Unwetter und Waldbrände: Sind die Zeiten des Sommerurlaubs vorbei?

Für viele Menschen ist der Sommerurlaub in diesem Jahr alles andere als erholsam. Schuld sind Waldbrände und Unwetter, vor allem am Mittelmeer. Können wir überhaupt noch unbeschwert reisen? 

Entspannt am Pool liegen, einen Cocktail schlürfen und vielleicht das Buch lesen, das man schon so lange lesen wollte. Wir alle haben eine ungefähre Vorstellung davon, wie unser Sommerurlaub aussehen sollte. Die letzten Wochen haben uns allerdings schmerzlich vor Augen geführt, dass die Realität manchmal anders aussieht: Waldbrände in zahlreichen Urlaubsländern, schwere Unwetter in Italien und eine Hitzewelle am Mittelmeer, die selbst hitzeerprobte Sommerurlauber in den Schatten treibt.

Den Sommerurlaub, den sich viele Menschen nach der Coronavirus-Pandemie sehnlichst gewünscht haben, gibt es in diesem Jahr an vielen Orten der Welt nicht. Stattdessen müssen wir beobachten, dass die Klimakrise sich ihren Weg mehr und mehr in unseren Alltag bahnt – nicht einmal vor unserem wohlverdienten Urlaub scheint sie Halt zu machen. Sind die Zeiten des unbeschwerten Sommertrips damit vorbei?

Mittelmeer als “Hotspot des Klimawandels”

Eine einfache, allgemein gültige Antwort auf diese Frage gibt es nicht, denn sie hängt von vielen Faktoren ab. Feststeht, dass sich die Rahmenbedingungen für unseren Sommerurlaub verändern. Das, was wir aktuell am Mittelmeer und in vielen weiteren Teilen der Welt beobachten, ist ein Trend, der sich in den nächsten Jahren fortsetzen wird. Zu diesem Ergebnis kam schon der jüngste Bericht des Weltklimarats.

Darin wird das Mittelmeer als “Hotspot des Klimawandels” bezeichnet. Demnach wird die Temperatur dort vor allem an der Küste in den kommenden 50 Jahren stärker ansteigen, als in anderen Regionen, was zu immer mehr Extremwetterereignissen führen wird. Unwetter, Hitzewellen und Waldbrände werden von einer Ausnahme also mehr und mehr zum Regelfall, vor allem in den Sommermonaten – unserer Hauptreisezeit. Gerade dann, wenn wir uns nach Sommer, Sonne und Strand sehnen, wird es also extra ungemütlich am Mittelmeer.

Eine schmerzliche Erkenntnis, denn seit Jahrzehnten gilt das Mittelmeer als absoluter Spitzenreiter, wenn es um die beliebteste Urlaubsregion von Deutschen geht. Italien, Spanien und Griechenland landen Jahr für Jahr auf dem Siegertreppchen von entsprechenden Rankings und verzeichnen horrende Besucherzahlen. Sollte sich die Vorhersage des Weltklimaberichts bestätigen, könnte sich das allerdings ändern, jedenfalls in ferner Zukunft.

Viele Experten erwarten zudem eine Verschiebung der Reiseziele im Sommer. Demnach erwarten die Experten eine Verlagerung der Touristenströme gen Norden. Statt Mallorca oder Sizilien stünden dann etwa die Lofoten oder Schottland auf der Bucket-List für den Sommerurlaub. Und eine Tendenz in diese Richtung ist tatsächlich bereits erkennbar, wie eine aktuelle Analyse der European Travel Comission zeigt.

Demnach ist die Zahl der Touristen, die im Hochsommer ans Mittelmeer reisen im Vergleich zum Vorjahr um 10 Prozent gesunken, während Reiseziele wie Tschechien, Irland und Dänemark einen Zuwachs verzeichnen. “Statt Sonne, Strand und Meer wird es dann vielleicht ein Badesee in einem Mittelgebirge”, sagt Tourismusforscher Prof. Dr. Harald Zeiss im Gespräch mit der “Welt” dazu.

Wer unbedingt ans Mittelmeer wolle, der sollte sich langfristig mit der Nebensaison anfreunden – also vielleicht im Frühling oder Herbst den Strandurlaub einplanen. In jedem Fall ist er sich sicher: “Die steigenden Temperaturen werden den Tourismus und die Reisegewohnheiten mittelfristig beeinflussen.”

Die Sehnsucht nach einem unbeschwerten Urlaub

Das haben wir allerdings auch von der Coronavirus-Pandemie gedacht. Und doch ist unser Reiseverhalten beinahe wieder auf dem Vor-Corona-Niveau angekommen. Laut Tourismusforscher Jürgen Schmude von der Ludwig-Maximilian-Universität München sollten wir deshalb keine voreiligen Schlüsse aus den aktuellen Ereignissen bezüglich unseres Reiseverhaltens ziehen. Denn, wenn es um Urlaub geht, vergessen wir schnell, wie er im Gespräch mit dem stern erklärt: “Für die “schönsten Wochen” des Jahres sind wir bereit, vieles auszublenden: fundamentale Krisen und Herausforderungen wie die Flüchtlingskrise, den Ukraine-Krieg oder den Klimawandel.” Man handele dann ganz nach dem Motto: “Wir haben uns einen unbeschwerten Urlaub verdient, also machen wir einen unbeschwerten Urlaub.”

Selbst die Waldbrände und die enorme Hitze am Mittelmeer in diesem Jahr haben, so Schmude, nicht zwangsläufig den Effekt, dass wir die Urlaubsregion künftig meiden. Wer im Sommer gerne in den Süden reise, der werde das auch erstmal weiter so machen – solange es keine Warnung des Auswärtigen Amts gebe. Und wenn doch, dann wird meist ein Mittelmeer-Land gegen ein anderes getauscht. Also Spanien statt Griechenland oder umgekehrt.

“Langfristig ist das touristische Verhalten davon abhängig, ob die Ereignisse wiederholt auftreten und wie massiv die “Bilder” sind.” Wenn es im nächsten Sommer als nicht erneut zu erschreckenden Szenen wie die der Waldbrände auf Rhodos kommt, dann sei die Wahrscheinlichkeit hoch, dass wir weitermachen wie bisher. Allerdings ist es sehr wahrscheinlich, dass die Hitze den Ländern am Mittelmeer eben doch auch im nächsten Jahr zu schaffen machen wird.

Flexible Sommerferien gegen Massentourismus?

Tourismusforscher Zeiss plädiert deshalb auch an die Veranstalter und Destinationen, attraktive Angebote für die Nebensaison zu entwickeln, um die Touristenströme umzulenken. Das wäre nicht nur für die Urlauber angesichts der steigenden Temperaturen langfristig entspannter, sondern würde auch die Folgen des Massentourismus minimieren und die Umwelt entlasten. Nötig wären dafür aber andere Arbeitsstrukturen, da viele Urlaubsorte am Mittelmeer in der Nebensaison nur auf Notflamme fahren, viele Restaurants und Hotels geschlossen haben.

Und selbst, wenn das in großem Rahmen umgesetzt würde, bliebe ein weiteres Problem: die Sommerferien. Vor allem Familien mit schulpflichtigen Kindern sind mit ihrer Urlaubsplanung auf die Ferienzeit angewiesen, ein längerer Urlaub ist oft nur während der Sommerferien möglich. Der FDP-Politiker Nico Tippelt hat deshalb in einem Interview mit der “Bild“-Zeitung dafür geworben, die Ferienzeit flexibler zu gestalten. Mal abgesehen von der konkreten Umsetzbarkeit der Idee, könnte sie gleich zwei positive Effekte haben: die Entzerrung des Massentourismus und dadurch die Senkung der Preise.

Massentourismus ist nicht nur ein Problem für die Anwohner von Touristenhotspots und die Umwelt vor Ort, sondern auch für jeden Touristen, sollte es zu Extremwetterereignissen kommen. Hitze sammelt sich vor allem in Städten oder an Orten, an denen sich viele Menschen tummeln. Ergo sind steigende Temperaturen dort besser auszuhalten, wo man sich nicht mit hunderten anderen Badeurlaubern an einen Strand quetscht.  

Das Problem ist: Massentourismus ist schwierig aus der Welt zu schaffen. Wenn wir ehrlich sind, wollen wir doch alle ein Stück vom Kuchen namens Welt haben. Wir wollen alle diesen einen Strand sehen, die berühmte Treppe runterlaufen und in dem Restaurant essen, von dem alle so schwärmen. Das liegt in unserer Natur – und hilft dennoch weder uns noch irgendwem anders. Tourismusforscher Jürgen Schmude plädiert deshalb zum Umdenken: “Hier sind Anbieter wieder Nachfrager gleichermaßen gefordert.”

Sommerurlaub ohne unfreiwillige Hitze 

Es gehe im Wesentlichen darum, die Touristen in die Fläche zu verteilen. Die Coronavirus-Pandemie habe gezeigt, dass auch die unbekannteren Reiseziele attraktiv sein können. “Allerdings sind Anbieter und Nachfrager nach der Pandemie wieder in die alten Verhaltensmuster zurückgefallen”, sagt Schmude dem stern. Das Ergebnis: Massentourismus an beliebten Reisezielen. Aber er hat auch eine Lösung parat: “Als Urlauber kann ich mir Ziele abseits der “Lemming-Hochburgen“ suchen.”

Die Zukunft unseres unbeschwerten Sommerurlaubes hängt also von vielen Faktoren ab, die wir nicht alle selbst in der Hand haben. Niemand kann mit Sicherheit sagen, wie sich der Klimawandel konkret auf die Witterung am Mittelmeer auswirken wird. Wir wissen nur, das Klima wird sich langfristig verändern. Und damit auch die Bedingungen, unter denen wir reisen. Wenn es uns gelingt, unsere Reiseziele bewusster auszuwählen und die Nebensaison vielleicht mal zur Hauptsaison für das Mittelmeer zu machen, dann könnten wir der Hitze aber noch eine ganze Weile aus dem Weg gehen, wenn wir das möchten – jedenfalls im Urlaub.

Auf das Reisen verzichten, weil es an manchen Orten der Welt brennt, Menschen Kriege führen oder andere Krisen den Alltag bestimmen, das hält Reiseforscher Schmude für eine schlechte Idee. Für ihn steht fest: Reisen hat viele positive Aspekte. “Für den Reisenden bedeutet das Reisen in der Regel auch Erholung und neue Eindrücke. In den Zielgebieten generiert Tourismus Arbeitsplätze und kann sogar zum Erhalt von Natur und Landschaft beitragen.” Natürlich kommt es darauf an, dass sich Destinationen und Verkehrsmittel, Aufenthaltsdauer und das Verhalten vor Ort sowie die Reisefrequenz in einem gesunden Rahmen bewegen. Schmudes Fazit: “Es spricht nichts gegen das Reisen, aber wir müssen es mit “Hirn” tun.” 

Kleiner Tipp für jene, die in diesem Jahr noch in den Urlaub fahren wollen: Vor der Buchung lohnt der Blick auf die Weltkarte der US-Raumfahrtbehörde NASA. Sie gibt einen Überblick darüber, wo es derzeit global brennt. 

Quellen: Welt, Bild-Zeitung, Professor Jürgen Schmude, Universität München, IPCC-Bericht, European Travel Commission, Klima-Studie

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