Ukraine-News: Kiew ordnet Ende der Verteidigung von Mariupol an

Von der Leyen knüpft EU-Beitritt der Ukraine an Reformen +++ Selenskyj: Kämpfe haben Donbass in “Hölle” verwandelt +++ Die Lage im Ukraine-Krieg im stern-Ticker.

Tag 86 der russischen Invasion in der Ukraine: Während Kiew die verbleibenden Kämpfer des Asow-Regiments im Mariupoler Industriekomplex Asow-Stahl laut dessen Anführer anweist, die Verteidigung der Stadt aufzugeben und “das Leben der Soldaten zu retten”, laufen im Osten der Ukraine weiter schwere Gefechte um die Donbass-Region. “Der Gegner führt eine Offensive im Raum Lyssytschansk und Sjewjerodonezk durch”, meldet der ukrainische Generalstab in seinem Lagebericht.

Derweil kündigt Russland nach Angaben des finnischen Energiekonzerns Gasum an, die Gas-Lieferungen nach Finnland am frühen Samstagmorgen einzustellen. Darüber habe Gazprom Export am Freitagnachmittag informiert, so Gasum. Zuvor hatte der finnische Konzern mitgeteilt, Forderungen von Gazprom Export, Zahlungen in Rubel zu begleichen, nicht zu akzeptieren. Auch über andere Forderungen seien sich die beiden Unternehmen nicht einig.

Die Meldungen zum Krieg in der Ukraine von Freitag, den 20. Mai:  

13.55 Uhr: Prozess in Kiew: Anwalt fordert Freispruch für russischen Soldaten

Im ersten ukrainischen Kriegsverbrecherprozess hat die Verteidigung einen Freispruch für den angeklagten russischen Soldaten gefordert. “Er hat einen Befehl ausgeführt, wenngleich es ein verbrecherischer Befehl war”, sagte Anwalt Viktor Owsjannikow vor Gericht gemäß einer Meldung der Onlinezeitung Hromadske. Der Angeklagte sei dabei angeschrien und bedroht worden. Der 21-Jährige habe den 62-jährigen Zivilisten im Dorf Tschupachiwka im Gebiet Sumy nicht töten wollen.

13.40 Uhr: G7-Staaten geben Ukraine zusätzliche 9,5 Milliarden Dollar

Die sieben führenden Industrienationen wollen die Ukraine mit zusätzlichen, kurzfristigen Budgethilfen in Höhe von 9,5 Milliarden Dollar (knapp 9 Milliarden Euro) unterstützen. Darauf haben sich die Finanzminister der G7-Staaten auf dem Petersberg bei Bonn verständigt. Seit Jahresbeginn hätten sie damit insgesamt 19,8 Milliarden Dollar an Finanzhilfen für die Ukraine mobilisiert, heißt es in der Abschlusserklärung des Ministertreffens. Das Geld soll helfen, die grundlegenden staatlichen Leistungen des kriegsgebeutelten Landes aufrechtzuerhalten und Finanzierungslücken zu schließen. Offen ist noch, ob es sich ausschließlich um Zuschüsse oder auch um Darlehen handelt.

13.29 Uhr: Finnischer Energiekonzern: Russland stellt Gas-Lieferungen ein

Russland stellt die Gas-Lieferungen nach Finnland nach Angaben des finnischen Energiekonzerns Gasum am frühen Samstagmorgen ein. Darüber habe Gazprom Export am Nachmittag informiert, teilt der finnische Versorger Gasum in Espoo mit. Zuvor hatte der finnische Konzern mitgeteilt, Forderungen von Gazprom Export, Zahlungen in Rubel zu begleichen, nicht zu akzeptieren. Auch über andere Forderungen seien sich die beiden Unternehmen nicht einig.

13.25 Uhr: Rosneft: Schröder verlässt Posten als Aufsichtsratschef

Der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder will den Aufsichtsrat des russischen Ölkonzerns Rosneft verlassen. Schröder, der Rosneft-Aufsichtsratschef ist, habe mitgeteilt, dass es ihm unmöglich sei, sein Mandat in dem Gremium zu verlängern, teilte der Konzern am Freitag mit. Details oder Gründe wurden nicht genannt. Mit Schröder verlässt demnach auch der deutsche Geschäftsmann Matthias Warnig den Aufsichtsrat. Der 78-jährige Schröder, langjähriger Freund der russischen Präsidenten Wladimir Putins, stand zuletzt unter massivem Druck angesichts von Forderungen in Deutschland, wegen des russischen Angriffskriegs in der Ukraine nicht mehr als Öl- und Gaslobbyist für Russland tätig zu sein. Der SPD-Politiker hat außerdem Führungspositionen bei den Pipeline-Projekten Nord Stream und Nord Stream 2 inne – beide Erdgasleitungen durch die Ostsee verbinden Russland und Deutschland.

13.19 Uhr: Asow-Kommandeur: Kiew ordnet Ende der Verteidigung von Mariupol an

Das ukrainische Militär hat die verbleibenden Kämpfer des Asow-Regiments im Mariupoler Industriekomplex Asow-Stahl laut dessen Anführer angewiesen, die Verteidigung der Stadt aufzugeben. “Das höhere Militärkommando hat den Befehl gegeben, das Leben der Soldaten unserer Garnison zu retten”, sagte der Asow-Kommandeur Denys Prokopenko in einem am Freitag veröffentlichten Video. Es werde daran gearbeitet, die Leichen getöteter Kämpfer aus der Anlage zu bringen.

11.35 Uhr: Russland kündigt neue Militärbasen im Westen des Landes an

Als Antwort auf die Ausweitung der Nato will Russland im Westen des Landes zwölf neue Militärstützpunkte errichten. Das kündigte Verteidigungsminister Sergej Schoigu an. Er sagte nach Angaben russischer Nachrichtenagenturen: “Bis Ende des Jahres werden zwölf Militärbasen und Einheiten im westlichen Militärbezirk eingerichtet.” Die Stützpunkte rücken damit näher an die Grenzen zum Nato-Gebiet heran. Russlands Präsident Wladimir Putin hatte in den vergangenen Tagen eine Reaktion auf die Aufnahmeanträge von Schweden und Finnland ins Verteidigungsbündnis angekündigt.

11.17 Uhr: Anwalt fordert Freispruch für russischen Soldaten in Kriegsverbrecher-Prozess

Der Anwalt des in Kiew wegen Kriegsverbrechen angeklagten russischen Soldaten hat einen Freispruch für seinen Mandanten gefordert. “Unter Berücksichtigung aller Beweise und Zeugenaussagen bin ich der Meinung, dass Herr Schischimarin des ihm zur Last gelegten Verbrechens nicht schuldig ist”, so der Verteidiger von Wadim Schischimarin vor Gericht. Der 21-Jährige hatte die Angehörigen des Opfers um Entschuldigung gebeten. Schischimarin wollte den ukrainischen Ermittlern zufolge nach einem Angriff auf seinen Konvoi in der Nordukraine mit vier Kameraden in einem gestohlenen Auto fliehen. Das Opfer war demnach Zeuge des Autodiebstahls. Vor Gericht bestätigte Schischimarin diese Darstellung. Die Staatsanwaltschaft fordert eine lebenslange Haftstrafe wegen Kriegsverbrechen. 

9.15 Uhr: Verteidigungsministerin Lambrecht kritisiert Indiskretionen aus eigenem Haus

Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) kritisiert Indiskretionen aus ihrem eigenen Ministerium. Es gebe eine “Unkultur” dort, “mit Gerüchten, Klatsch und Flurfunk die Medien zu füttern”, sagte Lambrecht dem Portal T-Online. Dies sei “eine ungute Entwicklung, gerade für ein Ministerium, das für Sicherheitspolitik zuständig ist.” Lambrecht, die seit Wochen von unterschiedlichen Seiten in der Kritik steht, äußerte sich überzeugt, dass dieses Problem nicht mit ihr selbst zu tun habe. “Wenn ich mir anschaue, was über meine Vorgängerinnen geschrieben wurde, habe ich nicht den Eindruck, dass es mit meiner Person zu tun hat”, sagt sie. Auch seien manche der Vorwürfe “so abwegig”, dass sie sich damit gar nicht beschäftige. Dass sie beispielsweise um 15 Uhr das Ministerium verlasse, komme zwar vor, aber “leider fehlt da die Information, dass ich mich dann zum nächsten Termin aufmache”, kritisierte die Ministerin.

7.33 Uhr: Ukrainisches Militär meldet weitere schwere Gefechte im Donbass

Im Osten der Ukraine laufen weiter schwere Gefechte um die Donbass-Region. “Der Gegner führt eine Offensive im Raum Lyssytschansk und Sjewjerodonezk durch”, meldet der ukrainische Generalstab in seinem Lagebericht. Nach Angaben aus Kiew konnten die ukrainischen Truppen den Angriff auf Sjewjerodonezk abwehren, in dem Vorort Toschkiwka werde weiter gekämpft.

Wenige Kilometer weiter südlich an der Gebietsgrenze zwischen Luhansk und Donezk gibt es demnach Kämpfe um die Ortschaften Wyskrywa und Olexandropillja etwa zehn Kilometer östlich der Kleinstadt Bachmut. Diese gilt als ein weiteres strategisches Zwischenziel der russischen Angriffe. Erfolge hätten die russischen Offensivbemühungen hier genauso wenig erzielt wie die anhaltenden Sturmversuche in Awdijiwka und Kurachowe, heißt es in dem Lagebericht. Insgesamt seien 14 Attacken in den Gebieten Donezk und Luhansk abgewehrt worden.

Im Gebiet Charkiw, wo die Ukrainer in den letzten Wochen zur Gegenoffensive übergegangen sind, konnte Kiew keine weiteren Gebietsgewinne vermelden. Die Russen konzentrierten sich hier auf die Verteidigung ihrer Frontlinie. Kämpfe gebe es um die Ortschaften Ternowa und Wesele, heißt es. Von unabhängiger Seite konnten die Berichte nicht überprüft werden.

6.42 Uhr: Ukraine wirft Russland Behinderung der Flucht von Zivilisten vor

Im Gebiet Saporischschja im Süden der Ukraine behindern die russischen Besatzungstruppen angeblich die Flucht von Zivilisten auf ukrainisch kontrolliertes Gebiet. “Derzeit befinden sich in der Stadt Wassyliwka vor dem russischen Checkpoint mehr als 1000 Fahrzeuge, die nicht auf das von der Ukraine kontrollierte Gebiet gelassen werden”, berichtet die Vizechefin der Gebietsverwaltung von Saporischschja, Slata Nekrassowa, der Nachrichtenagentur Ukrinform. In sozialen Netzwerken sind inzwischen auch entsprechende Videos aufgetaucht. In den Autos seien auch viele Frauen und Kinder. Beamte ihrer Verwaltung hätten daher veranlasst, den Flüchtlingen Wasser und Proviant zu liefern, erklärte Nekrassowa. Die Ukraine hat den russischen Truppen in der Vergangenheit mehrfach vorgeworfen, Zivilisten in den besetzten Gebieten an der Flucht zu hindern und sie teilweise gewaltsam nach Russland zu verschleppen.

6.28 Uhr: Union kritisiert Verzögerungen bei Waffenlieferungen

Die Unionsfraktion kritisiert die Bundesregierung wegen Verzögerungen bei der Lieferung von Gepard-Flugabwehrpanzern an die Ukraine. Er frage sich, “ob das nur ein Bluff war”, sagte der verteidigungspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Florian Hahn (CSU), der “Bild”-Zeitung. “Schlimm für die Ukraine, denn sie braucht dringend Nachschub.” Ähnliche Vorwürfe hatte CDU-Oppositionsführer Friedrich Merz am Donnerstag im Bundestag bereits direkt an Scholz gerichtet. Der ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk, sagte den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND): “Wir haben den Eindruck, dass der Kanzler nicht liefern will.” Dabei sei der Bundestagsbeschluss zur Lieferung schwerer Waffen mittlerweile schon drei Wochen her. “Man kann den Eindruck gewinnen, dass man abwartet bis es zu einer Waffenruhe kommt”, mutmaßte Melnyk. “Dann ist der Druck von Deutschland weg und dann brauchen auch keine mutigen Entscheidungen mehr getroffen werden.”

4.30 Uhr: Tschechien soll erste Leopard-Panzer noch in diesem Jahr erhalten

Für die Übergabe von Panzern an die Ukraine soll der Nato-Partner Tschechien “zügig” mit Leopard-2-Panzern aus Deutschland ausgestattet werden. “Die Auslieferung soll noch dieses Jahr beginnen und auch einen 30-Tage-Vorrat an 120 mm Munition umfassen”, teilte das deutsche Verteidigungsministerium den zuständigen Obleuten im Bundestag mit. “Gerät und Munition kommen aus Beständen der Industrie und werden durch die Bundesrepublik Deutschland finanziert. Die Folgeversorgung liegt in der Verantwortung Tschechiens.” Das Schreiben liegt der Deutschen Presse-Agentur in Berlin vor.

Tschechien beabsichtige, durch die Abgabe von 20 Kampfpanzern des Typs T-72 aus eigenen Beständen die Ukraine signifikant zu unterstützen. “In einem ersten Schritt soll Tschechien als Ersatz für die eigene Abgabe 14 Leopard 2 A4 Kampfpanzer und einen Bergepanzer auf Leopard 2 Basis erhalten”, heißt es darin.

3.44 Uhr: Selenskyj spricht von der “Hölle im Donbass”

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat die Situation im Donbass angesichts des russischen Angriffskriegs als “Hölle” bezeichnet. Die Armee arbeite weiter an der Befreiung der Region Charkiw, sagte Selenskyj in seiner abendlichen Videoansprache am Donnerstag. “Aber im Donbass versuchen die Besatzer, den Druck zu erhöhen. Da ist die Hölle, und das ist keine Übertreibung”, so der Präsident weiter. Der Donbass sei “komplett zerstört”.

Die Kämpfe zwischen russischen und ukrainischen Truppen gingen vor allem im Osten der Ukraine im Donbass weiter. Das Kommando der ukrainischen Kräfte in der Region berichtete am Donnerstag davon, dass 14 feindliche Angriffe abgewehrt worden seien. Überprüfbar waren die Angaben nicht. Als ein Anzeichen für die Härte der Kämpfe wurden erneut zahlreiche zivile Todesopfer verzeichnet. Allein im Gebiet Donezk wurden nach Behördenangaben fünf Menschen getötet. Journalisten berichten ebenfalls 

0.00 Uhr: Von der Leyen knüpft EU-Beitritt der Ukraine an Reformen

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen will im Fall der Ukraine am üblichen Beitrittsprozess festhalten. Wie schnell die Ukraine Mitglied werden könne, hänge “auch sehr viel von der Ukraine selber ab”, sagte von der Leyen am Donnerstag in der ZDF-Sendung “Maybrit illner” und fügte hinzu: “Was ich bisher sehe, ist ein ganz fester Wille, diesen Weg zu schaffen.” Verbunden werde müsse Beitritt und Wiederaufbau des Landes mit den notwendigen Reformen, sagte von der Leyen und nannte unter anderem den Kampf gegen die Korruption, den Aufbau der Rechtsstaatlichkeit und Veränderungen in der Wirtschaft. “Das will die Ukraine auch”, so von der Leyen. Ein Punkt im ukrainischen Reformprozess werde sein, wie das Land die Oligarchen loswerde. Deren eingefrorene Vermögen will die Kommission unter Umständen zum Wiederaufbau der zerstörten Ukraine heranziehen. Das Vorgehen müsse aber juristisch untermauert werden (ZDF).

dho
DPA
AFP

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