Unwetter und Hochwasser mit Schäden auch in Baden-Württemberg – SWR Aktuell


Die Hochwasserlage in Baden-Württemberg hat sich zum Wochenende etwas entspannt. In Lörrach sind erneut viele Keller mit Wasser vollgelaufen. Auch andere Regionen waren von Starkregen betroffen.
















Video herunterladen
(6,5 MB | MP4)

Im Kreis Lörrach hat es am Freitagabend erneut heftige Gewitter mit Starkregen gegeben. Feuerwehr und Technisches Hilfswerk waren bis in die Nacht im Einsatz. In den meisten Fällen müssen vollgelaufene Keller leergepumpt werden. “Ich bin schockiert vom Ausmaß der Schäden”, sagte Lörrachs Oberbürgermeister Jörg Lutz und bot in besonderen Härtefällen die Unterstützung der Stadt an. Er dankte allen Einsatzkräften für ihren unermüdlichen Einsatz in den letzten 48 Stunden. Die zweite Nacht in Folge standen in Lörrach nach Starkregen Straßen und Keller unter Wasser – erst im Ortsteil Brombach, am Freitagabend traf es dann vor allem Tumringen, wo Wassermassen vom Himmel und auch einen Hang herabstürzten. Verletzt wurde niemand. Zu den 90 Einsätzen der Lörracher Feuerwehr kamen über 20 weitere in der Nachbarstadt Weil am Rhein.

Auch in einen Biomarkt in Lörrach-Tumringen war Wasser eingedrungen. Alleine im Stadtgebiet Lörrach habe es laut “Badischer Zeitung” etwa 90 Einsätze gegeben. Ebenso sei das Vordere Kandertal und Weil am Rhein betroffen gewesen, hieß es.

Öffentlicher Notstand in der Nacht auf Freitag

Bereits in der Nacht auf Freitag hatten schwere Regenfälle für Chaos in der Region gesorgt. Im Stadtgebiet Lörrach wurde laut Feuerwehr der öffentliche Notstand ausgerufen. Gegen zwei Uhr in der Nacht war eine konzentrierte Gewitterzelle über die Stadt gezogen, besonders getroffen wurde der Stadtteil Brombach. Die dortigen Bachläufe entwickelten sich zu einem reißenden Fluss, der zahlreiche Keller und den Ortskern überflutete. Seit dem Morgen bestehe jedoch keine Gefahr mehr für Menschen und Sachwerte, erklärte der Lörracher Kreisbrandmeister Christoph Glaisner und ergänzte: “Von Verhältnissen wie in Rheinland-Pfalz sind wir meilenweit entfernt.”

Laut Polizei waren zahlreiche Haupt- und Nebenstraßen gesperrt worden. Die Gemeinde Grenzach-Wyhlen war zeitweise nicht passierbar, die Gemeinde Inzlingen (beide Kreis Lörrach) war laut Kreisfeuerwehr komplett gesperrt. Die Straßen waren von Wasser und Geröll überflutet worden. In Lörrach-Brombach stand das Wasser in manchen Kellern bis zu 1,80 Meter hoch.

In Inzlingen gab es zwei Verletzte, die ins Kreiskrankenhaus eingeliefert wurden, so die Kreisfeuerwehr weiter. Ein 17-Jähriger ist in Inzlingen laut Feuerwehr von den Wassermassen in einen offenen Gully gesogen worden. Sein Vater und ein benachbarter Feuerwehrmann hätten den 17-Jährigen in der lebensgefährlichen Lage festhalten können, sagte Feuerwehrkommandant Thomas Muck. Weitere Einsatzkräfte hätten geholfen, den Jugendlichen zu retten. Er habe einen Schock erlitten, sei aber nach kurzem Aufenthalt aus dem Krankenhaus entlassen worden.

Lörracher Feuerwehrkommandant: “Wahnsinnige Energie in der Luft”

Feuerwehrkommandant Muck schilderte das Geschehen aus der Nacht zum Freitag: Gegen 2 Uhr sei er alarmiert worden. “Da war wahnsinnig Energie in der Luft.” Es habe gewittert. “Ich bin schon durch Wasserlachen gefahren, die einen halben Meter tief waren. Mülleimer wurden entgegengespült, Gullys hochgedrückt. Da wusste ich schon, was uns erwartet.” Im Laufe des Vormittags entspannte sich die Lage in den Regionen. Aus einer unterspülten Fußgängerunterführung in Inzlingen müssten noch rund 1,5 Meter Schlamm abtransportiert werden, sagte Muck. In Lörrach war die Feuerwehr da schon wieder dabei, die Fahrzeuge aufzurüsten.

Polizei bittet: Gebiete meiden und zu Hause bleiben

Die Polizei bat darum, die Gebiete zu meiden und wenn möglich zu Hause zu bleiben, um die Straßen zu entlasten. Weil der Berufsverkehr auf Nebenstraßen auswich, kamen die Rettungskräfte nicht mehr durch. Schwerpunkt der Einsätze war laut Kreisfeuerwehr nach wie vor Inzlingen, besonders betroffen waren weiter Lörrach, Rheinfelden (Kreis Lörrach) und Grenzach-Wyhlen. Insgesamt waren 170 Kräfte von Feuerwehr und Technischem Hilfswerk an 71 Stellen im Einsatz.
















Video herunterladen
(4 MB | MP4)

In Stühlingen (Kreis Waldshut) wurde ein Haus unterspült, die beiden Bewohner wurden evakuiert. Ein landwirtschaftliche Anbau ist laut Polizei mittlerweile eingestürzt. Im schlimmsten Fall würde das einsturzgefährdete Haus den Bach blockieren, der vergangene Nacht schon über das Ufer getreten war.















Auch im Raum Heilbronn musste die Feuerwehr nach Starkregen immer wieder ausrücken. Schwerpunkte waren Flein und Heilbronn. Nach einem kurzen, aber heftigen Gewitter am späten Donnerstagnachmittag wurde die Feuerwehr allein in Flein mehr als 40 Mal gerufen, so ein Sprecher.

Stark betroffen war auch der Heilbronner Süden. Dort wurde ein Autohaus mit Schlammwasser überflutet. Bei einem weiteren Autohaus drückte das Wasser aus der Kanalisation in das Gebäude zurück. Außerdem wurden Bäume entwurzelt, Äste fielen auf Autos und Wasser lief in Keller und Wohnungen.

Heilbronn

Im Raum Heilbronn hat die Feuerwehr nach dem Starkregen am Donnerstagabend immer wieder ausrücken müssen. Schwerpunkte waren Flein und Heilbronn.
 mehr…

In Wangen im Allgäu (Kreis Ravensburg) wurde am späten Donnerstagabend ein Wohngebiet überflutet. Wie das Polizeipräsidium Ravensburg mitteilte, wurden zunächst zwei Brückendurchflüsse des Epplingser Bachs durch Treibgut blockiert. Dadurch sei das Ufer übergetreten und habe das angrenzende Wohngebiet Epplingser Halde überschwemmt.

Nach Angaben der Einsatzkräfte stand das Wasser im Wohngebiet zum Teil kniehoch – zahlreiche Keller und Garagen liefen voll mit Wasser. In einem Blockheizkraftwerk stand das Wasser demnach bis zu 1,60 Meter hoch.



Hochwasser Wangen im Allgäu (Foto: dpa Bildfunk, dpa / Foto: Felix Kästle)

In der Nacht auf Freitag ist wegen Starkregens das Wohngebiet Epplingser Halde in Wangen im Allgäu überschwemmt worden. Mehrere Keller liefen voll.






dpa / Foto: Felix Kästle


Im Kreis Konstanz hat dagegen am Freitagmorgen ein Hangrutsch für einen großflächigen Stromausfall gesorgt. Die abrutschenden Erdmassen hätten ein Stromkabel mitgerissen, teilte das zuständige Energieversorgungsunternehmen EnBW auf SWR-Anfrage mit. Betroffen waren Teile der Gemeinden Bodman-Ludwigshafen, Allensbach und Reichenau sowie die Städte Radolfzell und Stockach. Nach etwa zweieinhalb Stunden seien die letzten Haushalte wieder mit Strom versorgt worden. Wie viele Haushalte betroffen waren, ist der EnBW derzeit nicht bekannt.

Ebenfalls in Stockach trat laut Feuerwehr ein Bach an vielen Stellen über die Ufer. Unter anderem sei der Parkplatz eines Supermarktes überschwemmt worden. Zahlreiche Gebäude wurden mit Sandsäcken gesichert. In Hohenfels bemerkte ein Autofahrer zu spät, dass eine Kreisstraße überflutet war. Sein Wagen lief voll, der Mann brachte sich in Sicherheit.

Wegen unter- und überspülter Gleise können zudem voraussichtlich bis Montag keine Züge mehr auf der Donaubahn zwischen Ehingen und Munderkingen (beide Alb-Donau-Kreis) fahren. Weil Wassermassen einen Bahndamm der Ablachtalbahn-Strecke bei Sauldorf (Landkreis Sigmaringen) stark beschädigt haben, kann der Betrieb nicht wie geplant am Wochenende aufgenommen werden. Auf rund 20 Metern müssten das Gleis entfernt, der Damm saniert und anschließend das Gleis neu verlegt werden, erklärte die Stadt Meßkirch.

Meßkirch

Stillgelegte Bahnstrecke im ländlichen Raum (Foto: SWR)

Die Biberbahn nimmt am Wochenende ihren Betrieb auf der Strecke der Ablachtalbahn zwischen Stockach (Kreis Konstanz) und Mengen (Kreis Sigmaringen) nicht wie geplant auf. Wassermassen haben einen Bahndamm stark beschädigt. Der Zug fährt erst ab Sauldorf.
 mehr…

In Lorch (Ostalbkreis) ist der Götzenbach nach einem Unwetter stellenweise über die Ufer getreten. Das Wasser lief in etwa zehn Häuser. Die Feuerwehr baute Sandsäcke auf und sperrte mehrere Straßen ab. Inzwischen hat sich die Lage jedoch wieder beruhigt.

Auch am Rhein bei Karlsruhe war die Lage angespannt: Der Rhein-Pegelstand bei Maxau lag am Freitagmorgen bei 8,40 Meter, wie ein Sprecher der Vorhersagezentrale für Hochwasser (HVZ) mitteilte. Die Schifffahrt bei Karlsruhe wurde bereits am Dienstagabend eingestellt, nachdem die Marke von 7,50 Meter überschritten wurde. Das Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Oberrhein teilte mit: “Nach derzeitiger Lage ist mit einer Freigabe für die Schifffahrt erst ab Anfang nächster Woche zu rechnen.”

Laut HVZ stieg das Rhein-Hochwasser am Freitag im Tagesverlauf und stabilisierte sich bei einem Pegelstand von rund 8,50 Meter. Das entspricht fast einem Hochwasser, das statistisch gesehen alle zehn Jahre vorkommt. Da noch Wassermassen aus der Schweiz nachkommen, dürfte der Scheitelpunkt am Samstag erreicht werden. Danach dürfte sich die Situation beruhigen, weil es nicht mehr regnen soll.

Diese Prognose bestätigt die Hochwasservorhersagezentrale Baden-Württemberg dem SWR. Die Rhein-Lage in Maxau steigt auch am Freitagnachmittag eine steigende Tendenz. “Das ganze Wasser aus den Nebenflüssen kommt zum Abfluss und verlagert sich eben zeitlich verzögert”, erklärt Fischer. Bis Sonntag sollte es zu steigenden Bedingungen auf einem hohen Stand bleiben.

In der Region um Mannheim und Heidelberg sind die Wasserpegel der Flüsse aktuell stabil. Laut Wettervorhersagen soll es im Norden von Baden-Württemberg auch in den kommenden Tagen nur wenige Niederschläge geben, sagt Daniel Habekost, Hydrologe an der Hochwasservorhersagezentrale des Landes. Aufgrund des Regens steigt der Wasserpegel des Rheins also weiter an. Am Freitagmittag liegt er in Mannheim bei knapp 6,96 Metern. Laut Hochwasservohersagezentrale Baden-Württemberg wird der Neckar-Pegel in Heidelberg aber langsam wieder sinken.

An kleineren Nebenflüssen wie der Elsenz bei Meckesheim (Rhein-Neckar-Kreis) oder der Elz bei Mosbach (Neckar-Odenwald-Kreis) besteht nach Angaben der Vorhersagezentrale derzeit ebenfalls keine Hochwassergefahr. Hier sinken die Pegelstände kontinuierlich.

Der Wasserstand des Bodensees am Pegel Konstanz befindet sich aktuell im Bereich eines zweijährlichen Hochwassers mit steigender Tendenz, so die HVZ. Allerdings nimmt der Regen den Vorhersagen zufolge bis Sonntag deutlich ab.

Allgemein soll sich die Wetterlage zum Wochenende in Baden-Württemberg den Vorhersagen zufolge entspannen. In einigen Landesteilen seien aber dennoch unwetterartige Regenfälle und Gewitter möglich:

Baden-Württemberg

Blick vom Stuttgarter Killesberg Richtung Weinstadt und Rems-Murr-Kreis, Unwetter-Wolken ziehen vorbei. (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance/dpa/Fotoagentur-Stuttgart | Andreas Rosar)

Nach verheerenden Überschwemmungen im Westen Deutschlands hat Tief Bernd auch in Teilen Baden-Württembergs gewütet. Am Wochenende entspannt sich die Lage nur langsam.
 mehr…

Weit schlimmer ist die Situation in den Hochwassergebieten in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz. Baden-Württemberg schickt immer mehr Helferinnen und Helfer dorthin, vor allem ins Nachbarland Rheinland-Pfalz. Innenminister Thomas Strobl (CDU) sagte am Freitag in Stuttgart: “Am gestrigen Abend und in den Nachtstunden haben wir die Unterstützung deutlich ausgeweitet und weitere rund 600 Einsatzkräfte von Sanitätsdienst, Feuerwehr und Technischem Hilfswerk zur Unterstützung entsandt.” Ein weiterer Polizeihubschrauber mit Höhenrettern der Feuerwehr Stuttgart solle ins Einsatzgebiet im Landkreis Ahrweiler fliegen. Auch in Nordrhein-Westfalen hilft Baden-Württemberg mit Rettungskräften.

Aus immer mehr Regionen im Land formieren sich Hilfsangebote. Auch das 2016 von einem Hochwasserereignis stark betroffene Braunsbach (Kreis Schwäbisch Hall) bat Hilfe für das Katastrophengebiet an.

Sehen Sie hier einen Beitrag mit Braunsbachs Bürgermeister Frank Harsch (parteilos):















Unwetter am Mittwoch Thema im Landtag

Am Freitag hatte die SPD-Fraktion in Baden-Württemberg verkündet, die Themen Hochwasser und Unwetter auf die Tagesordnung im Landttag setzen zu wollen. Die Fraktion habe eine aktuelle Debatte dazu für die Sitzung am kommenden Mittwoch angemeldet, erklärte der Vorsitzende Andreas Stoch.

Das Land müsse sich mit den zunehmenden Gefahren durch extremen Starkregen befassen und handeln. “Das betrifft kurzfristige Vorsorge im Hochwasserschutz ebenso wie eine optimale Vorbereitung aller Einsatzkräfte, das betrifft aber auch Konsequenzen beim Klimaschutz und dem Umgang mit unseren Flüssen”, sagte er.

Ein Gummistiefel in einer von dunklem Schlamm überfluteten Wiese (Foto: dpa Bildfunk, Picture Alliance)

Die wirtschaftlichen Schäden der Hochwasserkatastrophe sind gravierend. Noch ohne konkrete Zahlen ist schon klar: Es trifft Privatleute aber auch Landwirtschaft und Umwelt hart.
 mehr…

Baden-Württemberg sieht sich gut für Ernstfall gerüstet

Für den Ernstfall sehe sich die Landesregierung jedoch gut gerüstet. Wie ein Sprecher des Innenministeriums sagte, stehen im Land etwa 112.000 Kräfte der Feuerwehr bereit. Auch Kräfte des Technischen Hilfswerks und des Deutschen Roten Kreuzes seien an Planungen für mögliche Noteinsätze beteiligt. “Baden-Württemberg hat sich auf extreme Unwetterereignisse gut vorbereitet und stellt Mannschaft und Gerät selbstverständlich auch anderen Ländern im Ernstfall zur Verfügung”, so Innenminister Thomas Strobl (CDU).
















Video herunterladen
(5 MB | MP4)

Umweltministerin Thekla Walker (Grüne) rief erneut die Kommunen auf, die extremen Wetterlagen im Blick zu haben und sich vorzubereiten. “Der Klimawandel wird zu einer Klimakatastrophe, hier mitten in Deutschland, wenn wir nicht schnell und massiv gegensteuern.” Nötig seien Vorsorge, Schutzmaßnahmen und konsequenter Klimaschutz.

.



Source link