Urlaub mit dem Flugzeug: Fliegen ohne Gepäck – Japan Airline hat verführerische Idee – Reise

Der Traum vom Reisen ist: einfach aufzubrechen. Aus einer Laune heraus, einem Gefühl großer Freiheit. Weil einem plötzlich der Sinn nach dem berückenden Licht der Côte d’Azur steht oder nach den welthaltigen Museen New Yorks. So muss es sein. So müsste es jedenfalls sein.

Die Wirklichkeit sieht in der Regel jedoch anders aus: Am Beginn steht die quälende Frage, wohin es überhaupt gehen soll. Dann die erschöpfende Recherche und schließlich Buchung von Flug oder Zug, Hotel oder Campingplatz. Besser vielleicht auch eine Reiserücktrittsversicherung abschließen. Dann: Wer füttert die Katze, wer gießt die Geranien? Keinesfalls vergessen: einen neuen Bikini kaufen, die Reiseapotheke ertüchtigen. Endlich die Koffer packen, fluchen, die Hälfte wieder ausräumen. Erst dann endlich lassen die Koffer sich schließen. Raus aus der Tür. Nochmal zurück, das Ladekabel fürs Zweit-Tablet lag noch auf der Kommode. Jetzt endgültig los. Der Herd ist doch aus, oder?

Reisende neigen dazu, viel zu viel Ballast mitzunehmen, seelischen sowieso, aber auch ganz manifesten: Als da wären Pullover, die sie dann doch nicht anziehen, weil die Temperaturen absehbar nie unter 30 Grad sinken. Dazu Medikamente gegen Krankheiten, von denen sie noch nie befallen worden sind. Bücher, die sie natürlich nicht lesen, und Nahrungs-Notrationen, auf die sie niemals Appetit bekommen werden.

Andererseits kann man der Welt und vor allem den Mitmenschen in den seltensten Fällen nackt gegenübertreten. Und auch der Backpacker-Minimalismus mit einem einzigen Wechsel-Shirt eignet sich nicht für jede Art von Reise. Insofern: Ein bisschen etwas muss man schon dabei haben.

Muss man das wirklich? Die in dieser Hinsicht, man darf das wohl so sagen, hemdsärmelige Fluglinie Japan Airlines hat ein Experiment gestartet, das den Passagieren eine Reise wenn schon nicht komplett ohne, so doch mit leichtem Gepäck ermöglichen will. Das meiste, was in all die Koffer gestopft wird, ist schließlich Bekleidung. Aber ist es nicht ein grandioser Unfug, Monat für Monat Zehntausende Hosen, Röcke, Blusen, Jacken, Schuhe um die halbe Welt zu fliegen? Und sie ein oder zwei Wochen später wieder zurückzufliegen? Als ob es das in Japan nicht auch alles gäbe: Hosen, Röcke, Blusen, Jacken, Schuhe … dazu noch Kimonos, landestypische Schuluniformen und Tabis, das sind Socken mit abgeteiltem großen Zeh.

Japan Airlines also bietet den Passagieren an, dass sie bei der Buchung eines Fluges in einem Aufwasch auch gleich noch Kleidung mieten können. Die hängt dann bei Ankunft bereits knitterfrei im Hotelzimmer. Für die Fluglinie ist das ein schnödes finanzielles Kalkül: weniger Aufwand bei der Abfertigung, weniger Last in der Luft. Für die Reisenden aber kommt zum Pragmatismus – kein Packstress, keine Wartezeit am Gepäckband – noch der ideelle Vorteil. Kleider machen schließlich Leute. Im Spannungsfeld zwischen Hochstapelei und Karneval tun sich insofern für vergleichsweise kleines Geld geradezu gigantische Möglichkeiten auf.

Der Autor würde in Hotelzimmern lieber noch als Leih-Socken eine Leih-Bibliothek vorfinden.

(Foto: Bernd Schifferdecker (Illustration))

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