quelle von “Projekt”. Das Codewort “Gymnastin” benutzt der Mann, der mehrere Jahre lang direkt an der Verwaltung der “Geldbörse” Putins beteiligt war, für Kabajewa. 

Das Schema war nach seinen Angaben wie folgt arrangiert: Personen, die für Putin wichtig waren, trafen sich persönlich mit seinen Getreuen Arkadi Rotenberg, Juri Kowaltschuk und ihren Untergebenen und nannten ihre Wünsche, die mit dem Geld aus den Kassen von Ermira erfüllt wurde. So lief es offensichtlich auch im Fall von Kabajewa ab. Nach den Wünschen der “Gymnastin” wurden die vier Wohnungen in Sotschi erworben. Drei von ihnen wurden auf die Großmutter Kabajewas registriert. Das geht aus offiziellen Dokumenten der russischen Behörden hervor, die bis zum 1. März öffentlich einsehbar waren.

Das vierte Objekt jedoch, der Diamant, wurde auf einen gewissen Oleg Rudnow registriert – ein altbekannter Strohmann Putins. Der inzwischen verstorbene Medienmanager lernte den zukünftigen Präsidenten 1996 kennen, während des Wahlkampfs von Anatoli Sobtschak, dessen Wahlkampfzentrale von Putin geleitet wurde. Nach dem Tod von Oleg Rudnow übernahm sein Sohn Sergej seinen Platz. Er ist aktuell der nominelle Besitzer der “größten Wohnung Russlands”.

Einblick in das Reich von Kabajewa

Dank eines glücklichen Zufalls kann die ganze Welt nun Einblick in die herrschaftliche Residenz von Kabajewa nehmen. 2021 wurde das Penthouse kurzzeitig zum Verkauf angeboten. Das beauftragte Immobilienbüro veröffentlichte im Internet eine Anzeige mit einer 3D-Visualisierung des Innenraums der Herberge. (Auf der Website von “Projekt” finden Sie mehr Aufnahmen.)

Die zwei Bilder oben zeigen die Dachterrasse des Penthouses. Links unten ist die Eingangshalle zu sehen. Und rechts unten eins der Speisezimmer.

Die zwei Bilder oben zeigen die Dachterrasse des Penthouses. Links unten ist die Eingangshalle zu sehen. Und rechts unten eins der Speisezimmer.

© Screenshot Projekt

Außerdem kann man bis heute im Internet eine Werbebroschüre finden, mit der Roman Timochin, der Generaldirektor der Baufirma, einst das Luxusobjekt beworben hatte. Demnach sollte das Penthouse 15 Millionen US-Dollar kosten. Das Innendesign übernahm Valentin Yudaschkin, einer der bekanntesten russischen Mode-Designer.

So wird das Objekt in der Anzeige beschrieben: “Eine 20-Zimmer-Wohnung mit einer kreisförmigen Enfilade von Wohnzimmern, einem Kaminzimmer, einem eigenen Kino und einem Billardzimmer, einer privaten Galerie für Kunstsammlungen, einer Bar, einem Spa-Bereich mit einer Sauna und einem Hamam, mehrere Erholungsbereiche im Freien mit den Pavillons Arcade und Dastarkhan, einer Entspannungsterrasse im japanischen Stil, einem Grillpavillon im marokkanischen Stil, einem Außensolarium und einem Whirlpool sowie einer Bar mit Wasserfallwänden und einem Mosaikboden plus Mini-Tanzfläche.” Im 18. Stock des Hauses befinden sich zudem zwei Wohnungen für das Personal. 

Das Penthouse soll jemandem, der “zweimal im Jahr in die Residenz nach Sotschi kommt – im Sommer und im Winter – den maximalen Komfort bieten”, beschrieb der Designer Yudaschkin seine Idee für die Innenausstattung. “Für den Sommerurlaub bietet es helle, offene Räume, hauptsächlich in orientalischen Stilen. Und im Winter ein Kaminzimmer und Innenräume, die eher einen männlichen Charakter haben und ein Gefühl von Wärme vermitteln”. Dem Eigentümer versprach er den Komfort “eines Sieben-Sterne-Hotels”. 

90 Millionen in bar 

Laut den Dokumenten, die den Journalisten von “Projekt” zur Verfügung stehen, wurde der Kauf des Penthouse für Kabajewa vom persönlichen Konto von Oleg Rudnow bezahlt. 90 Millionen Rubel blätterte er dafür hin – nur ein Fünftel dessen, was der Erbauer dafür haben wollte. Der Betrag wurde den Dokumenten zufolge mit Hilfe der Manager von Ermira in bar auf das Konto von Rudnow eingezahlt und von dort an den Erbauer überwiesen.

Um die Informationen zu überprüfen, reiste ein Mitarbeiter von “Projekt” nach Sotschi. Unter dem Deckmantel der Assistent eines potenziellen Käufers zu sein, besichtigte er Wohnungen in dem Immobilienkomplex “Königlicher Park”. Zwei Immobilienmakler gaben unabhängig voneinander an, gehört zu haben, dass das Penthouse “im Besitz von Kabajewa” sei. 

In der Abgeschiedenheit von Waldai 

Anwohner berichteten jedoch, dass sie zumindest in den letzten Jahren Kabajewa in dem Haus in Sotschi nicht gesehen haben. Stattdessen zog die heimliche First Lady Russlands offenbar einen abgelegeneren Ort für ihr Leben mit Putin vor: Waldai. 

Die Gegend in der Region Nowgorod liegt auf halber Strecke zwischen Sankt Petersburg und Moskau. “Aus irgendeinem Grund liebt Putin den russischen Norden”, sagte ein hochrangiger Beamter vor einigen Jahren den Journalisten von “Projekt”. Die Abgeschiedenheit seiner Waldai-Residenz könnte einer der Gründe für diese Liebe sein. Hier ließ der Kreml-Herr ebenfalls ein Anwesen für seine Auserwählte errichten – inmitten der russischen Wälder. Eine private Eisenbahnlinie führt dorthin. Nur ein privater Zug darf sie befahren. Aber das ist eine andere Geschichte.  

Die vollständige Recherche von “Projekt” können Sie unter diesem Link auf Youtube mit englischen Untertiteln ansehen. 

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