Stand: 22.10.2023 08:26 Uhr
Das Rekordhochwasser an der Ostsee verursachte in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern Millionenschäden. Vor den Einsatzkräften liegt viel Arbeit. Entlang der Küste sind Hunderte Einsatzkräfte mit Aufräumarbeiten beschäftigt.
Wiederaufbau und Reparaturen werden angesichts der gigantischen Schäden wohl wochenlang dauern. Mit dem Abflauen des Oststurms sind die Wasserstände inzwischen deutlich gesunken. Die Feuerwehren in Schleswig-Holstein zählten weit mehr als 1.000 Einsätze wegen des Unwetters. Auch in Mecklenburg-Vorpommern hatte die Flut Uferzonen und Straßen überschwemmt. Bäume stürzten um, Deiche brachen, Dutzende Sportboote sanken oder wurden an Land gespült, Dünen und andere Küstenbefestigungen wurden weggerissen, Keller liefen voll.
Deichbruch in Wieck am Darß – Gefahr gebannt
Auch in Wieck am Darß entspannt sich inzwischen die Lage. Dort war am Samstagnachmittag ein Hinterlanddeich an zwei Stellen gebrochen. Bis zum Morgen strömte aus einem der beiden Löcher Wasser aus dem Bodden auf die umliegenden Felder. Laut Kay Mittelbach, Kreiswehrführer in Vorpommern-Rügen, entspannt sich die Lage aber langsam: “Es läuft nur noch eine geringe Menge Wasser nach”, sagte er NDR 1 Radio MV. Auf den Feldern sei ebenfalls erkennbar, dass die Pegelstände nun sinken. “Wir werden nachher versuchen, den leichten Strom zu schließen – und dann, glaube ich, ist die größte Gefahr hier in Wieck gebannt”, so Mittelbach weiter.
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75 Häuser in Wieck waren am Sonnabend mit Sandsäcken geschützt worden. Etwa 3.500 Sandsäcke mit rund 40 Tonnen Sand liegen noch gepackt auf dem Platz hinter der Kurverwaltung. Mit ihnen könnten im Laufe des Tages die Löcher im Deich gestopft werden. Über das weitere Vorgehen berät ein Krisenstab.
Auch auf der gegenüberliegenden Boddenseite bedrohte das Hochwasser zwei Dörfer. In Michaelsdorf und Neuendorf-Heide wurden die etwa 100 Einwohner mit Sandsäcken versorgt. Laut Einsatzleiter ist die Lage nicht gefährlich, aber unter Beobachtung.
Autofahrerin auf Fehmarn von Baum erschlagen
Ein Sturmtief aus Osten hatte das Wasser von der Ostsee am Freitag und in der Nacht zum Sonnabend teils mit Orkanböen gegen Strände und Steilküsten gedrückt und für außergewöhnlich hohe Wasserstände gesorgt. Auf Fehmarn in Schleswig-Holstein war eine 33 Jahre alte Frau ums Leben gekommen. Das Auto der Einheimischen wurde nach Polizeiangaben von einem umstürzenden Baum getroffen.
2,27 Meter – Wasserstand in Flensburg erreicht Jahrhundertmarke
Nach dem Jahrhundertpegelstand in Flensburg zog sich das Wasser im Hafen bis Samstagnachmittag nach Angaben der Stadt wieder unter die Kaikante zurück. Der Leiter des Führungsstabs, Carsten Herzog, sagte: “Wir freuen uns sehr, dass sich die Lage in Flensburg so schnell entspannt.”
Der Pegelstand in der Stadt an der Förde war in der Hochwassernacht auf 2,27 Meter über dem mittleren Wasserstand geklettert, wie eine Sprecherin des Bundesamts für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) in Rostock sagte. “Zuletzt gab es dort ein solches Hochwasser im Jahr 1904”, sagte Ines Perlet-Markus vom BSH. Damals wurden 2,23 Meter gemessen.
2,15 Meter Pegelstand in Eckernförde
In Eckernförde überschritt der Pegelstand laut den Hochwasser-Sturmflut-Informationen des Kieler Umweltministeriums mit 2,15 Metern ebenfalls deutlich die Zweimetermarke. Der Kreis Rendsburg-Eckernförde hob am Samstagmittag den tags zuvor ausgerufenen Katastrophenalarm wieder auf.
Evakuierungen: 2.000 Menschen in Schleswig-Holstein betroffen
In Schleswig-Holstein wurden seit Freitag mehrere Küstenbereiche evakuiert. Das Innenministerium in Kiel schätzte die Zahl der betroffenen Menschen in Orten wie Eckernförde, Schleswig und Brodersby auf 2.000, darunter auch Urlauber. Allein in Maasholm an der Schleimündung waren es wegen eines Deichbruchs allein 400 Menschen, die ihre Häuser verlassen mussten. Dort gab es erst am Samstagvormittag Entwarnung. Auch in der Schleistadt Arnis sowie südlich des Olpenitzer Hafens waren Deiche gebrochen.
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Weit mehr als 1.000 Sturm-Einsätze der Feuerwehren
Die Leitstelle Nord der Feuerwehr, zuständig für die Regionen Nordfriesland, Flensburg und Schleswig-Flensburg, verzeichnete mit insgesamt 813 wetterbedingten Einsätzen die höchste Anzahl an Notrufen. Die Leitstelle Mitte, die die Bereiche Kiel, Rendsburg-Eckernförde und Plön abdeckt, meldete insgesamt 572 wetterbedingte Einsätze. In der Leitstelle Süd wurden über 350 wetterbedingte Einsätze gezählt, in der Leitstelle West 120 entsprechende Notrufe.
Schäden in dreistelliger Millionenhöhe wohl alleine in SH
Vielerorts an der Ostseeküste haben Einsatzkräfte inzwischen damit begonnen, Wasser aus Kellern und Straßensenken zu pumpen, Mauern und Gebäude zu sichern und Sturmschäden zu beseitigen. Die Aufräumarbeiten werden einige Zeit dauern. Der Leiter des Stabes Katastrophenschutz im schleswig-holsteinischen Innenministerium rechnet mit einem Hochwasserschaden in dreistelliger Millionenhöhe.
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Günther dankt Einsatzkräften und verspricht Hilfe
Ministerpräsident Daniel Günther dankte den mehr als 2.000 Einsatzkräften, die seit Freitag gegen die schwere Ostsee-Sturmflut gekämpft haben. “Wir sind wirklich allen extrem dankbar, die in diesen Stunden geholfen haben”, sagte der CDU-Politiker. “Schleswig-Holstein hat zusammengestanden angesichts dieser schrecklichen Flutkatastrophe.”
Man könne noch nicht abschätzen, wie hoch die Schäden sein werden, sagte Günter. “Klar ist aber, dass wir natürlich helfen werden.” Günther erinnerte daran, dass Küstenschutz eine Gemeinschaftsaufgabe von Bund und Land sei. Im Schleswig-Holstein Magazin bekräftigte Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU), dass das Land “schnell und unbürokratisch” helfen wolle. Zunächst müssten aber die Schäden aufgenommen und eingeordnet werden.
SSW-Abgeordneter kritisiert Politik
Der SSW-Bundestagsabgeordnete Stefan Seidler reagierte mit Kritik an der Politik auf die Folgen der Sturmflut. Dieser Sturm müsse wachrütteln. “Das Wasser kann völlig ungehindert in unsere Städte und Ortschaften fließen”, so Seidler. “Die Menschen waren auf sich selbst gestellt. Das kann nicht sein.”
Mecklenburg-Vorpommern: Strandabschnitte weggespült
In Mecklenburg-Vorpommern erreichte die Sturmflut an vielen Orten am Freitag gegen 22 Uhr ihren Höhepunkt. In Wismar überschwemmte das Hochwasser Straßenzüge und Parkplätze. Auch in Warnemünde stieg das Wasser deutlich. In Binz auf Rügen kippte eine vom Sturm entwurzelte Birke auf ein Auto. In Sassnitz spülte das Wasser Bodenplatten der Strandpromenade weg. In Ahrenshoop auf dem Darß riss die Sturmflut große Teile des Sandstrandes weg, ebenso in Breege auf Rügen. Wenige Kilometer weiter in Wieck brach der Deich am Sonnabendnachmittag an gleich zwei Stellen.
Dennoch bilanzierte der für Küstenschutz zuständige Minister Till Backhaus (SPD) am Sonnabend: “Im Vergleich zu Schleswig-Holstein und Süd-Dänemark hat Mecklenburg-Vorpommern aufgrund der Windrichtung Glück gehabt.” Küstenschutzanlagen und Dünen hätten Gebiete geschützt, die sonst möglicherweise überflutet worden wären.
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Bahnverkehr in SH weitgehend nach Fahrplan
Wieder normalisiert hat sich auch der Regionalverkehr der Bahn. Nach Angaben der Deutschen Bahn wurden die Störungen auf den meisten Strecken des Fern- und Nahverkehrs behoben. Bis zum Mittag war es laut der Deutschen Bahn noch vereinzelt zu Verspätungen gekommen. Der Fährverkehr zwischen Deutschland und Dänemark lief am Sonnabend wieder an. Wie die Reederei Scandlines mitteilte, fuhren auf der Strecke Puttgarden-Rødby seit dem frühen Morgen wieder Schiffe. Der Fährbetrieb auf der Linie Rostock-Gedser läuft ebenfalls wieder.
Ostfriesische Inseln: Weiterhin keine Wangerooge-Fähren
Der Fährverkehr zu den Inseln vor der niedersächsischen Nordseeküste läuft mittlerweile wieder überwiegend fahrplanmäßig, wie die Fährgesellschaften auf ihren Internetseiten mitteilten. Ausnahme ist Wangerooge – dort soll der Ausflugsverkehr bis Montag ruhen. Inselflieger brachten am Sonnabend mit ihren kleinen Maschinen rund 900 Urlauber von und zur Insel. Der Ostwind hatte auf der Nordsee für deutlich niedrigere Wasserstände gesorgt, denn er blies das Wasser von den Küsten weg in die Deutsche Bucht.
Das Niedrigwasser behinderte am Freitagabend die Fahrt einer Fähre von Langeoog nach Bensersiel. Das Schiff mit 60 Passagieren an Bord stoppte wegen des niedrigen Wasserstandes zwei Kilometer vor dem Ziel. Erst mit der nächsten Flut um kurz vor Mitternacht lief die Fähre in Bensersiel ein.
Fahrplan zu Inseln und Halligen beeinträchtigt
Auch an der schleswig-holsteinischen Nordseeküste lagen die Wasserstände am Sonnabend noch deutlich unter den Normalwerten. Bei der Neuen Pellwormer Dampfschiffahrts GmbH fielen deshalb bis zum Samstagnachmittag Fähren aus. Die Wyker Dampfschiffs-Reederei kündigte am Morgen an, es könne auf der Föhr-Amrum-Linie und auf der Hallig-Linie zu Änderungen des Fahrplans kommen.
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